Koch zu sein ist ein harter Job. Du fängst beschissen früh an und hörst beschissen spät auf, dazwischen arbeitest du unter Zeitdruck, in einer heißen Küche, während dich Menschen anschreien. Wundert es da noch irgendwen, dass sich Köchinnen und Köche immer wieder verletzen?
Das hektische Treiben in guten Restaurants fasziniert mich, deshalb habe ich einige junge Köche nach ihren persönlichen Horror-Geschichten gefragt.
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Sarah Cicolini ist Köchin und die Besitzerin des Santo Palato in Rom, einer sehr guten Trattoria. Sarah ist klein, tätowiert und tough, bevor sie Köchin wurde hat sie Medizin studiert. Das kommt ihr jetzt zugute, weil sie ihre Verletzungen in der Küche selbst behandeln kann.
“Eine Wunde habe ich besonders gern – heute is das eine Riesennarbe an meinem linken Ringfinger”, erzählt sie. An dem Abend, an dem sie das Santo Palato eröffnet hat, hat sie es mit einem Schafsbein zu tun gehabt. “Ich war euphorisch und habe das Messer durch Schafsbein und meinen Finger gerammt. Da habe ich echt Sterne gesehen.”
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Man kann sich selbst bei den einfachsten Tätigkeiten verletzen. “Ich habe Petersilie gehackt, wirklich verdammt simpel”, erzählt Sarah, “und ich habe irgendjemandem geantwortet und mir dabei in den Finger geschnitten. Ich bin sogar bewusstlos geworden, weil es so heiß war in der Küche. Als ich wieder wach wurde, war ich klatschnass – sie haben einfach Wasser über mich gekippt, weil für mehr Erste Hilfe keine Zeit war.”
Stefano Di Giosia ist Koch im preisgekrönten Restaurant Borgo Spoltino und er sagt, dass man die Schnitte und Verbrennungen irgendwann nicht mehr spürt. Er schneidet sich beinahe täglich. “Am ersten Tag in der Kochschule haben wir die Basics gelernt, sowas wie Gemüse schneiden”, sagt er. Die Lektion begann damit, eine Kartoffel zu schneiden und Stefano beendete sie, als er sich mitten in seinen Fingernagel schnitt.
Laut Stefano achten zu wenig Küchen auf angemessene Sicherheitsstandarts. Ein Fleischwolf mit ausgefransten Kabeln, Schneidemaschinen ohne Schutzvorrichtungen und andere scharfe Gegenstände sind potentielle Fallen für abgelenkte Köche. “Wenn man gestresst ist und ein Essen fertig kriegen muss, dann macht man das halt – auch, wenn man dabei verblutet.”
Christian Costardi betreibt zusammen mit seinem Bruder Manuel ein Restaurant in Vercelli, einer Stadt zwischen Mailand und Turin. “Ich habe vor 15 Jahren in Venedig gearbeitet. Es war schon spät und ich musste den Zug kriegen, aber die Ravioli waren noch nicht fertig”, erzählt Christian. Der Pastateig war etwas zu fest, aber Christian wollte ihn trotzdem verwenden und ihn mit der Nudelmaschine ausrollen. “Ich habe den Teig in die Nudelmaschine gegeben, die Maschine angeschaltet und schwupp – der Teig war platt und zwei meiner Finger auch”, erzählt er. “Ich bin beinahe ohnmächtig geworden, aber immerhin durfte ich mit dem Krankenwagen fahren – in Venedig sind das Boote.”
Christian kam mit 30 Stichen davon. Und wie durch ein Wunder funktionieren seine Finger immer noch.
Bei einem anderen Unfall war sein Bruder Manuel gerade 18 Jahre alt. Er hantierte mit flüssigem Stickstoff, um Beeren für ein Dessert einzufrieren. “Er steckte sich eine gefrorene Himbeere in den Mund und sie blieb an seiner Zunge kleben”, erzählt Christian. Manuel ließ Wasser über seine Zunge laufen und irgendwann fiel die Beere dann ab. Zurück blieb ein ziemlich schmerzhafter Kältebrand auf der Zunge. Heute testen die Brüder daher die Temperatur von gefrorenen Beeren an ihren Zähnen, bevor sie sich etwas in den Mund stecken.
Ciro Scamardella hat das Pipero-Restaurant in Rom vor einigen Jahren als junger Koch übernommen. Eines Tages kam er etwas durcheinander zur Arbeit, weil er auf dem Weg von der Polizei angehalten worden war.
“Ich habe ein paar Messer geschärft, also Klingen geschärft und geschliffen, geschärft und geschliffen und dann meine Fingerspitze auch.”
Ein anderes Mal hat einer der Praktikanten einen Laib Brot gebacken und alle haben ihm gratuliert. “Als er aufräumen wollte hat er – warum auch immer – den heißen Topf angefasst. Das war eine ganz schön heftige Verbrennung.”
Um es kurz zu machen: nur die Harten kommen in den Garten. Ich jedenfalls weiß jetzt die Mühe der Köchinnen und Köche noch viel mehr zu schätzen.