So wirkt sich Trumps Immigrationspolitik auf Beziehungen aus
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So wirkt sich Trumps Immigrationspolitik auf Beziehungen aus

"Um eine Visa-Ehe zu führen, muss man ein gemeinsames Konto eröffnen. Wann immer ich darüber nachdenke, mache ich mir Sorgen um die Frauen, die für Visa geheiratet haben."

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Donald Trump war erst seit wenigen Tagen US-Präsident, als er am 25. Januar den Bau einer Mauer entlang der US-mexikanischen Grenze anordnete. Gleichzeitig versprach er, die Einwanderungs- und Zollbehörde – also die Vollstrecker der Einwanderungsgesetze – zu stärken. Auch gegen sogenannte "Sanctuary Cities" (Städte, die Migranten aufnehmen oder nicht abschieben) gelobte er vorzugehen. Am selben Tag veröffentlichten die Medien den Entwurf eines Dekrets über einen 120-tägigen Aufnahmestopp für Flüchtlinge und ein mindestens 30-tägiges Einreiseverbot für Menschen aus dem Iran, Irak, Jemen und Sudan sowie Libyen, Somalia und Syrien. In New York versammelten sich am Abend Demonstranten, um Sicherheit und Akzeptanz für Migranten zu fordern, und riefen, "No ban, no wall!"

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Ich bin mexikanische Migrantin und lebe in einer Sanctuary City. Trumps Vorgehen lässt die nächsten Monate und Jahre auf mich sehr düster wirken. Wie werden grenzüberschreitende Beziehungen den Angriff der Trump-Regierung überstehen? Ich habe mich mit der Kulturkommentatorin Josephine Livingstone, dem Philosophen und Autoren Fuck Theory* und den Studentinnen Amanda Choo Quan und Rosa Boshier darüber unterhalten, was es für zwischenmenschliche Beziehungen bedeutet, wenn der Staat unsere Rechte und die unserer Liebsten bedroht.

* Wir verwenden sein Pseudonym, um seine Identität zu schützen.

Ana: Wie seid ihr denn jeweils selbst von dem Thema betroffen?

Rosa: Ich bin Einwanderin der ersten Generation. Wenn meine Eltern nicht ihr Recht auf Migration wahrgenommen hätten, wäre ich nicht hier. Neben der Freiheit ist Migration aber auch eine Frage der Würde. Importierte Arbeitskraft hat die USA aufgebaut – da ist es lächerlich und dreist, dass wir anderen die Chance auf ein besseres Leben verwehren.

Amanda: Ich bin aus Trinidad und zum Studieren hier. Mein Studentenvisum erlaubt es mir, maximal 20 Stunden pro Woche auf dem Campus zu arbeiten. Das Visum ist so konzipiert, dass es dich an die Uni bindet statt an die Welt jenseits davon.

Josephine: Ich war lange mit einem Studentenvisum hier, momentan gelte ich als nicht ansässige Ausländerin. Der Antrag auf mein O1-Visum [für Künstler und andere herausragende Persönlichkeiten] ist "in Bearbeitung" und sie sagen mir weder, was das heißt, noch sonst irgendwas. Ich bin seit einem Monat in London und warte.

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Fuck Theory: Ich bin kein amerikanischer Staatsbürger, aber ich bin mehrsprachig mit Englisch als Hauptsprache aufgewachsen und all meine längeren Beziehungen waren mit US-Bürgern. Ich habe einen Abschluss von einer amerikanischen Elite-Uni und lebe seit fast 10 Jahren hier. Ich kann mich dennoch weder frei bewegen noch wählen. Mein Status in meiner Wahlheimat ist prekär.

Ana: Habt ihr je das Gefühl gehabt, dass die Einreisegesetze eure Partnerschaften bedrohen oder sogar unmöglich machen?

Amanda: Dass meine Visasituation so prekär ist - ich habe nach der Uni nur ein Jahr, um einen Job zu finden - wirkt sich definitiv auf meine Beziehungen aus. Ich bin mir permanent bewusst, dass ich plötzlich gezwungen sein könnte, das Land zu verlassen. Obwohl ich legal hier bin, habe ich das Gefühl, dass jederzeit etwas passieren kann - und das nicht erst, seit Trump gewählt wurde.

Ana: Macht sich jemand von euch Sorgen, dass sich die Lage unter Trump verschlechtern könnte?

Josephine: Es gibt die Angst, dass Trump die Visakategorien ändern könnte. Er hat darüber gesprochen, speziell Arbeitsvisa stärker zu beschränken, und das betrifft mich direkt. Beziehungen fühlen sich durch diese Hindernisse instabiler an.

Ich hänge in London fest und bin in einer offenen Beziehung mit einem US-Bürger. Wir sind wenige Tage vor meiner Abreise nach England wieder zusammengekommen und dachten, wir könnten bald reden – ich wollte nur eine Woche weg sein. Stattdessen müssen wir wichtige Beziehungsfragen jetzt per SMS klären.

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Ana: Wie hat sich die Einwanderungsproblematik noch auf eure Beziehungen ausgewirkt?

Amanda: Ich frage mich, ob ich deswegen zögere, eine Beziehung einzugehen, oder andere mit mir. Ich weiß nicht, bei wem es stärker ist und ob sie meine Situation nicht auch ständig im Hinterkopf haben.

