So sieht eine Nacht in Nordlondons beliebtester Swinger-Sauna aus

Ein paar nackte Männer einer Sauna, die nicht Rio’s ist (Foto: Dr Hanz | Flickr | CC BY 2.0)

Der junge Mann steht auf, sein Ständer zeigt direkt nach vorn wie eine Wünschelrute. Seine Kumpels jubeln alle, als sei seine Erektion eine Art Preis wert. Es ist 1 Uhr nachts im Hauptjacuzzi des Rio’s Relaxation Spa in Kentish Town, London. Der Paarabend geht von 19 Uhr bis 24 Uhr, doch es sieht aus, als sei das Swingen noch in vollem Schwung, denn im Moment haben drei Paare Sex im Wasser, während acht—vielleicht neun—Typen die Blubberblasen genießen und so tun, als würden sie nicht zusehen.

Videos by VICE

Das Rio’s ist in London die Pointe unzähliger Witze über zweifelhafte betrunkene Aktivitäten („Im Rio’s gelandet, was?”), aber vermutlich wird es mehr besprochen als besucht. Mit seiner ikonischen, etwas schäbigen Fassade, seinen Fotos von Palmen und glitzerndem Meer, die sich mit der schmuddeligen Großstadtlage beißen, hat es den Ruf, mehr als nur „Entspannung” in Form von Saunas, Dampfbädern und Wasserfallbecken zu bieten—sondern eben Massagen, die durchaus sehr „happy” enden.

Was tatsächlich geschieht, wenn man das Rio’s besucht, ist Folgendes: Du gehst zu dem kleinen Empfangsfenster, wo du deine Eintrittsgebühr zahlst (21 Pfund für Solo-Männer, 8-10 Pfund für Solo-Frauen und 21-27 Pfund für Paare, je nach Tageszeit) und bekommst ein Handtuch und einen Schließfachschlüssel. Dann, nach einer schnellen Durchsuchung durch das Security-Personal, gehst du durch eine schwere Tür. Nachdem du dich in den extrem einfach gehaltenen Umkleiden ausgezogen hast, gehst du durchs Fernsehzimmer in den Club. Hier wurde die Ästhetik, die man von außen sieht, noch weiterentwickelt: Es gibt dunkle Mahagoni-Vertäfelung, staubige Monstera-Pflanzen und furchtbare, weichgezeichnete „Erotik”-Kunst im 60er-Jahre-Stil an den magnolienweißen Wänden.

Du wirst hier deinen ersten Blick auf nackte Haut erhaschen, da hier Leute ohne Kleidung auf weißen Plastikliegen entspannen und Fußball oder Filme sehen—Alice im Wunderland mit Anne Hathaway, King Arthur mit Ray Winstone. Es gibt auf den ersten Blick einen seltsamen Widerspruch zwischen den Kiddie-Blockbustern auf dem hochauflösenden Fernsehschirm und den rauen Mengen Busch und Genitalien, die überall zu sehen sind. Aber wenn du einen weiten, länglichen Flur mit zwei Jacuzzis und reichlich Dampfbädern und Saunen unter sanftem, blauen Licht betrittst, wird dir klar, dass die Spannung zwischen seltsam familiärer, freundlicher Atmosphäre und der Verheißung von Sex, die über allem schwebt, genau das ist, was Rio’s besonders macht.

Die spätabendliche Klientel hier ist vielfältig. Es gibt afro-karibische, türkische, russische, griechische, japanische und indische Nachtschwärmer, entweder mit weißen Badetüchern um die Hüften oder—was viel häufiger der Fall ist—ganz ohne. Rio’s ist hauptsächlich hetero, aber es gibt auch eine große Homo-Fangemeinde.

