Die Frage nach der deutschen Raphauptstadt wird trotz der fast schon eklig polemisierenden Nuance auch 2013 immer noch gerne gestellt. Wo in den späten Neunzigern über lange Zeit Ortschaften wie Hamburg oder gar Stuttgart in Dogmatiker-Cyphern zwischen Schwäbisch-Gmünd und Köln Ossendorf gehuldigt wurden, zeigte sich kurz nach der Jahrtausendwende wie abrupt das Theoretiker-Zepter weiterwandern kann. Aggro Berlin lud den Rap zum Date-Rape in ihr Schöneberger Kellerverlies ein, wo er dann erst ein mal einige Jahre zubringen durfte. Die voyeuristische Geilheit fand Befriedigung in den Straßen der De-Facto-Haupstadt, in denen deutsche Jugendzimmer nun gespannt unter jeden Gullideckel blicken durften, um sich an inszenierten Trugbildern zwischen Königskette und Airmax-Halbschuh zu laben, dass die Schwarte kracht. Der große Kulturdogmatismus war Geschichte geworden, und schon bald fanden sich die einfach spannenderen Geschichten in Frankfurt, wo man eher Tapes für den Mietwagen Richtung Maastricht benötigte, als eine Allergie auslösende Nickel-Königskette aus dem Downstairs-Onlineshop.
Doch abseits dieses Rechtsstaats-Katastrophentourismus hatte die Frankfurter Szene dank langer Tradition und dem neuen Azzlackz-Camp um Haftbefehl und Celo & Abdi plötzlich mehr zu bieten als der Pöbel-Moloch Berlin. Einen eigenen Slang etwa (Kanackisch), einen minimalistischen Schlagwort-Rap-Ansatz und Kokain-Storys galore, die Authentizität atmeten und dabei ungleich spannender waren als ein Aktenzeichen XY—ungelöst-Abend mit Mutti, Vati und einer Tüte Erdnussflips.
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Aber nun mal im Ernst, was ab 2010 mit Haftbefehls Album Azzlack Stereotyp in Frankfurt passierte, war einfach spannender, unverhohlener und glaubwürdiger als der Rest. Unterm Strich echtes Qualitätsentertainment, das aber konträr der Frankfurter Tradition eher wenig tiefgründig und nachdenklich daher kam. Die lyrischen Asphaltdespressionen eines Azads geschahen ab nun als Randphänomen, während die Dominanz des Azzlackz Labels und seines Newcomer-Ablegers 385ideal weiter zulegte. Da zeigten auch spannende 385i-Neulinge wie Olexesh, dass man mit der ersten Azzlackz-Welle, wenn überhaupt, nur die oberste hessische Talentschicht abgeschöpft hatte.
Ein weiteres solches, wenn auch völlig anders gelagertes Talent ist der 19-jährige Credibil, der bisher bewusst außerhalb des Azzlackz Mikrokosmos arbeitete: „Das, was in Frankfurt abgeht, ist halt ‘ne andere Schiene. Aber zum Glück, denn sonst hätte meine Musik wohl auch nicht so viel Anklang gefunden.“ Überraschend, dass es schlussendlich doch wieder Celo und Abdi waren, die ihn an ihr Management verwiesen. Anfang Dezember erscheint mit dieser Unterstützung sein Deutsches Demotape, auf dem er auf das ein oder andere bekannte Deutschrap-Instrumental abliefert—und die polemische Frage nach der Raphauptstadt dabei vielleicht gleich mal wieder ein wenig ins Gespräch bringt. Eine echte Bereicherung für die Frankfurter Szene.
Dazu gesellt sich eine für sein Alter schon beinah gespenstische Präsenz, die im Gesamtpaket von einem echten Ausnahmetalent zeugt. Davon überzeugen könnt ihr euch mit dem exklusiven Vorab-Track „Meine Stadt“, den wir gerne schon vorab unters Volk bringen. Und ladet euch ab 1. Dezember mal brav Credibils Deutsches Demotape über seine Facebookseite. Sonst verpasst ihr am Schluss noch was.
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