Es hat auch mit der amerikanischen Form der Beziehungen zu tun. In Trinidad beginnt man erst eine Beziehung und vögelt dann. Oder zumindest bedeutet Sex, dass es hinterher noch ernster werden wird. Man kann sich also sicher sein, dass eine Beziehung irgendwo "echt" ist. In den USA lassen die Leute das oft im Unklaren. Mir ist es schwergefallen, mich auf diese Art des Zusammenseins einzulassen. Solange ich nur zwei Jahre hier bin und mit meiner Abschiebung rechnen muss, weiß ich nicht, ob ich einfach cool bleiben und sagen kann: "Ja, lass uns einfach mal machen."

Rosa: Mein Partner ist zwar hier geboren, wird aber oft für einen Ausländer gehalten. Er ist schon sein Leben lang mit Stereotypen konfrontiert. Vor Trump war das belastend und potentiell gefährlich. Wir passten auf, wo wir hinfuhren. Jetzt mache ich mir selbst hier in Kalifornien regelmäßig Sorgen um seine Sicherheit und seine Psyche.

Die ständige Vorsicht kann frustrierend und demütigend sein. Vor Kurzem wurde mein Partner in einer Tankstelle in unserem Wohnort angemacht. Er hatte Angst, bei der nächsten rassistischen Begegnung auszurasten und dann die Konsequenzen tragen zu müssen. Wir haben uns ernsthaft unterhalten, ob er noch allein tanken fahren sollte. Ich glaube, keiner von uns hat erwartet, dass es soweit kommt. Es demoralisiert, wenn man sich nicht sicher fühlt, und das beeinflusst eine Beziehung natürlich auch.

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Ana: Hat es Auswirkungen auf euer Sexleben?

Rosa: Definitiv. Bislang war Sex zum Spaß. Ein Weg, unsere Verbindung zu festigen. Es konnte etwas Leichtes, Lustiges haben. Jetzt fühlt es sich weniger spielerisch an, eher funktional – als Trost, um sich sicher zu fühlen. Man klammert mehr, als ginge es ums Überleben oder darum, unser Menschsein zu bestätigen. Wir haben auch viel weniger Sex. Vermutlich, weil wir mehr Zeit in unseren Köpfen zubringen, über unsere Situation nachgrübeln und im Nebel der Depression feststecken.


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Ana: Hat euer "Anderssein" auch jenseits der Einwanderungsfrage Einfluss auf eure Beziehungen?

Josephine: Ich bin weiß und habe einen europäischen Akzent, also wahrscheinlich kaum – außer dass meinen Partnern oft jegliche Vorstellung davon fehlt, wo und wie ich aufgewachsen bin. Wenn ich an der Uni doziere, ist das wahrscheinlich sogar von Vorteil. Es kann angenehm sein, wenn einen niemand einordnen kann.

Rosa: Meinen Partner und mich hat es anfangs zusammengeschweißt, "missverstandene Kinder gemischter Abstammung" zu sein. Über die Vorurteile der Leute zu lachen, hat uns schon oft durch schwere Zeiten geholfen. Wann immer man unseren Platz in unseren jeweiligen Kulturen infrage stellt oder unsere Identitäten zur Essenz erklärt, haben wir einander. Es ist schön, mit jemandem zusammen zu sein, der diese Erfahrung teilt. Jemand, der es ohne Erklärung versteht.

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Fuck Theory: Das hat bei mir wegen meiner unterschiedlichen Identitäten viele Aspekte. Ich bin im Nahen Osten geboren, gehe aber als weiß durch, spreche akzentfreies Englisch und mit dem Judentum haben die Leute im sexuellen Bereich die verschiedensten Assoziationen, also kriege ich alle möglichen Reaktionen.

Es kann passieren, dass meine Partner mich zu "normal" behandeln und mein Anderssein dabei komplett ausradieren, oder dass sie mich stattdessen permanent daran erinnern, dass ich "nicht von hier" bin. Dann stellen sie unangemessene Fragen über die Lebensweise meiner Familie oder wollen, dass ich mit Akzent spreche.

Ausländer ohne Akzent machen ganz andere Erfahrungen. Die Leute behandeln Ausländer, als seien sie ein bisschen dumm, lassen ihnen aber auch bestimmte Dinge durchgehen. In manchen Situationen führt mein akzentfreies Englisch dazu, dass ich mein Gegenüber erst einmal überzeugen muss, dass bei einer zwischenmenschlichen Dynamik wirklich kulturelle Unterschiede im Spiel sind.

Amanda: Meine größte Unsicherheit mit meinem Anderssein hat mit der Angst zu tun, nicht die gleichen kulturellen Referenzen zu haben wie mein Umfeld. Amerikaner sind oft sehr selbstreferentiell. Ich habe gelernt, dass man seine Referenzen hier praktisch vor sich hertragen muss.

Ich mache mir ständig Sorgen, ob die Leute mich als Exotin sehen. Ich habe gelernt, dass es gute und schlechte Arten gibt, exotisch zu sein, die von der Klasse und ethnischen Zugehörigkeit abhängen.

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Ana: Habt ihr darüber nachgedacht, für die Staatsbürgerschaft zu heiraten?

Josephine: Viele Bekannte haben aus diesem Grund geheiratet, aber obwohl das bei ihnen gut funktioniert hat, weiß ich, dass ich das nicht könnte.

Ana: Warum?

Josephine: Es ist eine Art Trotz. Ich mag nicht schummeln. Ich will meinen Platz in Amerika einfordern. Außerdem habe ich riesige Angst, mich von jemandem abhängig zu machen und nicht zu wissen, ob ich der Person vertrauen kann. Um eine Visa-Ehe zu führen, muss man ein gemeinsames Konto eröffnen. Du machst dich verletzlich – dein Geld, deine Zukunft. Wann immer ich darüber nachdenke, mache ich mir einfach nur Sorgen um die Frauen, die für Visa geheiratet haben.

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