Rio’s Relaxation Spa in Kentish Town, Nordlondon

Lasst uns etwas mehr über Nacktheit sprechen. Der Club hat an den meisten Abenden eine hundertprozentige Naturismus-Regel. Wenn du ankommst, siehst du dich einer bunten Mischung an Schwänzen (weich und hart), Vaginen und Ärschen gegenüber—manche davon attraktiver als andere. Die ersten paar Minuten lang kann das verunsichernd sein, als seist du auf einmal in einer „Hinter den Spiegeln”-Welt gelandet, wo sich alle aus einem unerfindlichen Grund ausgezogen haben und nun so tun, als sei das völlig normal. Aber nach kurzer Zeit gewöhnt man sich daran, genau wie man sich schnell an das schummrige Licht gewöhnt. Dennoch, die haarigen Eier eines stämmigen Typen, die an deinem Gesicht vorbeischwingen, als er aus dem Wasserfallpool geeilt kommt, setzen jeglichen hoffnungsvollen Fantasien, die du vielleicht vor deiner Ankunft hattest, einen Dämpfer auf.

Der Hauptraum enthält einen großen Jacuzzi, in dem wahrscheinlich etwa 20 Personen Platz hätten, wenn nicht sogar mehr, und einen Swimmingpool. Die hohe, weißgetünchte Holzdecke verleiht dem Ganzen ein Vereinshaus-Feeling. Es ist seltsam entspannend, sich zurückzulehnen, die Bläschen zu genießen und zu beobachten—so etwas wie fortgeschrittenes People-Watching. Hier herrscht eine gesellige Stimmung und die meisten Swinger wissen, dass man es nicht übertreiben sollte. Aber ein Schrank von einem Typen mit wabbliger, zeltartiger Haut um die Taille, von seinem riesigen Hängebauch gedehnt—seine Männertitten schwere Kugeln—schickt sich an, sich neben einem niedlichen griechischen Pärchen niederzulassen, das soeben angekommen ist. Der dicke Mann sieht immer wieder verstohlen zu der Frau. Sie scheint es zu bemerken und ist irritiert. Ein beharrliches Zucken seiner Schulter lässt darauf schließen, dass er diskret unter der Wasseroberfläche wichst. Das Chlor ist so hochdosiert, dass die Augen davon brennen—wahrscheinlich ganz gut so.

„Es gab da diesen reichen russischen Typen, der regelmäßig mit seiner Freundin herkam. Konnte man gar nicht zählen, wie viele Typen im Dampfbad auf die drauf sind.”

Swingen erreichte in Großbritannien in den 1970ern den Mainstream, und da das Rio’s so einen „Freie Liebe”-Vibe versprüht, bin ich überrascht, als ich erfahre, dass es erst 1989 gegründet wurde. Trevor, der Inhaber, sah, wie beliebt Heilbäder in Rest Europas waren und beschloss, sein eigenes im einst heruntergekommenen Kentish Town zu eröffnen—einem Teil Londons, der damals am besten als ein guter Ort bekannt war, um sich in einem Pub eine Knarre zu kaufen. Früher war der Club besser, wie ich von Jim aus Newcastle beim Plausch im Pool erfahre.

„Du hättest vor 20 Jahren hier sein müssen—da ging viel mehr ab”, verspricht er. „Ab und zu gibt’s noch so ein paar Sternstunden. Es gab da diesen russischen Typen, der eine Weile regelmäßig mit seiner Freundin herkam. Er war 70 und reich; sie war 25 und verdammt heiß. Er ging immer nach unten und ließ sich 90 Minuten lang massieren, und sie vergnügte sich, während er weg war. Konnte man gar nicht zählen, wie viele Typen im Dampfbad auf die drauf sind. Sie war schlau—sie hat es immer so abgestimmt, dass ihr Typ es nie herausfand.”

Hier kannst du auf jeden Fall viel Spaß haben, wenn du zur rechten Zeit ankommst und weißt, wo du danach suchen musst. Am anderen Ende des Pools führt ein dunkler Gang, der von schummrigen roten Lichtern erhellt wird, in den Garten hinaus. Auf dem Weg dorthin sind drei oder vier private Zimmer, jeweils mit einem Bett und einem Papierhandtuchspender an der Wand. Strenge Schilder warnen davor, ungebeten einzutreten, aber manchmal ist es auch gar nicht nötig zu versuchen, sich den Weg in die Zimmer zu erflirten. Im Laufe des Abends sitzen Solo-Männer und -Frauen oft bei geöffneter Tür darin und starren Vorbeilaufende einladend an.

„Es ist wichtig, früh anzukommen. Wenn man ein Mädchen dabei hat, macht es nichts, wenn sie hässlich ist. Es ist nur wichtig, sie mitzubringen, damit man andere Mädchen ficken kann.”

