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So schlecht machen Social-Media-Stars transparent, dass sie für den Staat arbeiten

Screenshot Grischis

Für die Zusammenarbeit von Influencern und staatlichen Behörden gibt es noch keine Regeln. Bezahlte Werbung für Produkte müssen YouTuber und Instagrammer in der Regel kennzeichnen, bevor sie den Fans auf ihren eigenen Kanälen davon vorschwärmen. Doch wenn es um Kampagnen von politischen Institutionen geht, gibt es derzeit schlicht keine klare Antwort darauf, was erlaubt ist und was nicht, wie Motherboard-Recherchen zeigen.

Influencer im Auftrag des Staates sind ein neues Phänomen. Bisher haben bereits 14 Bundesministerien und -behörden mit fast 60 YouTubern und Instagram-Stars zusammengearbeitet, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage hervorgeht, die Motherboard vorliegt. Wir haben die dazugehörigen Videos, Bilder und Posts gesucht – und ausgewertet, wie die Influencer ihre Zusammenarbeit mit dem Staat gekennzeichnet haben.

Videos by VICE

Insgesamt haben wir mindestens 26 Beiträge gefunden, in denen zunächst nicht erkennbar ist, dass hierfür Geld von Behörden geflossen ist. In vielen anderen Beiträgen haben die Influencer mehr oder weniger eindeutige Kennzeichnungen platziert und sich dabei an den Regeln für wirtschaftliche Werbung orientiert.

Um die Unsicherheit der Influencer im Umgang mit staatlichen Aufträgen zu zeigen, haben wir ein Ranking erstellt – von deutlicher Kennzeichnung bis hin zur kaum erkennbaren Andeutung.

Dieser Artikel ist Teil eines Themen-Specials.

1. Klarer geht’s nicht: Im Video ist dauerhaft “Werbung” eingeblendet

Der YouTuber Felix von der Laden fliegt in einem Helicopter. Die Szene ist Teil eines von der Bundespolizei mitfinanzierten Videos.
Bild: Screenshot | YouTube | Felix von der Laden

Wohl am besten lassen sich werbliche Inhalte kennzeichnen, indem das Wort “Werbung” deutlich lesbar und dauerhaft im Bild oder Video eingeblendet wird. Genau das empfehlen die Landesmedienanstalten für herkömmliche werbliche Inhalte. Diese Richtlinie hat YouTuber Felix von der Laden eins zu eins umgesetzt, als er auf Einladung der Bundespolizei Nachwuchswerbung gemacht hat.

Motherboard hat die Landesmedienanstalt NRW um eine Einschätzung dieser Kennzeichnung gebeten. Ein Sprecher erklärte auf Anfrage, dass von der Laden sich in diesem Fall tatsächlich um eine deutliche Kennzeichnung bemüht hat – auch wenn derzeit nicht klar beurteilt werden kann, auf welcher juristischen Grundlage solche Videos überhaupt möglich sind, wie unsere detaillierte Analyse der rechtlichen Lage zeigt.

2. Eindeutiger Hashtag, klar erkennbar: #werbung

Die Influencerin Lisa Sophie Laurent macht Werbung für eine Kampagne des Familienministeriums und kennzeichnet das vorbildlich.
Bild: Screenshot | Instagram | lisasophielaurent

Auch die Kennzeichnung dieses Instagram-Posts von Lisa Sophie Laurent orientiert sich eindeutig an den Richtlinien der Landesmedienanstalten für wirtschaftliche Werbung. Die Influencerin warb im Auftrag des Familienministeriums für eine Hotline zur Konfliktberatung bei Schwangerschaft und das erste Wort im Text neben dem Bild lautet: #Werbung. Es fällt sofort ins Auge und ist nicht irgendwo unten zwischen anderen Hashtags versteckt.

Die Landesmedienanstalten schreiben hierzu in ihrem FAQ: “#werbung oder #anzeige gehören vorne in Deinen Post, nicht irgendwo nach hinten und schon gar nicht versteckt in einen anderen Link.”

3. Versteckter Hashtag, ganz weit unten: #sponsored

Die Influencerin Barbara Sophie bewirbt eine Aktion des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Allerdings wird das erst durch den Hashtag #sponsored ganz am Ende eindeutig sichtbar.
Bild: Screenshot | Instagram | barbarasophie_

Von dieser Art der Kennzeichnung raten die Landesmedienanstalten ausdrücklich ab: Der Hashtag #sponsored am Ende der Beschreibung dieses Instagram-Posts fällt nicht sofort ins Auge. Generell schreiben die Landesmedienanstalten: “Kennzeichnungen wie #ad, #sponsored by, #powered by können wir euch derzeit nicht empfehlen.”

