Zwar hat 2017 noch einige Tage übrig, doch scheint der Shitstorm, durch den aktuell der Spieleentwickler Electronic Arts rudern muss, kaum noch zu übertrumpfen.
Alles begann mit Darth Vader: Ein Spieler bemerkte in der Vorabversion von Star Wars Battlefront 2, dass der legendäre Sith-Lord nicht von Anfang an spielbar ist, sondern erst langwierig freigeschaltet werden muss – selbst, wenn man das Hauptspiel zum vollen Preis von knapp 70 Euro erworben hat. Offenbar sollen Spieler auf diese Weise dazu gebracht werden, noch mehr Geld in die Hand zu nehmen, um den beliebten Bösewicht durch Ingame-Käufe deutlich schneller ausprobieren zu können. In der Spielewelt ist das keine seltene Praxis – in diesem Fall wirkte sie jedoch besonders absurd, da es sich um eine so zentrale Spielfigur handelt.
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Seinem Frust macht der Spieler daraufhin via Reddit Luft und legte mit seinem Posting vom 13. November den Grundstein für einen beeindruckenden, aber gleichzeitig vernichtenden Rekord. Denn Electronic Arts, Publisher des Star-Wars-Spiels, schaltete sich ein und bemühte sich darum, die Community mit einer – leider außerordentlich ungeschickten – PR-Antwort zu beschwichtigen. Das ging völlig nach hinten los und provozierte mittlerweile über 600.000 Downvotes. Tendenz weiter steigend. Beziehungsweise sinkend.
PR-Fiasko und falsche Versprechungen: Das Drama eskaliert
Denn mit diesem Reddit-Rekord hat diese Geschichte längst nicht den Gipfel der Ereignisse erreicht. Im Gegenteil: Die Lage spitzt sich aktuell noch weiter zu – trotz oder gerade wegen der weiteren Beschwichtigungsversuche von EA.
John Wasilzyk, Executive Producer des Entwicklerteams von Battlefront 2, meldete sich nach der missglückten Reddit-Deeskalation als erstes wieder zu Wort und wandte sich auf der offiziellen Homepage des Spiels an die aufgebrachte Community: “Seit Projektbeginn war es uns wichtig, den Fans zuzuhören, um zu gewährleisten, dass Star Wars: Battlefront 2 euch allen das bestmögliche Spielerlebnis bietet”, schreibt er dort. Deswegen wolle das Entwicklerteam nun Konsequenzen ziehen: Die umstrittenen Preise für die Jedi- und Sith-Helden würden bereits in der frei verfügbaren Vorab-Version gesenkt werden.
EA will Schadensbegrenzung betreiben – und reitet sich noch tiefer ins Desaster
Man würde meinen, dass diese Beschwichtigungstaktik zur Beruhigung der Gemüter beitragen könnte. Doch die Änderung sorgte für noch mehr Aufruhr: Wie kurz darauf einige Spieler und Fachmagazine meldeten, habe sich nämlich nicht nur der Preis der Helden geändert, sondern auch die Rate, mit der man die zur Freischaltung benötigten Punkte verdient. Damit dauerte es letztendlich ähnlich lange wie zuvor, um die Lichtschwertschwinger freizuschalten. EA beobachtete diese Reaktion sorgenvoll und entschloss sich erneut dazu, Schadensbegrenzung zu betreiben. Dieses Mal stellten sie sich live via Reddit-AMA den Fragen der Community – und öffneten damit ein weiteres Mal die Büchse der Pandora: Innerhalb von Sekunden hagelte es tausendfach Downvotes für fast alle Antworten der drei beteiligten Entwickler. Im Anschluss an die Fragerunde musste ein Moderator des Subreddits sogar händisch die Antworten von EA aus dem Äther fischen und direkt verlinken, anders wären sie kaum noch auffindbar gewesen.
Morddrohungen und Mitleid für den EA-Mitarbeiter, der vielleicht nur ein Fake ist
Parallel meldete sich ein Twitter-User namens BiggSean66, der sich als Mitarbeiter von EA vorstellte, zu Wort und klagte, dass er seit Beginn des Shitstorms dutzende Morddrohungen und beleidigende Nachrichten von wütenden Gamern erhalten habe. In der Spielewelt ist das leider kein allzu seltenes Phänomen. Zahlreiche Journalisten und Entwickler bewegte dieser Hilferuf zu solidarischen Tweets.
