So überlebst du in München, wenn du jung und pleite bist

Du bist jung und nicht gerade gut bei Kasse und lebst in München? Die Realität könnte kaum härter sein. Damit stehst du zwar zunächst alles andere als alleine da, in der öffentlichen Wahrnehmung bewegst du dich damit aber im Abseits. Denn leider gehörst du für viele Münchner zum dysfunktionalen Teil der Gesellschaft, selbst wenn du gar nichts für deinen niedrigen Kontostand kannst. Kurzum—in einer Stadt, in der selbst Berufstätige auf Grund der Mietpreise auf alle Ewigkeit zum WG-Dasein gezwungen sind, stehen deine Karten alles andere als gut.

Hilft eigentlich nur, die ganze Situation sportlich zu sehen und eine gewisse Genugtuung dabei zu entwickeln, dem kapitalistischen Arschlochsystem der bayerischen Landeshauptstadt in den Allerwertesten zu treten. Hier zumindest ist unsere kleine Anleitung dazu.

Videos by VICE

Eine Anmerkung noch: Die folgenden Tipps stammen aus Zeiten, in denen es um den Autor nicht so gut bestellt war, und rangieren zwischen „voll schlau, ey” und „muss das sein!?”. Wie groß dein Sparzwang ist, entscheidest letztlich du selbst.

Essen

Alle Illustrationen: Sarah Schmitt

Fangen wir einmal mit einem Grundbedürfnis an, der Nahrungsaufnahme. Klar, deine Wahl-Berliner-Freunde rufen jetzt „Döner” oder wahlweise „Pizza”, aber in München steht das einfach nicht zur Debatte: Unter 3,50 Euro geht hier nämlich milde gesagt erst einmal gar nichts. Der arme Durchschnittsmünchner kocht selbst und wie auch anderen Ortes heißen hier die wichtigsten Schlagworte Nudeln und Toastbrot. Begehe aber auf keinen Fall den Fehler und setz deinen Fuß dafür etwa in einen Rewe oder Tengelmann. Bei Aldi und Lidl füllst du ganz schnell zwei Einkaufstüten, wo du in den gängigen Nicht-Discountern gerade mal einen Tag über die Runden kommst.

Willst du jetzt sogar so dreist sein und doch lieber auswärts speisen, so bieten die zahlreichen Universitäts-Mensen zumindest gegen Mittag eine gewisse Abwechslung, auch wenn du dich an die hier dargebotenen Kreationen erst einmal gewöhnen musst. Leider benötigst du in den meisten Kantinen mittlerweile eine Mensakarte, die du nur mit einem Studentenausweis erhältst. Sollte der nicht zu Hand sein, dann frag doch einfach ganz nett deinen Vordermann, ob er dein Essen mitzahlen kann—oder bleib zu Hause und bei deinen Nudeln.

Bist du abgebrannt und hast unter der Woche auch mal den ein oder anderen freien Tag zur Verfügung (was wir an dieser Stelle nun einmal schwer hoffen wollen), so gibt es noch einen ganz gewieften Trick. Leiste ein bisschen gemeinnützige Arbeit wie etwa bei der Münchner Tafel. Du musst zwar früh aufstehen, dafür fährst du dann von Supermarkt zu Supermarkt und sammelst für Bedürftige gerade abgelaufene Lebensmittel ein. Dass du dir dabei selbst einiges zur Seite legst, ist klar, und so ist nach einem Tag auch dein Kühlschrank schnell wieder gefüllt—und du hast sogar noch etwas Gutes getan.

Natürlich ließe sich das Ganze noch auf die Spitze treiben. Während nämlich die Essenausgabe der Münchner Tafel sozial Bedürftigen vorbehalten ist, könntest du beim Templer Orden (ja du liest richtig) unterhalb des ehemaligen 60er Stadions auch ohne entsprechenden Nachweis zugreifen. Dort hat man nämlich mittlerweile nicht mehr den Ungläubigen, sondern der Not den Krieg erklärt. Falls du nicht wirklich darauf angewiesen bist, lass die Finger davon—denn andere haben vielleicht wirklich keine andere Option.

