Dieser Text ist ein gekürzter Auszug aus dem Buch Kommen mit Stil—der Guide für nachhaltigen Porno
Noch immer schreiben Redakteure gebetsmühlenartig “wieso zur Hölle gibt es eigentlich keine guten Pornos?” anstatt einfach mal vernünftig zu recherchieren. Denn ja, die gibt es, aber die wenigsten von uns bekommen davon genügend mit. Die meisten schauen lieber angeekelt weg. Oder ganz einfach woanders hin.
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Pornografisierung ist ein Phänomen, das gerne mal im Zusammenhang mit Pausenhöfen diskutiert wird. Schlimm, diese gerade mal 12-Jährigen, die sich da in der großen Pause schon gegenseitig Gewaltpornos auf dem Handy zeigen, ja wirklich, kein Wunder dann das alles. Und vor allem: schön weit weg vom eigenen Schlafzimmer.
Ich glaub da ehrlich gesagt nicht dran. Und die Statistik gibt mir recht. Laut Eigenaussage wurden auf PornHub im vergangenen Jahr 87,8 Milliarden Filmchen angesehen—das sind zwölf pro Erdbewohner. Allerdings haben nur 42% der Weltbevölkerung überhaupt Zugang zum Internet. Und jetzt ziehen wir im Kopf mal noch die ab, die mal wirklich zu jung oder zu alt zum Pornoschauen sind. Und erinnern uns außerdem kurz daran, das PornHub ja nur eine Streamingplattform von sehr, sehr vielen ist. So viel Zeit haben die ganzen Siebtklässler in Wirklichkeit gar nicht, die müssen ja irgendwann außerdem auch noch ihre Hausaufgaben machen.
Theresa schreibt auf ihrem Blog Lvstprinzip über Sex. In ihrem Buch Kommen mit Stil schreibt sie darüber, was nachhaltige Pornos ausmacht—und spricht mit Regisseuren, die es richtig machen. In diesem Text stellen wir ein paar ihrer Empfehlungen vor
Jetzt aber mal genug Mathe: Einigen wir uns doch einfach bitte darauf, dass Pornografie ein Thema ist, das mindestens jeden Menschen mit einem Internetzugang und einem oder mehreren Sexualorganen betrifft. Und auch wenn ich den “Ih, nichts für mich”-Reflex genauso gut nachvollziehen kann wie den “Heimlich dann doch, aber danach schnell den Browserverlauf leeren”: Pornos grundsätzlich doof und eklig zu finden (oder zumindest so zu tun) ist genau so klug, wie Musik doof zu finden, nachdem man einmal aus Versehen beim ZDF-Fernsehgarten hängen geblieben ist. Ich wünsche mir eine neue Gesprächskultur, in der Pornovorlieben genau so entspannt diskutiert werden können, wie Musikgeschmack oder der letzte Arthausfilm.
Ist wahlloser Pornokonsum denn eigentlich wirklich so schlimm? Wir sind doch alles erwachsene Leute und können da doch super differenzieren, oder? Kurzantwort: naja, jein.
Mittellange Antwort: Ist Instagram schlimm, weil es uns ein unrealistisches Bild von gephotoshoppten Körpern und deren glamouröser Freizeitgestaltung vermittelt? Nö. Ertappen wir uns trotzdem ab und an bei dem Gedanken, dass wir im Vergleich dazu doch so ein bisschen abstinken?
Obwohl wir natürlich alle wissen, dass das alles feinsäuberlich kuratiert ist und es auch bei anderen Leuten im Urlaub manchmal regnet: So ein kleines, latent nagendes Losergefühl bleibt. Und dieses latente Unwohlsein übertragen wir jetzt mal auf die intimste Ausdrucksform, die unsere Körper so zu bieten haben: Sex.