Ein dringend benötigter, warmherziger Moment inmitten des furchtbaren Battlefront-Shitstorms – doch auch dieses virtuelle Händchenhalten sollte sich kurz darauf in eine hässliche Angelegenheit verwandeln: Jason Schreier, Redakteur der US-Spieleseite Kotaku, wurde misstrauisch, als er das Twitter-Profil des vermeintlichen EA-Mitarbeiters ein wenig näher betrachtete. Er las mehrere dutzende Tweets des Users, suchte nach Spuren des Users auf Job-Plattformen und schloss seine Recherche schließlich mit dem Fazit ab, dass der EA-Mitarbeiter in Wirklichkeit gar kein EA-Mitarbeiter sei.
EA knickt vor der Community ein: Keine Ingame-Käufe mehr – eine einmalige Entscheidung
EA stand nun vor einer schwierigen Situation: Alle Rettungsversuche hatten sich als vergeblich herausgestellt, während sich wohl noch dazu ein Twitter-User als Mitarbeiter ausgab und versuchte, im Namen des Publishers zu sprechen. Um die eigene Glaubwürdigkeit zumindest millimeterweise wieder herzustellen, entschloss man sich dazu, soweit zurückzurudern wie nur irgendwie möglich. Pünktlich zum Verkaufsstart des Spiels führte das jetzt zu einer bisher einmaligen Ankündigung in der Spielewelt: Bis auf Weiteres sollen alle Ingame-Käufe ausnahmslos aus Battlefront 2 gestrichen werden. Außerdem plane das Entwicklerteam, noch mehr Zeit zu investieren, der Community zuzuhören und Änderungen zu testen.
Wenn sich Gamer in Rage schreiben: Statt sich zu beruhigen, wird Reddit zum Militärlager
Doch die Reaktion der Gamer zeigt, in welche verfahrene Emotionalität sich die Debatte mittlerweile hineingesteigert hat: Die Gaming-Community auf Reddit feiert diesen Erfolg nämlich nicht ausgelassen, sondern erinnert mit ihren Threads und Postings eher an eine Festung im Belagerungszustand, die nur einen Angriff von vielen abgewehrt hat: “Schenkt EA keinen Zentimeter – die haben es noch immer nicht verstanden” schreibt ein User. Zahlreiche Kommentatoren stimmen ihm zu und erinnern daran, dass Entwickler ihr Geld mit fairen Spielen verdienen sollten – und auf sonst keine andere Art und Weise.
Aktuell über 8.000 Upvotes honorieren unterdessen das Posting eines anderen Redditors, der noch einmal daran erinnert, dass die Ingame-Käufe nur vorübergehend entfernt wurden und die Spieler nicht auf die Tricks von EA reinfallen sollen. Es sei noch nicht vorbei, beschwört er seine Mitstreiter. In einem weiteren Thread mit ebenfalls knapp 8.000 Upvotes schließlich erzählt ein User, dass sogar bereits “Nicht-Gamer” von dem Shitstorm erfahren haben und er sehr stolz auf seine Mitstreiter sei.
Die Reddit-Schlachten der ‘Battlefront’-Gamer sind ein neuer Höhepunkt der Debatte um Bezahlinhalte
Dass Mitglieder einer Gaming-Community leidenschaftlich Änderungen oder Neuerungen in ihren Spielen diskutieren, ist dabei nichts Neues. Doch die Postings der Battlefront-Spieler, die mittlerweile sogar die Frontpage des allgemeinen Spielkultur-Reddits erreichen, sind ein neuer Höhepunkt dieser altbekannten Debatten: Die Spieler begreifen, dass ihr Protest und ihr Aufschrei so grundlegende Spielmechanismen wie Ingame-Käufe zumindest vorübergehend aus ihren Spielen vertreiben können. Auch Fachmedien haben dieses neue Bewusstsein der Gamer als wichtige Einflussfaktoren erkannt. Heiko Klinge, Chefredakteur der GameStar, kommentiert diese Entwicklung begeistert: “Egal wie die Geschichte bei Battlefront 2 ausgeht: Sie zeigt, welche Macht wir Spieler nach wie vor haben, wenn wir als Einheit auftreten. Denn dann sind wir eben keine kritischen Einzelmeinungen mehr, sondern ein Wirtschaftsfaktor.”
In der Zwischenzeit schaltete sich auch ein Verkäufer der amerikanischen Ladenkette “Target” in die Diskussion auf Reddit mit ein und verkündete, dass sein Laden bisher kein einziges Exemplar von Star Wars: Battlefront 2 verkauft habe. Stolz präsentiert er ein Beweisfoto, das volle Regalreihen zeigt. Die Kommentatoren applaudieren dieser Neuigkeit und verfallen in nostalgische Erinnerungen, als sie noch als Kinder die Target-Läden ihrer Heimatstädte besuchten und noch nicht ahnen konnten, dass sie einmal Teil des größten Shitstorms des Jahres 2017 werden sollten.