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So nervig ist es, während Corona zu studieren

Fünf Studierende aus der Perspektive ihrer Webcams

Studieren ist die beste Zeit des Lebens, sagen die Alten. Tagelang in miefigen Bibliotheken sitzen, um bei der Multiple-Choice-Klausur die richtigen Antworten von den falschen unterscheiden zu können, und abends Nudeln mit Tomatensauce. Besser wird es nicht mehr.

Und doch ist man während des Studiums freier denn je. Freedom’s just another word for nothing left to lose und so. Jeden Abend in die Kneipe, Rabatte für Kino und Theater, knutschen in WG-Zimmern, betrunkene Sommerabende am Kanalufer und endlich nur noch das lernen, worauf man wirklich Lust hat.

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Viel von dieser Freiheit ist während Corona weggefallen. Uns haben fünf Studierende erzählt, was für sie die größten Einschränkungen während der Pandemie waren. Und an welcher Stelle sie sich völlig vergessen gefühlt haben.

“Ich fragte, wofür ich dann so lang studiert hätte, was aus mir werden solle. Er meinte, beim Jobcenter würden sie schon etwas für mich finden.” – Julia, 29, Architektur

Eine Studentin vor einer Sichtbeton-Wand
Julia studiert im zehnten Semester Architektur an der TU Dortmund | Foto: Privat

Ich wurde komplett vergessen. Am 1. April 2020 schloss die Kneipe, in der ich gearbeitet habe. Von heute auf morgen hatte ich kein Einkommen mehr, aber weiterhin laufende Kosten – meine Wohnung zum Beispiel. Für die hatte ich vorher Wohngeld bekommen. Das funktioniert aber nur als Zuschuss zu einem festen Einkommen. Kein Einkommen, kein Wohngeld. Mir blieb nichts übrig, als Hartz IV zu beantragen. Das wurde aber abgelehnt.

Am Telefon erklärte mir ein völlig empathieloser Sachbearbeiter, ich hätte als Studentin keinen Anspruch. “Wenn Sie Hartz IV beantragen wollen, dann brechen Sie ihr Studium ab”, hat er gesagt. Ich fragte, wofür ich dann so lang studiert hätte, was aus mir werden solle. Er meinte, beim Jobcenter würden sie schon etwas für mich finden. Ich war so wütend.  

Im Juni sollte es den Hilfsfonds geben, aber zu Beginn war die Webseite ständig überlastet. Im ersten Monat bekam ich einen Zuschuss: 500 Euro. Meine Wohnung kostet schon 530 Euro warm. Im zweiten Monat wurde ich abgelehnt. 

Der Betrag, den man bekam, war an den Kontostand geknüpft, der immer auf 500 Euro aufgestockt wurde. Hatte man 100 Euro, bekam man 400 Euro. Hatte man null Euro, bekam man 500. Meine beste Freundin hatte im August minus 600 Euro auf dem Konto und wurde abgelehnt, weil, so hieß es, das Geld nicht dafür da sei, Schulden zu begleichen. Mittlerweile habe ich wieder einen Job gefunden, aber zwischendurch musste ich mir Geld von meinen Eltern und meinem Freund leihen. Was, wenn ich die nicht gehabt hätte? Wofür ist der Staat denn da? Wir Studierenden wurden komplett vergessen

“Meine Ergebnisse werden schlechter.” – Johannes, 24, BWL

Ein Student vor der Webcam
Johannes studiert im sechsten Semester BWL an der HTW Berlin | Foto: Privat

Das Studium ist schlechter und schwerer geworden. Ich fühle mich entkoppelt und habe keinen Bezug mehr zu dem, was ich lerne. Ich schaue mir im Bett die Vorlesungen an. Kaum jemand macht mehr mit, weder in Seminaren noch in Arbeitsgruppen.

Manche Professoren machen gar keine Zoom-Calls mehr. Sie laden nur fertig abgedrehte Videos hoch, dazu ein paar Folien.

Wenn wir Klausuren schreiben, sind die meistens auf Open-Book-Basis. Wir dürfen also unsere Materialien dafür nutzen und bearbeiten dann Fallstudien. Dafür muss ich weniger auswendig lernen und mehr selbst denken. 

Anfangs gab es viele Betrugsversuche, mittlerweile müssen wir bei Klausuren die Kamera anlassen. Außerdem kann man in den Klausurfragen nicht zurückgehen – aus Angst, dass wir schummeln. Ich kann mir also am Anfang keinen Überblick verschaffen und mir die Zeit nicht sinnvoll einteilen. Das macht die Klausuren dann wieder härter, auch meine Ergebnisse werden schlechter. 

“Es gab ja nur zwei kleine Präsenzveranstaltungen ganz am Anfang, stattdessen müssen wir uns durch Onlineportale klicken.” – Jacob, 18, Jura

Ein Student vor seiner Webcam
Jacob studiert im ersten Semester Jura an der HU Berlin | Foto: Privat

Die Professoren machen ihr Ding recht professionell. Einige nehmen ihre Vorlesungen als Podcasts auf. Andere machen Video-Vorlesungen und wenn sie Internetprobleme haben, fällt sofort die Vorlesung aus. Wenn sie nicht nachgeholt wird, laden sie nur Lernmaterialien hoch. 

