So bekommst du Hitler auf deinen Toast – wenn du unbedingt willst

Der New Yorker Künstler Tibi Tibi Neuspiel hat ein Meme losgetreten, das auch die Rechten lustig finden. Für eine Kunstinstallation hat er das Gesicht von Adolf Hitler auf Toast gemalt (Sorry, es war kein Toaster, man kann ihn nicht kaufen. Das Meme hat euch betrogen.). Tibi hat eine Menge (falscher) Toastbrote in eine Mülltonne gesteckt, die Hitler als Soldaten im ersten Weltkrieg, als Redner oder als Feldherren zeigen: Propagandabilder letztlich.

In rechten Kreisen macht man den Bildausschnitt lieber ein bisschen kleiner, sodass man den Mülleimer nicht sieht, muss ja nicht sein. So auch Sven P.: Der mutmaßliche Drogendealer aus Großröhrsdorf steht in Dresden vor Gericht, weil er große Mengen Marihuana und Crystal Meth bewegt haben soll. Aber nicht nur deshalb, sondern auch wegen des Verdachts auf Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen. Er hatte unter anderem auch die Toasts des Künstlers Tibi Tibi Neuspiel auf seinem Profil bei Facebook geteilt.

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Neuspiel ist ein jüdischer Name, seine Familie hat den Holocaust nur deswegen überlebt, weil sie rechtzeitig nach Kanada flohen, bevor Hitler in Tschechien einfiel. Zur Kunst kam er eher zufällig. Eigentlich macht Tibi Kunst, weil er nicht schlafen konnte. Seine Schlaflosigkeit trieb ihn nachts nach draußen, erst fuhr er bloß lange Runden mit dem Rad, dann malte er Graffiti. Street Art war ihm jedoch zu beschränkt und er ging zur „klassischen Kunst”. Hitler ist nur ein Teil der Gesichter, die es auf Toastbrot geschafft haben, andere zeigen Stalin, O. J. Simpson, Garfield, Lassie, Jesus oder J. F. Kennedy. Warum er das alles macht, hat er uns im Interview erklärt.

MUNCHIES: Tibi, du hast den Hitler-Toast erfunden. Was soll das?
Tibi Neuspiel: Es ist Teil einer Skulptur, die ich 2009 gemacht habe. Ich habe Bilder von Hitler auf Toast-Imitate gemalt und damit eine ganze Mülltonne gefüllt. Hitler hatte ich ausgesucht, weil ich das Gefühl habe, dass jeder jeden „Hitler” schimpft, sobald er nicht der gleichen Meinung ist. Erst nannten sie Bush Hitler, dann Obama, jetzt ist es Trump. Das hat jede Bedeutung verloren. Hitler ist für mich ein Symbol einer Debatte, der es an jeder Nuance fehlt. Jemanden Hitler zu nennen ist weder einfalls- noch hilfreich. Was mich interessiert, sind diese Übertreibungen. Da wird man entweder ein Kommunist genannt oder ein Nazi, manchmal auch beides.

Was hat deine Familiengeschichte mit deiner Arbeit zu tun?
Mein Name ist recht selten, was daran liegt, dass die meisten Neuspiels im Zweiten Weltkrieg umgebracht wurden. Ich erinnere mich daran, wie mein jüdischer Vater mir erzählte, wie fasziniert er von Hitler war, als er ihn als Kind im Radio reden hörte. Er war so angetan, dass er einen Hitler-Gruß vor dem Gerät machte. Ich habe von ihm gelernt, welche Macht die Rhetorik hat.

Warum hast du Nahrung als Leinwand für deine Kunst gewählt?
Kunst bedeutet für mich, Momente einzufangen. Kunstwerke sind nur die Nebenprodukte von Interessen, Fähigkeiten und den Ressourcen, die der Künstler zu dieser Zeit hatte. Die ändern sich ständig. Ich benutze Essen, weil es sowohl vertraut als auch vergänglich ist. Indem ich Essen als Kunst nachbilde, konserviere ich den Moment, in dem es perfekt war. Außerdem ist es lustig.

Ist dir klar, dass Rechte deine Bilder als Insider-Witze gebrauchen?
Nein, aber ich weiß, dass meine Sachen ein Meme sind. Mein Name wurde aus dem Toastbrot-Bild geschnitten, also wusste niemand, wer es gemacht hat und welchen Hintergrund es hat. Ich finde Memes sehr interessant, denn sie sind komplett ohne Kontext. Sie haben nicht mehr diesen Ballast, „Fine Art” zu sein und damit oft als langweilig zu gelten. Memes sind die beste und wichtigste bildende Kunst, die gerade gemacht wird.

Die Original-Installation von Tibi hat sich nie verkauft, ihr kommt also noch an den Toast.