Die Ausgaben der Bundesregierung und ihrer Ministerien auf sozialen Netzwerken steigen rasant. Kampagnen wie die Nachwuchswerbung der Bundeswehr sollen Menschen nicht mehr nur auf der Straße erreichen, sondern auch online.
Insgesamt 4,98 Millionen Euro ließ sich die Regierung die Kampagnen auf Facebook, Instagram, YouTube, Twitter und weiteren Sozialen Netzwerken im Jahr 2017 kosten. 2010 waren es noch lediglich 2.818 Euro. Damit haben sich die Social Media Ausgaben der deutschen Regierung ver-1767-facht. Bisher gab es keine vollständigen Zahlen darüber, wie viel Ministerien und Behörden insgesamt für ihre Kampagnen und Beiträge in sozialen Medien ausgeben. Doch mit zwei detaillierten, insgesamt fast 200 Seiten langen Auflistungen gibt die Bundesregierung ausführlich Einblicke in Investitionen für Sponsored Posts und Influencer-Kampagnen. Für unser Themen-Special ‘Wenn der Staat zum Influencer wird’ haben wir die Daten ausgewertet.
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Die Ausgaben der Bundesregierung werden teils in klassische Werbebanner und Videos investiert, teils in sogenannte Sponsored Posts. Solche Posts werden Nutzern in ihren Newsfeeds oder Timelines angezeigt, obwohl sie dem dazugehörigen Account der Behörde nicht folgen.
Sponsored Posts & Influencer-Finanzierung: Zwei Social-Media-Strategien
Die Inhalte, die durch Sponsored Posts und Werbebanner beworben werden, werden auf den Kanälen der Regierung veröffentlicht. Zusätzlich investiert die Bundesregierung auch zunehmend in Produktionen von Influencern, die diese Inhalte nicht auf den Seiten der Regierung, sondern auf ihren eigenen Kanälen veröffentlichen. Eine Analyse der Gesamtausgaben für Influencer-Kampagnen und welche Kampagne am meisten gekostet hat, veröffentlichen wir hier.
In diesem Text geht es allein um das Geld, das die Behörden in den Jahren 2010 bis 2017 auf ihren eigenen Social-Media-Kanälen in Sponsored Posts, Werbebanner und Videos gesteckt haben. Auffällig ist dabei: Die Ausgaben der Ministerien steigen im Jahr 2016 sprunghaft an. Das gilt im Übrigen auch für die Investitionen in Influencer-Kampagnen, wie unsere Analyse zeigt. 2016 war demnach das Jahr, in dem die staatlichen Behörden und Ministerien begannen, erstmals im großen Stil Geld für Influencer und Sponsored Posts auszugeben.
Bundesregierung würde ihre Werbung nicht als Werbung bezeichnen
Ginge es nach der Bundesregierung, würde sie die Anzeigen und Posts, die auf ihren eigenen Kanälen veröffentlicht werden, nicht Werbung nennen. Das geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage des linken Bundestagsabgeordneten Jan Korte hervor, die Motherboard vorliegt. Demnach betreibe die Bundesregierung ihrer Meinung nach hier gar keine Werbung “im allgemeinsprachlichen Sinne des Wortes”. Stattdessen nutze man die sozialen Medien, um den “verfassungsmäßigen Informationsauftrag zu erfüllen”.
Dass diese Posts auch als Werbung auf dem Netzwerk verbreitet werden und Instagram, Facebook und YouTube dafür Geld kassieren, ist für die Regierung offenbar kein Problem. Bei den Social-Media-Aktionen gehe es um “Information und – auch bezahlte – Kommunikation der Bundesregierung mit den Bürgerinnen und Bürgern”.
Kampagnen der Bundeswehr besonders erfolgreich
Die staatlichen Einrichtungen unterscheiden sich stark, wenn es darum geht, wie viel Geld sie für Social-Media-Werbung ausgaben und wie erfolgreich sie damit sind. Das meiste Geld gibt wohl das Verteidungsministerium für seine Social-Media-Kampagnen aus, vor allem um Nachwuchs für die Bundeswehr zu rekrutieren. 2016 und 2017 flossen dafür laut Antwort der Bundesregierung fast 3,2 Millionen Euro in Facebook- und Instagram-Werbung; für YouTube-Kampagnen kamen nochmal 3,5 Millionen dazu. Eine Snapchat-Kampagne für die Webserie “Mali” im Jahr 2017 kostete nochmal 340.000 Euro. Für die Kampagne erstellte die Armee sogar einen eigenen Filter, mit dem sich die Nutzer einen virtuellen Nachtsichthelm aufsetzen konnten.