Meistens sitzen die Professoren in ihrem Wohnzimmer. Obenrum tragen sie natürlich Hemd und Krawatte, aber lustig wird es, wenn sie aufstehen. Dann sieht man ihre Jogginghose. Oder wenn Kinder reinkommen oder der Hund bellt. Neulich kam bei meinem Strafrechtsprofessor der Lieferdienst in den Raum und stellte hinter ihm das neue Regal ab.

Ein Prof sitzt immer mit seinem Hund auf dem Schoß vor dem Laptop. Der sieht aus wie ein großer Teddybär. Bei Strafrechtsfällen nimmt der Professor den Hund dann manchmal als Beispiel, er ist dann etwa der Geschädigte eines Überfalls. Das ist schon sehr lustig. 

Was mir fehlt, sind die Kommilitonen. Als Erstsemestler ist man ständig unsicher. Anfangs wusste keiner, wohin mit sich. Es gab ja nur zwei kleine Präsenzveranstaltungen ganz am Anfang, stattdessen müssen wir uns durch Onlineportale klicken. Wir saßen in riesigen Online-Vorlesungen mit unzähligen anonymen Leuten. 

Gerade in den ersten Semestern ist das traurig. Wir hätten Zeit, das Studium zu genießen, in Kneipen und Clubs zu gehen. Aber das Studileben fällt komplett weg. Ich glaube auch nicht, dass wir das nachholen können. Stattdessen sitzen wir zu Hause und nutzen die Zeit zum Lernen, weil: Was soll man sonst tun?

“Die Uni werde ich bis zum Abschluss nicht mehr betreten.” – Julia, 26, Digitale Medien und Kommunikationskultur

Eine Studentin vor ihrer Webcam in ihrer Küche
Julia studiert im fünften Master-Semester Digitale Medien und Kommunikationskultur an der TU Chemnitz | Foto: Privat

Als Corona anfing, war ich in Zypern im Auslandssemester. Dort wurde alles plötzlich auf online umgestellt, das war gar kein Ding. Dann kam ich zurück und meine deutsche Uni hatte voll Probleme mit der Digitalisierung. Dabei wurde der Semesterstart schon super weit nach hinten geschoben. Mein Auslandssemester habe ich dann in Leipzig zu Ende gemacht. 

Hier sind alle Bibliotheken zu. Ich sitze den ganzen Tag zuhause, kann da aber überhaupt nicht arbeiten. Ich kriege es kaum hin, eine Hausarbeit zu schreiben. Das geht mir voll auf den Sack. Meinen Freunden geht es genauso. 

Mir ist in dieser Zeit aufgefallen, dass wir unseren Wert ständig nach unserer Leistung beurteilen. Wie viel wir schaffen. Dabei ist doch viel wichtiger, dass es uns gut geht und wir ein intaktes soziales Netz haben.

Jetzt bin ich fast fertig mit dem Master, die Uni werde ich bis zum Abschluss nicht mehr betreten. Das ist komisch. Als ich mich 2019 von meinen Kommilitonen verabschiedet habe, wusste ich nicht, dass es das letzte Mal sein würde.

“Meine Möbel und Sachen sind jetzt in einer Abstellkammer eingelagert. Ich lebe seitdem also im Prinzip von zwei Pullis und zwei Hosen.” – Vera, 29, Italienische Literaturwissenschaft

Studentin in Trento
Vera promoviert in Italienische Literaturwissenschaft an den Universitäten Augsburg und Trento | Foto: Privat

Ich promoviere gerade im Fach Italienische Literaturwissenschaft und pendle dafür nach Norditalien. Eigentlich bin ich ein paar Monate hier in Deutschland und dann da. Mein Freund lebt in Augsburg, deshalb fahre ich auch zwischendurch manchmal für ein Wochenende zurück. Als Corona anfing, wurde mir das zum Verhängnis. 

Im Februar 2020 war ich noch in Trento. Im Flixbus nach Augsburg las ich dann erstmals von dieser Epidemie, die immer bedrohlicher wurde. Und sofort ging es los. Alles in Italien hat zugemacht. Ich bin lieber nicht zurückgefahren. Ich wollte erst mal abwarten. Und seitdem bin ich in Augsburg. 

Im Sommer hätte ich zwar wieder nach Italien fahren können, aber mein Zimmer im Studierendenwohnheim hatte ich aufgegeben. Ich kann ja nicht zwei Mieten bezahlen. Meine Möbel und Sachen, alles, was ich in Trento hatte, sind jetzt in einer Abstellkammer eingelagert. Ich lebe seitdem also im Prinzip von zwei Pullis und zwei Hosen. Ich dachte ja, ich würde nur ein Wochenende verreisen.

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