So gehst du mit deinen jüngeren Geschwistern fort

Familie und Rausch sind zwei Dinge, die sich ungefähr so gut vertragen wie die Kirche und Swinger-Partys. Wer diesen flachen Vergleich nicht versteht – ich meine damit, sie vertragen sich gar nicht. Nichtsdestotrotz sind beide Dinge in unserem jungen, chaotischen und nur so halb-selbstständigen Leben omnipräsent. Deshalb kollidieren manchmal beide Dinge und diesen Umstand nennt der Volksmund “Familienfeier”.

Aber so tief möchte ich gar nicht in die verworrene und höchst beängstigende Welt der Familienfeier eingehen. Manchmal passiert etwas, was ich als “Vorglühen für die Familienfeier” bezeichne. Manchmal gehe ich mit meinem kleinen Bruder fort. Solltest du keine Geschwister haben, dann gratuliere ich dir zu dem nie gelöschten Spielstand und absolut keinen Erfahrungen im Bodenkampf. Wenn du dich an der Einfachheit und Lockerheit deines Einzelkind-Lebens ergötzen willst, lies ruhig weiter. Alle anderen, die Geschwister haben: Sagen wir es nicht den Einzelkindern, aber wir sind eigentlich schon die besseren Menschen. Unter anderem auch deshalb, weil wir Erfahrung im Bodenkampf haben und diverse Gameboy-Spiele mehrmals gespielt haben.

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Als Erstgeborener hat man es nicht leicht. Du bist das Kind, bei dem die meisten Erziehungsfehler begangen wurden. Richtig, du mein Großer, bist Übungsmaterial. Deine Eltern waren noch unerfahren, als sie dich geworfen haben. Das heißt, sie haben sich mehrere Bücher zu Gemüte geführt, haben bei jedem Heulanfall eine Krise geschoben und haben sich erst entspannt, als sie gemerkt haben, dass auch Kinder einen gewissen Überlebenswillen besitzen.

Und, als sie dein junges Geschwisterlein bekommen haben. Du hattest mal volle Aufmerksamkeit und das Rotz-Ding, das jetzt vor dir liegt, hat sie dir entrissen. Du warst alles, jetzt bist du “der Klügere” und “der Ältere”. Außerdem hast du immer so Sachen wie “Pass auf deine kleine Schwester auf” oder “Teil doch mit deinem kleinen Bruder das letzte Stück von deinem Geburtstagskuchen” gehört. Jap, klingt beschissen, aber was solls. Dafür warst du quasi immer stärker. Im Bodenkampf.

Tendenziell halten dich deine Eltern tatsächlich für die Vernunft. Sie werden wahrscheinlich auch ein bisschen – unbemerkbar viel, aber doch – mehr in dich investieren. Du solltest als Erster Kinder bekommen, als Erster einen Job ergreifen und als Erster Selbstbewusstsein ausstrahlen. Es kommt eigentlich nie so, weil Erstgeborene oft eine unterhaltsame Pubertät durchlaufen. Das checkst du erst, wenn dein kleines Geschwisterlein zuckersüß lächelnd mit einem Job, einem Partner und einer Wohnung vor dir steht. Und du gerade deine zweite Socke suchst, die dir Mama wahrscheinlich vergessen hat einzupacken.

Egal, ob du eine Vorzeige-Ältere bist oder nicht: Wenn deine kleinen Geschwister mit dir fortgehen, gibt es ein paar Regeln, an die du dich halten solltest. Vor allem, weil du ein fucking Idol bist. Oder warst. Was auch immer, hier nenne ich sie, die sechs Gebote des Älteren.

Du sollst nicht dazwischen gehen, wenn dein jüngerer Part flirtet.

Damit meine ich nicht mal das “großer Bruder und kleine Schwester”-Ding. Ich habe meinen kleinen Bruder schon so grindig und unbeholfen flirten gesehen, dass ich den frisch bestellten Long Island Ice Tea fast erbrochen habe. Aber es ist OK. Ich kenne meinen Bruder aber auch, wie er in Unterwäsche Cornflakes isst und Tom Turbo schaut. Oder wie er in Unterwäsche Cornflakes isst und WOW zockt. Die Frau in der Disco kennt ihn so nicht. Ja, eine Frau. Mit weiblichen Merkmalen. Und mein Bruder – OK also wie ihr seht, ist es kein geschlechtsspezifisches Problem. Ertrage es. Mit Long Island Ice Tea.

