Wir wissen alle, dass Piraten, Bauern und andere Leute aus vergangenen historischen Zeiten sich mindestens genauso gerne die Kante gaben, wie wir es heute 2015 tun. Könige tranken Wein, Schmiede soffen Bier und Matrosen kippten sich Rum in den Rachen. Was wir aber nicht ganz so genau sagen können, ist, ob ihre Getränke damals gleich wie unsere heute schmeckten, oder ob sie Geschmäcker und Wirkungen erlebten, die für die modernen Trinker völlig unbekannt sind.
2011 beschlossen einige neugierige Ausgräber eines Schiffswracks aus der Ostsee, professionelle Bierverkoster ein Gebräu aus dem 19. Jahrhundert testen zu lassen, das ihnen bei den Ausgrabungen unterkam. Wenig überraschend schmeckte es in der Tat „sehr alt … mit einigen verbrannten Noten”. Das Bier, das in der Nähe der Åland-Inseln bei der finnischen Küste entdeckt wurde, ist mehr als 170 Jahre alt und ist somit die älteste dokumentierte Kostprobe von trinkbarem Bier.
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Die Taucher gaben auch einige Proben an Wissenschaftler zur Analyse weiter, die kürzlich ihre Ergebnisse im Journal of Agricultural & Food Chemistry der American Chemical Society veröffentlichten. Obwohl das Bier durch das Meerwasser verdünnt wurde, war es noch intakt genug, dass das Team am finnischen VTT Technical Research Centre und an der TU München die Inhaltsstoffe analysieren konnten. Aufgrund der kühlen, dunklen Verhältnisse am Meeresboden war das Bier in sehr gutem Zustand und enthielt immer noch Kohlensäure, wodurch die Forscher wussten, dass die Kulturen im Bier noch am Leben waren.
Wie bereits erwähnt, war die erste Kostprobe alles andere als himmlisch. Die Bakterien und die Hefe, die jahrhundertelang in den Bierflaschen gefangen waren, sorgten für einen sehr hohen organischen Säuregehalt, der dem Bier einen „essig-, ziegen-, und sauermilchartigen” Geschmack verliehen. Durch die Tests konnten die Forscher feststellen, dass mehrere verschiedene Sorten Bier mit unterschiedlicher „Hopfigkeit” an Bord waren, wobei nicht ganz geklärt werden konnte, ob die Biere ausschließlich aus Gerste oder auch aus Weizen gebraut wurden.
Die finnische Stallhagen Brewery half dabei, das Bier zu reproduzieren. Dafür wurde die gleiche Hefe verwendet und der gleiche Prozess, den sie aus den gut erhaltenen Flaschen ableiteten. Die Brauer verglichen es mit einem Pale Ale und sagten, das Bier von damals sei gar nicht so anders gewesen, als unser Bier von heute—was es hoffentlich zu einem marktfähigen Produkt macht, wenn der Brauprozess, an dem schon seit mehreren Jahren getüftelt wird, abgeschlossen ist.
Im gleichen Wrack entdeckten die Taucher auch 168 Flaschen Veuve Clicquot und Juglar Champagner (die heute zehntausende, wenn nicht hunderttausende Euro pro Flasche wert sind), die sie sofort selbst verkosteten (wer zuerst kommt, mahlt zuerst!) und dann zur Sommelière Ella Grussner Cromwell-Morgan brachten. Trotz des beträchtlichen Alters der edlen Tropfen, schmeckte sie eine „Frische” heraus und aufgrund der Süße geht sie davon aus, dass der Champagner vermutlich mit mehr Zucker produziert wurde, als unsere heutigen Schaumweine.
Cromwell-Morgan sagte auch, er sei „überhaupt nicht schwächer” gewesen und hatte eine „klare Säure, die die Süße noch unterstreicht”. Sie beschrieb den Geschmack mit „Noten von Limettenblüten, Kaffee und Pfifferlingen” und argumentierte, dass diese Eigenschaften darauf hindeuten würden, dass der Champagner in Eichenfässern gelagert wurde (vor den 170 auf dem Meeresboden, versteht sich). Ein Journalist von Bloomberg, der den Champagner ebenfalls kosten durfte, befand, dass der Juglar zu wenig Kohlensäure hatte, aber „tiefe und volle Orangen- und Rosinennoten” hatte, „wie ein Weihnachtskuchen”.
Wenn Stallhagens Reproduktion des Biers aus dem Schiffswrack auf den Markt kommt, wird es durchaus genießbar sein. Kannst du aber tief genug in die Tasche greifen, um dir eine Flasche des lange verschollenen Veuve Clicquots zu ergattern, schmeckt der wahrscheinlich um einiges besser.