Kleidung

Nun mag zumindest dein Magen gefüllt sein, ein paar ansatzweise frische Klamotten müssen natürlich auch noch sein. Den offensichtlichen Tipp von Second-Hand-Läden muss man an dieser Stelle wohl kaum nennen und auch auf den zahlreichen Flohmärkten findet sich natürlich immer was zum Anziehen. Selbst im Winter kannst du hier auf die Suche gehen, der Flohmarkt am Olympiapark öffnet nämlich selbst in der Nebensaison seine Pforten—und bisweilen zwielichtige Händler bieten allerlei Stoff undefinierbarer Herkunft feil. Abgesehen davon solltest du deine Einkäufe aber lieber online tätigen, denn tatsächlich finden sich in München die besseren Schnäppchen immer noch online. Ansonsten: Frag berufstätige Freunde. Der berufstätige Durchschnittmünchner betäubt seine von Arbeit zerschundene Seele nämlich am allerliebsten mit einem ordentlichen Kaufrausch—und der Kleiderschrank des bereits erwähnten WG-Zimmers ist periodisch immer wieder zu klein. Hilf diesen Menschen beim „Ausmisten”.

Nahverkehr

„München ist eine Stadt für Radfahrer”, heißt es von offizieller Seite. Denn abgesehen davon, dass man als Radfahrer nicht allzu schnell unter die Räder kommt, ist und bleibt München ein Dorf. Das bedeutet nicht nur, dass du in deinem Stammclub nach etwa einem Jahr selbst den Mann an der Lichtmaschine kennst, sondern auch, dass du eigentlich überall recht schnell mit dem Fahrrad hinkommst. Wichtig ist dabei allerdings, dass du dich insbesondere bei geringem Kontostand an die Verkehrsregel hältst oder im Zweifelsfall ordentlich in die Pedale haust. Denn in München lauert hinter jeder zweiten Litfaßsäule ein kelle-schwingender Streifenpolizist und eine überfahrene rote Ampel kostet 90 Euro.

Bist du etwas risikofreudiger, so kannst du natürlich auch ohne Ticket versuchen, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln von A nach B zu kommen. Dabei empfiehlt sich vor allem Bus und Tram, denn nach mittlerweile 10 Jahren München liegt die persönliche Kontrollquote in der Trambahn immer noch bei Null Prozent. Im Bus ist sie etwas höher, während in U- und S-Bahn die Kontrolleure doch mal gerne zuschlagen. Dabei solltest du vermeiden, innerhalb kürzerer Zeit öfter aufzufallen. Denn damit riskierst du eine Anzeige und somit eine Vorstrafe. Führt gar kein Weg an einem Ticket vorbei, dann kauf dir eine Tageskarte. Eine Einzelfahrt kostet 2,70 Euro und somit lohnt sich bei mehr als einer Hin- und Rückfahrt schon das Tagesticket für 6,40 Euro, du alter Lebemann.

Alkohol & Drogen

Dass du ohne Geld nicht zum Saufen in den Club gehst, sollte klar sein. Also kauf deinen Schnaps am besten im Supermarkt (nur wenn du wirklich abgebrannt bist im Discounter) und glühe in den eigenen vier Wänden vor. Denn die sogenannten „Noagerl”, also abgestandene Restgetränke fremder Menschen, trinken in München trotz wilder Gerüchte schlussendlich nur völlig kaputte Touristen, die mit der hiesigen Bierkultur nicht klar kommen.

Bist du im Sommer im freien Unterwegs, dann kauf dein Bier auf keinem Fall bei einem der vielen Pfandsammler. Nicht weil das nicht erlaubt wäre, sondern einfach deshalb, weil diese das Bier viel teuer an die ewigen Gärtnerplatz-Hocker verhökern. Da lohnt sich dann schon eher der Weg zu einem dieser kleinen, staubigen Getränkemärkte. Dort findet sich bisweilen eine Ausgabe bis spät in die Nacht hinein und die Preise sind auf die dort abhängende Thekenklientel angepasst.

