Sophie Koch ist 25 und Juso-Vorsitzende in Dresden. Kürzlich twitterte sie, dass sie als solche manchmal “unfassbar wütend” sei. Hier erklärt sie, was ihre SPD ändern muss, um im Osten nicht nicht unterzugehen.
Ich bin in die SPD eingetreten, mit der Hoffnung, die sächsischen Wahlergebnisse würden sich irgendwann dem Bundestrend annähern.
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Jetzt ist es genau anders herum.
Die SPD liegt auf Bundesebene in einem Umfragetief, in Sachsen holte sie bei der Europawahl gerade mal 8,6 Prozent. Auch bei den sächsischen Kommunalwahlen musste die SPD in einigen Orten herbe Verluste in Kauf nehmen. Wenn es so weitergeht, ist die Partei hier im Osten bald erledigt.
Na gut, werden Leute jetzt sagen, dann ist sie halt erledigt. Aber das Problem ist: So einfach ist das hier im Osten nicht. Hier kämpfen wir nicht nur für die SPD, hier kämpfen wir am Ende um die Demokratie an sich.
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Ich lebe in Sachsen, dem Land, das ab September von einer Koalition aus AfD und CDU regiert werden könnte. Dass die SPD hier ein zweistelliges Wahlergebnis erreicht, ist hier nicht einfach nur Selbstzweck, sondern Teil des Kampfes gegen den massiven Rechtsruck. Wir kämpfen für Mehrheiten jenseits von Schwarz-Blau.
Ich wünsche mir darüber hinaus Mehrheiten jenseits der CDU, eine progressive Mehrheit. Das geht nicht ohne eine starke und vor allem progressive SPD. Aber dafür braucht es mehr als das bloße Reden über Erneuerung. Dafür braucht es mehr als eine neue Parteivorsitzende.
Das Problem ist, dass wir hier vor Ort so viel arbeiten können, wie wir wollen: Wenn die Partei auf Bundesebene so weiter macht wie bisher, dann ist das alles sinnlos. Ich klage also den Parteivorstand an, die Große Koalition und die Bundestagsfraktion: Ihr müsst jetzt handeln, sonst ist der Osten verloren.
Anbiederung an rechts ist das letzte, was wir hier brauchen
Die SPD muss eine Dinge grundlegend ändern, wenn sie verhindern will, dass rechte Kräfte in Ostdeutschland erstarken. Was ich damit nicht meine, sind Überlegungen wie jüngst von Sigmar Gabriel, man solle sich an den Dänischen Sozialdemokrat*innen ein Beispiel nehmen. Diese haben mit rechtspopulistischen Forderungen eine Wahl gewonnen, in den Stimmergebnissen jedoch verloren. Die SPD-Bundestagsfraktion hat selbst den Fehler gemacht, Rechtspopulisten hinterherzurennen mit Verschärfungen des Asylrechts, wie dem kürzlich beschlossenen “Geordnete-Rückkehr-Gesetz”. Aber mit solchen Gesetzen gewinnt man keine AfD-Wähler*innen zurück. Wer den rassistischen Parolen der AfD folgt, fühlt sich durch solche Gesetze bestätigt und wählt trotzdem lieber das Original.
Wir lokalen Juso- und SPD-Mitglieder gehen bei jeder Nazi-Demo in Orten wie Chemnitz oder Plauen dagegen auf die Straße. Und dann müssen wir zusehen, wie unsere Parteigenossen in Berlin diesen Leuten mit solchen Gesetzen in die Hände spielen – und es gleichzeitig schaffen, dass sich eine demokratische Zivilgesellschaft von der SPD nicht mehr vertreten fühlt.
Der Vertrauensverlust, den die SPD gerade auf Bundesebene erlebt, erschwert den Sozialdemokrat*innen in Sachsen schon seit Jahren die Arbeit. Jusos, die zu Zeiten der Agenda 2010 in der Grundschule waren, müssen sich an jedem zweiten Info-Stand für Hartz IV entschuldigen, da das besonders in Ostdeutschland viele Menschen getroffen hat.
Jetzt muss eine neue Generation ans Steuer
Um Vertrauen zurückzugewinnen, muss die SPD endlich wieder Antworten liefern auf die Frage, wofür sie eigentlich steht. Das bedeutet zum Beispiel, eine klare Abgrenzung zur CDU, eine Alternative zu Hartz IV aufzubauen, die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, beim Klimaschutz die Interessen der Kohlekonzerne hintenanzustellen und eine klare und unverrückbare Abgrenzung von rechtspopulistischen Thesen und Meinungen.
Vertrauen zurückgewinnen heißt auch, dass diejenigen, die das Vertrauen jahrelang verspielt haben, ihre Koffer packen müssen und Platz machen für neue Gesichter. Die Politik der alten anzugtragenden Männer hat ihr Verfallsdatum überschritten!
Jetzt muss eine neue Generation ans Steuer. Um junge Menschen wieder von der Sozialdemokratie zu überzeugen, muss die SPD auch selbst junge Menschen fördern. Sie muss sie in ihren Kandidaturen für Parlamente wie für Parteiämter ernst nehmen. Jusos sind nicht nur nützliche Wahlkämpfer*innen. Sie sind das Bindeglied zu den jungen Menschen, weil sie selbst dazugehören. Meine Generation ist gerade so politisiert wie lange nicht mehr. Jetzt muss die SPD zeigen, dass sie die Jugend sieht, hört und mitbestimmen lässt.
Fahrt in den Osten, redet mit den Mitgliedern, aber auch generell mit den Menschen vor Ort, die täglich gegen die Macht der AfD ankämpfen. Aber vor allem: Verlasst die Große Koalition!
Um das Vertrauen von Demokrat*innen im Osten zurückzugewinnen, brauchen wir auch ein Ende der Symbol-Politik. Ein “Wir sind mehr”-Konzert und die einhergehende bundesweite Solidarität unter anderem seitens der SPD sind eine schöne Geste, und ein Moment zum Durchatmen für alle, die in Sachsen jeden Tag gegen Rassismus und andere Diskriminierungsformen kämpfen.
Aber es ändert nichts an der politischen Gesamtsituation.
Befürworter der Großen Koalition, westdeutsche Abgeordnete, die seit Jahren in den Parlamenten sitzen, ehemalige und aktuelle Mitglieder des Parteivorstandes, die permanent in der Öffentlichkeit über die desaströse Situation der SPD philosophieren, fordere ich auf: Fahrt in den Osten, redet mit den Mitgliedern, aber auch generell mit den Menschen vor Ort, die täglich gegen die Macht der AfD ankämpfen. Fragt nach, wo die Probleme liegen und zeigt euch solidarisch, indem ihr sie ernst nehmt und danach handelt.
Aber vor allem: Verlasst die Große Koalition! Und besinnt euch wieder zurück auf die Werte der SPD: Freiheit, Gleichheit und Solidarität. Denn so könnt ihr auch aus Berlin mithelfen, dass Sachsen nicht bald das erste Schwarz-Blau regierte Bundesland wird.
Und wer weiß? Vielleicht ist das ja sogar ein Rezept, dass euch auch im restlichen Deutschland wieder auf die Beine hilft.
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