Die genannten Beträge umfassen nur die Social-Media-Werbekosten, die Produktion der werblichen Serien der Bundeswehr etwa sind in diesem Budget nicht enthalten. Im Vergleich fallen sie jedoch relativ gering aus. Die YouTube-Serie “Die Rekruten” kostete 1,7 Millionen, bei der Serie zu Einsätzen in Mali waren es etwa 2 Millionen.
Die Bundeswehr ist mit ihren Werbeaktionen überaus erfolgreich, sie verzeichnet laut Bundesregierung 431 Millionen Werbeabrufe auf Facebook und Instagram, 750 Millionen auf YouTube und nochmal rund 73 Millionen auf Snapchat. Auch diese Zahlen der sogenannten ‘Ad Impressions’ gehen aus den von Motherboard ausgewerteten Angaben der Bundesregierung hervor.
Die Zielgruppen der Behörden: So targeten die Ämter
Beim Kauf von Online-Werbung agieren die politischen Behörden nicht anders als wirtschaftliche Unternehmen. In einer ausführlichen Aufstellung gibt die Regierung Aufschluss darüber, welche Zielgruppen die Ministerien und Bundesbehörden für die Posts und Ads gebucht haben.
Häufig haben die Behörden nur vage Zielgruppen mit Werbung adressiert, beispielsweise: “Wohnhaft in Deutschland, Alter zwischen 18 und 50”. Das Auswärtige Amt bewirbt seine Inhalte auch auf hierzulande eher unbekannten sozialen Netzwerken wie dem chinesischen Douban. Damit zielt die Behörde offenbar auf ausländische Nutzer ab, die ein Interesse an Deutschland haben.
Zielgruppe des Verkehrsministeriums: Mieter und Fitnessstudio-Fans
Manche Behörden suchen sich ihre Zielgruppe jedoch genauer aus: Das Verkehrsministerium wollte mit seiner Anti-Raser-Kampagne “Runter vom Gas” auf Facebook unter anderem Nutzer erreichen, die sich für den ADAC oder die Auto BILD interessieren. Das liegt nahe, denn mit hoher Wahrscheinlichkeit sind diese Personen selbst Autofahrer. Solche detaillierten Zielgruppen bieten die Marketing-Tools aller Sozialen Netzwerke an. Als Werbekunde wählt man eine oder mehrere Zielgruppen für das sogenannte Targeting aus, das Unternehmen zeigt die Werbung dann auf der Grundlage der Nutzerdaten den jeweiligen Nutzern an. Da soziale Medien sehr viele Daten über ihre Nutzer haben, funktioniert dieses Targeting so effizient – und ohne, dass die Werbekunden je die Daten der Nutzer bekommen. Wer getargetet wird, ist für die Öffentlichkeit allerdings nicht erkennbar. Nur die User, die eine Anzeige gesehen haben, bekommen beispielsweise bei Facebook grobe Angaben, warum ihnen ein Werbe-Post ausgespielt wurde. Daher ist besonders das sogenannte Microtargeting in die Kritik geraten, das in Wahlkämpfen eingesetzt wurde.
Kurioserweise adressierte das Verkehrsministerium mit seinen Anzeigen auch Menschen mit folgenden Eigenschaften und Interessen: “Häufige Umzugswahscheinlichkeit oder Mieter”, “Fitnessstudios”, “TV-Reality-Shows”. Offenbar glaubte man, diese Leute hätten es besonders nötig, daran erinnert zu werden, beim Autofahren nicht zu viel Gas zu geben. In den Jahren 2016 und 2017 kostete die Anti-Raser-Werbung insgesamt rund 240.000 Euro und erreichte damit 42,4 Millionen Ad Impressions.
Behörde machte Werbung für Nutzer, die sich für die SPD interessieren
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) versuchte mit Werbung ein breites Publikum auf seinen Twitter-Account aufmerksam zu machen. In den Jahren 2013 bis 2015 zahlte es dafür etwa 7.600 Euro. Es adressierte dabei Menschen mit Interessen wie etwa “National parks”, “Hunting and Shooting”, “Nonpartisan” oder auch “Hip hop and rap”. Lediglich 7.138 Mal wurde die Anzeige ausgespielt. Wie viele neue Follower das gebracht hat, lässt sich nicht nachvollziehen.
Manche Anzeigen sind auch auf Nutzer mit speziellen Partei-Interessen gemünzt: So bekamen Anzeigen für das vom Familienministerium eingerichtete “Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen” weibliche Personen zu sehen, die sich für die SPD interessieren – die CDU-Interessierten und Fans anderer Parteien werden hier nicht angesprochen. Auch nicht zur Zielgruppe gehören Personen, die sich für “Männer” oder “Männersache” interessierten.
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