Der Ton in der Flüchtlingsdebatte verschärft sich. In Talkshows, bei politischen Kundgebungen und nicht zuletzt auch in den sozialen Netzwerken. Da wird mit Begriffen und Phrasen um sich geworfen, von denen man dachte, dass sie mit dem Dritten Reich untergegangen wären, und oft wünscht man sich, das Leben wäre ein bisschen mehr wie US-amerikanisches Fernsehen, wo jede anstößige Äußerung einfach weggepiept wird.
Was wäre, wenn man dümmlichste Stammtischparolen durch—sagen wir mal—ein klimperndes Instrumental ersetzen könnte, dass klingt, als wäre es nur für diesen Anlass von einem elektronisch verzerrten Orff-Schulorchester eingespielt worden? Seiten wie typeatone.com machen genau das und verwandeln Buchstaben in Töne. Wir haben ein paar der ausgelutschtesten rechten „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen”-Sprüche durch die musikalische Zauberkugel gejagt und präsentieren euch an dieser Stelle eine Symphonie der Fremdenfeindlichkeit.
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„Ich habe nichts gegen Ausländer, aber …”
Der Klassiker unter den Leuten, die sich in ihrer Rolle als neurechter Mahnwachenpöbler noch nicht so richtig eingefunden haben und noch gegen die Erkenntnis ankämpfen, dass man rassistische Äußerungen nicht damit relativieren kann, dass man sich ab und an mal einen Döner vom Imbiss an der Straßenecke gönnt. Wer kein Xylophon zur Hand hat, wenn jemand zu einem derartigen Rechtfertigungsversuch ansetzt, kann wahlweise auch einfach „Sonnenbankflavor” von Bushido anstimmen, oder sich die Ohren zuhalten und „Lalala” rufend weglaufen. Funktioniert auch.
„Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen.”
Diese Melodie hat etwas wirklich Melancholisches und Bedrückendes. Sie klingt nach Abschied. Die Frage, die sich bei dieser Phrase stellt, beantwortet sie aber trotzdem nicht: Wenn man sein Land verlässt, weil man es nicht „liebt”—ist das dann ein von den Rechten akzeptierter Asylgesuchgrund, oder wird man als „geldgeiler Wirtschaftsflüchtling” deklariert?
„Wir sind nicht das Weltsozialamt!”
Ich bin mir immer ein bisschen unsicher, warum eine Nation, die an den bisherigen beiden Weltkriegen nicht ganz unbeteiligt war, irgendwann dazu übergegangen ist, sich als landgewordenes All-you-can-eat-Buffet zu stilisieren, bei dem bestimmte Gruppen sich das Beste eintuppern und andere deswegen keine Chicken-Wings mehr kriegen. Nein, weder Deutschland noch Österreich sind Weltsozialamt. Was sie allerdings glücklicherweise sind, sind Länder, deren Sozialsystem dafür sorgt, dass niemand auf offener Straße verhungern muss und die wirtschaftlich dazu in der Lage sind, Menschen zu helfen, die Hilfe benötigen. Eigentlich doch eher ein Grund, stolz zu sein, oder nicht? (Wenn man die Melodie, die dieser Satz erzeugt, lange genug am Stück hört, macht sie einen richtig wütend. Passend, irgendwie.)
„Lügenpresse auf die Fresse!”
Wenn man mit verzücktem Gesichtausdruck der süßlichen Melodei lauscht, vergisst man schnell, dass dieser Satz unter anderem von betrunkenen Hooligans gebrüllt wurde, während sie vermeintlich besorgt durch Köln marodiert sind. Hat jemand von euch früher Pokémon geguckt und erinnert sich noch an Pummeluff, das singende Marshmallow, das andere Lebewesen mit seiner lieblichen Stimme innerhalb kürzester Zeit in den Tiefschlaf versetzen könnte? Ich bin mir sicher, dass die Vertonung von „Lügenpresse auf die Fresse!” ähnliche Macht besitzt. Vielleicht lüge ich aber auch, weil ich der „linksfaschistischen Systempresse” angehöre.
„Was sollen wir uns noch alles gefallen lassen???!?”
Ja, was eigentlich? Nehmt die Wurstfinger von der Feststelltaste, macht euch ein schönes Kasslerbrötchen mit Senf und denkt zu plätschernden Melodien an irgendetwas Schönes. Zum Beispiel daran, dass ihr gerade in eurer ganz eigenen Wohnung sitzt, anstatt euch im Flüchtlingsheim ein Zimmer mit vielen anderen Menschen zu teilen und nicht zu wissen, wie es für euch weitergehen soll. Was die Vertonung dieser überstrapazierten Empörungsphrase außerdem zeigt: Je mehr Satzzeichen am Schluss, umso dumpfer wird es.
Bonus-Zitat: „Roberto Blanco war immer ein wunderbarer Neger.”
Natürlich: Als rechte Propaganda lässt sich dieser sprachliche „Aussetzer” des bayerischen Innenministers nicht bezeichnen. Viel eher steht er symptomatisch für die ausgesprochene Ignoranz seitens einiger Politiker, die vielleicht nicht explizit fremdenfeindlich sind, trotzdem keinerlei Verständnis dafür haben, wenn sich Menschen von rassistisch belegten Worten angegriffen fühlen. Hätte man bei seinem Hart aber Fair-Auftritt einfach eine dramatische Melodie eingespielt, statt ihn mit Anlauf ins ultimative Rassismus-Fettnäpfchen springen zu lassen, man hätte ihm, vor allem aber auch uns, einiges erspart (beispielsweise seinen eher unangenehm berührenden Rechtfertigungsversuch).
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Titelfoto: Symbolbild | imago | Christian Ditsch