So ist der Spritzer im Bollwerk Graz, wenn Gigi D’Agostino spielt

Es gibt Leute, die sagen, Graz ist wie eine gemütliche Couch. Sitzt man einmal drinnen, kommt man nicht mehr raus. Leider stimmt das zu oft. Man bewegt sich in einem Umkreis von lächerlichen drei Kilometern und ist froh, dass man in einer “Stadt” wohnt.

Ist man diesem alltäglichen Trott verfallen, wird es umso spannender, wenn man sich einmal ungewöhnlich weit vom üblichen Territorium entfernt. Zum Beispiel fünfeinhalb Kilometer. Fünfeinhalb Kilometer sind eine Strecke, die man am Land zur Not zu Fuß heimgeht, weil es kein Taxi gibt. In Graz sind fünfeinhalb Kilometer eine fast unüberwindbare Hürde. Fünfeinhalb Kilometer können einen in eine andere Welt bringen. Zum Beispiel ins Bollwerk:

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Als Oberösterreicherin war ich noch nie im Bollwerk. Gigi D’Agostino habe ich mir damals vor einem Jahr zum Anlass genommen, um diesen Missstand zu beheben. Jetzt spielt er wieder und damit ihr wisst, worauf ihr euch einlässt, hab meine Erfahrungen für euch niedergeschrieben. Mit drei versierten Spritzertrinkern habe ich also die Straßenbahnlinie 5 geentert und bin bis zur Endstation (!!!) Puntigam gefahren.

Gemeinschaftsklo

Die traurige Atmosphäre eines Einkaufszentrums außerhalb der Öffnungszeiten ist hier omnipräsent. Wir kommen bei einem verlassenen Einkaufswagerl an einem Kreisverkehr vorbei. Wären wir jünger und betrunkener, wäre das der Start einer wunderbaren Snapchat-Story. Sind wir aber nicht.

Aus dem Kinder-Baumhaus am IKEA Parkplatz hören wir Handymusik und sehen die glühenden Enden von Zigaretten oder so. Wir sind beeindruckt und möchten uns in Zukunft ein Beispiel daran nehmen.

Je näher man zum Bollwerk-Eingang kommt, umso lauter werden die quietschenden Reifen. Die Highlights am Parkplatz sind ein orangener Ford-Focus mit “Kratzspuren” und ein sehr tiefgelegter Citroen Xsara aus dem “Blue” tönt. Vielleicht ist der Parkplatz allein einen Besuch wert.

Schon vor dem Eingang sieht man sehr viele sehr junge Menschen mit sehr wenig Gewand. Der Eintritt ist mit zehn Euro sehr OK. Wir bekommen diverse UV-Stempel und ich bin ein bisschen traurig, dass ich nicht nach dem Ausweis gefragt werde.

Drinnen ist es RIESIG und schwierig zu beschreiben. Ich kann jedem, der es genauer wissen will, empfehlen, sich das anzusehen. Nun kommen wir aber zum wirklich relevanten Thema: Dem Spritzer.

Gigi D’Agostino war früher Maurer, Installateur und Instandhalter auf Tennisplätzen. Das passt, finde ich, sehr gut zu seiner DJ-Tätigkeit. Er hat einmal was gemacht, was wirklich gut war, und das hält er jetzt in Stand:

So. Damit man im Bollwerk einen Spritzer bekommt, muss man UNGLAUBLICH lange warten. Auf Facebook wurde schon geschrieben, dass es am Testabend unnatürlich lange war, es war auf jeden Fall wirklich EXTREM lang. Würden wir hier über Rotwein reden, wäre er sicher im Wert schon gestiegen, weil es so lange war. Will man keine Spritzer trinken, macht es durchaus Sinn, sich eine Flasche zu bestellen.

Die Leute hinter der Bar waren trotz ihrer aussichtslosen Situation für den Abend gut gelaunt und haben sich nicht stressen lassen. Zeit, um die “Hands up in the air” zu putten, war immer.


VICE Video: Bei Drum’n’Bass putten auch viele Leute die Hands in the air:


Als besonderen Service für die Leser habe ich auch den Bollwerk-Spritzer getestet. Dabei handelt es sich um eine Mischung aus Himbeer-Kracherl und Weißwein. Ich finde das sehr unorthodox. Aber es macht betrunken. Der Bollwerk-Spritzer ist extrem süß. Das ist seine einzige Eigenschaft. Hat ein bisschen was von Jungscharlager-Saft.

Der weiße Spritzer war wenig spritzig und geschmacklich von der billigeren Sorte. Weil es bei Gigi im “Dance Club” gefühlte 48 Grad hatte, ist er aber trotzdem gut geronnen. Sehr schön ist, dass er im klassischen Henkelglas serviert wird. Ich finde, das sollte sich wieder durchsetzen. Zu späterer Stunde hat es dann leider nur noch für Plastikbecher gereicht.

Das Ganze in Punkten sieht dann so aus:

Die Bewertung fällt leider nicht so prickelnd aus, obwohl es mir eigentlich sehr gut gefallen hat. Vielleicht ist das Bollwerk ein Ort, an dem man lieber Eristoff Ice trinken sollte.

Ich kann jedem empfehlen, das Bollwerk zumindest ein einziges Mal zu besuchen. Im Bollwerk ist das Leben schön. Im Bollwerk gibt es keinen Klimawandel, keine Arbeitslosigkeit, keine Übervölkerung der Erde. Im Bollwerk feiert man sich einfach. Und das nehmen alle sehr ernst.

3 von 10 Spritzerpunkten

Der Text ist ursprünglich auf weisserspritzer.info erschienen. Die beiden langjährigen Weißwein-Expertinnen Sarah und Lisa bewerten dort diverse Lokale nach ihrem Spritzerangebot in Graz und Wien.

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