Woran orientieren wir uns im Bett? Hollywood zeigt uns die großen Gefühlsdramen davor, danach meist eher als logistisch fragwürdiges Dryhumping mit viel Gestöhne, das meist exakt da ausblendet, wo’s auch nur ansatzweise interessant werden könnte. Und ein klassischer Porno? Blowjob, vaginal, anal, Cumshot. Fertig geturnt, bums aus, Feierabend.
Zeit, ab und an mal bei sich selbst vorsichtig nachzuhaken, was es mit uns macht: Was tun wir im Bett, weil wir wirklich Lust darauf haben, und was, weil wir’s mal irgendwo gesehen haben? Kommt dieses extralaute Stöhnen wirklich so aus mir raus? Macht ins Gesicht kommen echt so viel mehr Spaß? Haben wir wirklich genau den Sex, den wir haben wollen? Dieses Unwohlsein ist noch die vergleichsweise harmlose Nebenwirkung von Mainstream-Pornografie.
Ein Freund in Tokio berichtete von Schreckmomenten, als sein Date beim Sex auf einmal auf japanisch “Es tut weh, es tut weh!” schreit. Auf sein “Oh Gott, wo denn?” meinte sie nur, das würden im Porno doch alle Frauen so rufen. Laut PornHub stiegen 2015 die Suchanfragen nach “hard rough fuck” um 454 Prozent an. “Extreme Gangbang” ist unter den fünf meistgesuchten Begriffen. Glaubt man der US-amerikanischen Doku Hot Girls Wanted werden gerade im vermeintlichen Amateurporno die Praktiken immer extremer und übergriffiger. Egal in welche Richtung wir schauen: So richtig geistig gesund ist das alles nicht. Aber Wegschauen bringt noch viel weniger. Denn zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Sexualität gehört auch ein verantwortungsvoller Umgang mit Pornografie.
Und damit meine ich nicht das gute alte “Jetzt befriedigt der Mann die Frau ganz toll und romantisch mit Rosenblättern und viel Kuscheln”-Narrativ. Gähn, und am Ende wird geheiratet? Auch die “pink gewaschenen” Mainstream-Produktionen, die mit viel Weichzeichner und pseudo-stilvoller Hintergrundmusik versuchen, auf den “Porn for Women”-Zug aufzuspringen, lassen mich kalt.
Wenn mich jemand fragt, woran man eigentlich einen guten Porno erkennt, frage ich: Schauen die Menschen, die da gerade Sex haben, sich eigentlich auch mal zwischendurch in die Augen? Lachen die auch mal, oder machen sonst irgendwie den Eindruck, als ginge es ihnen gerade ganz gut?
Eigentlich ist es ganz einfach: Sobald wir Pornografie genauso als Konsumgut betrachten wie beispielsweise unser Essen, machen auch die Mechanismen dahinter Sinn. Das Freilandei schmeckt besser als das aus der Legebatterie, und es gibt uns außerdem insgesamt ein gutes Gefühl. Und bei Sex mit artgerechter Menschenhaltung ist das genauso.
Die Kriterien, nach denen ich die Pornos ausgesucht habe: Sie sind fair und mit dem richtigen Mindset produziert, sie sind inhaltlich wie ästhetisch spannend und sexy. Und sie stimulieren auch unser größtes Geschlechtsorgan: das zwischen den Ohren. Außerdem sind sie aktuell und leicht online zu bekommen. Das Argument “Ich schau lieber Gratispornos, weil wer weiß, was sonst Schlimmes mit meinen Kreditkartendaten passiert” gilt im Jahr 2016 nicht mehr. Was vor ein paar Jahren noch eine Angelegenheit für braune Papiertüten unter der Ladentheke war, oder dem zwielichtigen Online-Pendant mit blinkenden Popups, geht heute entspannt zum Beispiel mit LustCinema, der wahrscheinlich umfassendsten Streamingwebsite für Pornos, die weder dein ästhetisches Empfinden noch deine Kreditkarte schänden wird.