Du sollst nicht aufhören, mit deinem Bsuff-Gschwister’l heulend dazusitzen und Familien-Dinge aufzuarbeiten

Schwestern neigen dazu, eine crazy Art von beste Freundinnen zu werden, die allen Außenstehenden Angst macht. Solltest du eine Schwester sein und eine dieser seltsamen Freundschaften mit deiner kleinen Schwester führen – dann ist euch ja eh heulen, schreien und lästern geläufig. Ihr braucht keine Tipps. Ihr braucht einen Exorzisten.

Alle anderen: Orientieren wir uns mal an dem etwas kranken Schwester-Schwester-Konzept. Zwei meiner Kindheitsfreundinnen sind Schwestern. Ich habe sie im Ferienlager gemeinsam pubertieren gesehen. Ich habe gesehen, wie die eine der anderen “Hör auf meine Sachen zu nehmen, du leierst sie aus, du fette Sau” zugeschrien hat. Ich habe gesehen, wie sie sich gegenseitig einen Typen ausspannen. Ich habe gesehen, wie sie sich anschreien, um drei Stunden später zusammen zu heulen. Eigentlich bin ich noch immer verstört.

Jedenfalls haben die beiden Schwestern mir gezeigt, dass du eigentlich alles bereden kannst. Wirklich – du kannst mit deinem Geschwisterlein über alles reden. Vor allem im Suff. Block nicht ab, lass es fließen. Lästert ein bisschen über die seltsame Tante. Redet über die Scheidung. Sauft auf die Familie. Baut eine Connection auf. Es wird auch dir gut tun, zu wissen, dass es jemanden gibt, der deine Startbedingungen fürs Leben hatte. Und dich auch wirklich versteht.

Du sollst deinen strengen Ton ablegen

Solltest du der Ältere sein, der seine Aufgabe ernst nimmt, mache es nicht mehr. Handhabe deinen Geschwister-Part als eine Art Freund. Nur anders. Als einen Quasi-Freund. Trinke mit und ignoriere die Tatsache, dass sich dein jüngeres Ich gerade dem fünften Wodka hingibt. Wenn es echt stört: Versuche subtil das Ruder an dich zu reißen. Ja ich weiß, subtil ist bei Geschwistern selten ein Ding. Aber du kommst weiter, wenn du fragst, ob ihr noch ein Bier trinkt, anstatt mahnend zu sagen, dass es schon der fünfte Wodka ist. Außerdem klingst du dabei wie deine Mutter. Raute: Fun.

Du sollst wegschauen, wenn dein jüngeres Teil schmust

Schau, auch dein genetisch nicht ganz so gelungenes Familienteil braucht Liebe. Es braucht viel mehr Liebe als du, da es das auch gewohnt ist. Vergessen? Es hat dir die gesamte Aufmerksamkeit gestohlen. Es hat wie ein Neugeborenes geheult, als es neugeboren war. Und du, du bist dagesessen, alleine mit deinem Lego. Diese egozentrische Aufmerksamkeit und Liebe ist dein Geschwisterlein gewohnt. Lass ihn oder sie. Außer der Mensch, mit dem es schmust, ist verwerflich und alles andere ist verwerflich. Du gehst nur dazwischen, wenn du bei deinem besten Kumpel dazwischen gehen würdest. Also nie.

Du sollst nicht vor ihm stürzen

Es gibt vieles im Leben, bei dem dir deine kleine Schwester oder Bruder nicht zuschauen muss. Wenn ihr zusammen kotzt, ist es OK – angenommen, ihr geht öfters miteinander aus. Wenn ihr es nicht tut: Willst du von deinem jüngeren Ich nach Hause getragen werden? Willst du dein Idol-Bild komplett zerstören und in den Dreck werfen? Willst du dir alles nehmen, was man dir in die Wiege gelegt hat? Deine Vorbildfunktion? Just don’t.

Du sollst Drogen scheiße finden

Idol-Bild. Wenn du deinem Bruder oder deiner Schwester sagst, dass Kiffen eh OK ist, dann werden sie wohl kiffen. Und stürzen. Vielleicht geben sie ihr Studium auf, um ein 1-A-Kiffer zu werden. Wenn du ihnen sagst, dass Drogen OK sind, dann viel Spaß mit deinem Gewissen, wenn du merkst, dass dein süßes Geschwisterlein jetzt die ein-Jahr-MDMA-Phase hat. Viel Spaß. Es gilt übrigens für alle gesellschaftlich schwachen Verhaltensweisen. Scheiß bei deinen Freunden auf alles. Aber nicht bei deinen Geschwistern.

Fredi hat Twitter: @schla_wienerin

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