Steht dir der Sinn nach Geselligkeit und du hast eher wenig Berührungsängste, dann solltest du einem der Hostels in der Hauptbahnhof Gegend einen Besuch abstatten. Sich mit einem Haufen Australiern zu betrinken, kann nämlich auch richtig witzig sein und außerdem gibt es hier die wohl billigsten Longdrinks der Stadt. Zu nachtschlafender Zeit kannst du am Hauptbahnhof auch noch den legendären Vodka Bolanow erstehen, so ziemlich der einzige Schnaps, der an den Bahnhofskiosken irgendwie erschwinglich ist. Dass der Bolanow trotzdem oder gerade deswegen entsprechend ballert, kannst du dir vorstellen.

Irgendwelche anderen Substanzen solltest du dir bei deinem Kontostand aus dem Kopf schlagen, denn der bayerische Polizeistaat patrouilliert die Straßen nachts hochfrequenter als die gesamte Münchner Taxiflotte. Und die oft völlig verhältnislosen Erfolge der bayerischen Polizei (jugendliche Kiffer seid gewarnt) schlagen natürlich aufs Preisniveau.

Unterhaltung

Wenn wir nun über die Münchner Stadtbibliothek schreiben, dann mögen einige erst einmal den Kopf schütteln—diese Leute wissen gar nichts. Denn in den heiligen Hallen am Münchner Gasteig wird auch elektronische Unterhaltung mittlerweile groß geschrieben, so dass sich dort sogar eine Couch, eine Playstation und die neuste Fifa-Version findet und man sich im Vergleich zum gängigen Kaufhaus dort locker mal ein paar Stunden breit machen kann. Ganz nebenbei findet sich natürlich auch eine ordentliche Auswahl an Lesestoff sowie DVDs und Blu-rays, mit denen man sich seine trostlosen Armutstage vertreiben kann. Die Mitgliedschaft über drei Monate kostet 7 Euro, eine Jahresmitgliedschaft ist entsprechend günstiger.

Für ganz Kulturbegeisterte kann man sonntags auch die Münchner Museen empfehlen—viele bieten dann für einen Euro einen mehr oder weniger ansprechenden Zeitvertreib. Ausgenommen davon sind Sonderausstellung, also sollte man sich vorab informieren, bevor man völlig verheult und abgebrannt vor der langersehnten Maßkrugausstellung des Bayerischen Nationalmuseums steht. Aber Spaß beiseite, die meisten Museen lohnen einen Besuch tatsächlich.

Wohnen

Wären wir am traurigen Ende unserer Hilfestellung angekommen. Denn man sollte wirklich tunlichst vermeiden, in München ohne Bleibe UND Geld dazustehen. Schon gar nicht zu Oktoberfestzeiten, denn nun sind nicht einmal vergleichsweise erschwingliche AirBnb-Zimmer erhältlich, wenn es mal hart auf hart kommt.

Realistischerweise kostet ein WG-Zimmer im Innenstadtbereich um die 500 Euro pro Monat und aufwärts, aber vielleicht sind Freunde aus Mitleidsgründen auch ganz froh darum, einem kurzfristig ihre Couch anzubieten. Denn selbst wenn man das nötige Kleingeld für ein Zimmerchen zusammen bekommt, stehen die Chance nicht unbedingt gut, das WG-Zimmer auch zu bekommen. Gerne werden in München Massencastings für neue Mitbewohner durchgeführt und bei den begehrten Single-Buden kann man sich nach einer finanziellen Selbstauskunft auf Mitbewerberzahlen im mindestens zweistelligen Bereich freuen. Am besten kennt man also jemanden, der jemanden kennt—oder hofft, dass eine ordentliche Portion Optimus alles richten wird.

Wenn alle Stricke reißen, hat man die Möglichkeit, sich über AirBnB in einen gemütlichen Campingwagen in Starnberg für etwa 400 Euro im Monat einzumieten. Aber der ist zum Oktoberfest dann auch ausgebucht. Wie spricht man in München so schön: Mehr sog i ned.