Laut einem Wladimir-Putin-Doppelgänger in Speedo-Hose maximiert man seine Chancen auf nicht-jugendfreien Spaß, indem man im gemischten Doppel erscheint.

„Es ist wichtig, früh anzukommen. Mit einem Mädchen. Es ist egal, ob sie hässlich ist. Es ist nicht so wichtig. Es ist nur wichtig, sie mitzubringen, damit man andere Mädchen ficken kann”, so sein hochromantischer Rat.

Wlad kommt alle zwei Wochen hierher. Er kommt bei den meisten Besuchen auf seine Kosten, aber es ist definitiv Glückssache.

„Manchmal Sex ja—manchmal nein. Man versucht sein Glück. Besser man kommt mit einem hübschen Mädchen.”

Ein paar Menschen in einer Sauna, die nicht Rio’s ist und die auch nichts mit Swingen zu tun hat (Foto: Artur Potosi | Flickr | CC BY 2.0)

Wenn das alles ein wenig zwielichtig klingen sollte: Das war nicht das vollständige Bild vom Rio’s. Ich höre, wie ein Pärchen die Einladung zu einer Fondueparty bespricht, die es vor Kurzem erhalten hat. Ein anderer Typ trocknet seiner Freundin bei den Spiegeln vor den Umkleiden die Haare. Das Rio’s hat, wie es scheint, auch eine zärtliche Seite.

„Ich hab meine Frau hier vor 20 Jahren kennengelernt”, vertraut mir der ältere Herr aus Newcastle an. „Sie hat eins der größten Talente, die eine Frau haben kann.”

„Nämlich?”

„Sie hat keinen Würgereflex.”

„Das ist eine sehr gute Eigenschaft.”

„Definitiv. Wir verstehen uns sehr gut. Wir haben ein Übereinkommen. Ich sehe liebend gern zu, wie sie anderen Typen einen bläst. Es gab da diesen Marokkaner, der jede Woche herkam. Hässlich wie die Nacht schwarz war der, aber mit ‘nem Riesenschwanz. Es war großartig zuzusehen, wie sie das Teil verschwinden ließ.”

Das ist ein Maß an Offenheit, das man anderswo nicht finden würde, doch ich bin froh, dass er sich wohl genug fühlt, um das mit mir zu teilen.

„Wo ist sie jetzt?”, frage ich.

„Sie ist nach Hause gegangen”, sagt er. ´

Um 3 Uhr nachts ist die Auswahl nur noch spärlich—nur noch ein paar Pärchen, die nicht besonders scharf darauf wirken, noch aktiv zu werden, und eine Horde durstiger Kerle, inklusive des moppeligen Wichsers von vorhin.

Man sollte meinen, das Rio’s sei ein Paradies für einen langjährigen Swinger wie ihn, eine himmlische Oase inmitten der grauen Straßen im Norden Londons, mit seiner frechen Togaparty-Stimmung und seinen lächelnden brasilianischen und polnischen Bardamen. Doch um 3 Uhr nachts ist die Auswahl nur noch spärlich—nur noch ein paar Pärchen, die nicht besonders scharf darauf wirken, noch aktiv zu werden, und eine Horde durstiger Kerle, inklusive des moppeligen Wichsers von vorhin. Sogar Wlad scheint diesmal leer ausgegangen zu sein. Als ich meinen neuen Newcastler Kumpel entdecke, wie er mit dem Kinn in der Hand trostlos auf den Boden starrt, frage ich mich, wie glücklich ihn der Swinger-Lebensstil wirklich gemacht hat. Außerdem frage ich mich, ob seine Frau heute Nacht alleine gegangen ist.

Als ich um 4 Uhr morgens in der Umkleide stehe und mich fertig mache, um zu gehen, kommt eine Gruppe von fünf jungen Kerlen hereingeschneit, direkt aus dem Club, begeistert hier zu sein und bereit loszulegen.

„Wie viele Tussis sind drin, Kumpel?”, fragt einer.

Ich bringe es nicht übers Herz, ihm zu sagen, dass sie viel zu spät kommen.

„Jede Menge. Ihr werdet eine geile Zeit haben.”