Kurioserweise hat das Bild der Influencerin auch inhaltlich nichts mit der beworbenen Kampagne für gesundes Essen an der Schule zu tun – oder nur mit ganz viel Fantasie. Der Hashtag #bmel ist ein Hinweis auf den Auftraggeber, das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Ob Schüler oder sonst jemand etwas mit dem Hashtag #bmel anfangen können, sei dahingestellt.

4. Werbehinweis tief in der Beschreibung versteckt

Der YouTuber Grischistudios macht Werbung für eine Kampagne des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.
Bild: Screenshot | YouTube | Grischistudios

Wenn YouTuber für Behörden arbeiten, erwähnen sie das oft in der Videobeschreibung. Mal ist der Hinweis dort weit oben platziert, mal gut versteckt im unteren Bereich, den Zuschauer erst mit einem Klick öffnen müssen. Die Kennzeichnungen sind dabei unterschiedlich deutlich.

Im Beispiel dieses Videos von Grischistudios lautet sie wörtlich: “Dieses Video beinhaltet vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft bezahlte Produkt Platzierung.” Zudem wird zu Beginn des Videos für etwa sechs Sekunden der Hinweis “Unterstützt durch Produktplatzierung” oben in der Ecke eingeblendet. Der Begriff “Produktplatzierung” ist zwar bei staatlichen Aufträgen nicht zutreffend. Aber zumindest macht der Begriff “bezahlt” transparent, dass Geld im Spiel war.

5. Schleierhafter Hashtag: #zusammenarbeit

Ein Instagram-Post von MrWissen2Go. Finanziert wurde der Lasagne-Post auch vom Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft.
Bild: Screenshot | Instagram | mrwissen2go_

Hinter dem Hashtag #zusammenarbeit würde wohl kaum jemand einen Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vermuten, vor allem wenn er in einer Reihe steht mit dem betont profanen Hashtag #essenisttoll. Das Ministerium ist auch an keiner anderen Stelle dieses Instagram-Posts von MrWissen2Go erwähnt. Als Kosten für die Beteiligung des Influencers sind in der Antwort der Bundesregierung unter dem Posten “Instagram & Crossmotion” satte 1.785 Euro angeführt.


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Lediglich der Hashtag #checkdasmahl gibt einen Hinweis darauf, dass es sich hier um eine Bundeskampagne handelt. Das findet man jedenfalls heraus, wenn man nach dem Hashtag googelt. Doch den damit gemeinten Wettbewerb für gesundes Essen an der Schule dürfte kaum jemand kennen, denn besonders erfolgreich war die Aktion auf Instagram nicht: Gerade einmal sechs Posts mit dem Hashtag gibt es auf der Plattform – fünf davon stammen von den für die Kampagne beauftragten Influencern.

5. Was bedeutet eigentlich “Ich durfte ein T-Shirt designen”?

Ein Instagram-Post, der auch im Auftrag des Entwicklungsministeriums bezahlt wurde.
Bild: Screenshot | Instagram | wanalimar

Zur Reihe der eindeutig uneindeutigen Kennzeichnungen von Werbung gehört dieser Instagram-Post: “Als Teil der BMZ Fair Fashion Kampagne #veroselvie durfte ich ein eigenes Shirt designen“, schreibt diese Influencerin. Dahinter steht eine Kampagne des Bundesministeriums für Entwicklung und Zusammenarbeit. Für die Teilnahme von etwa 15 Influencern hat die Regierung rund 84.600 Euro gezahlt. Aus dem Satz geht nicht hervor, dass die Influencerin offenbar weitaus mehr Leistungen genossen hat als die Erlaubnis, ein T-Shirt zu designen.

Ähnlich uneindeutig sind Sätze wie: “Ich wurde von der Bundesregierung eingeladen, um im Kanzleramt über Migration zu sprechen.” So hat Fitness-YouTuber Flavio Simonetti sein Video für die Integrationsbeauftragte des Bundeskanzleramts gekennzeichnet. Streng genommen bedeutet dieser Satz aus der Videobeschreibung aber nur, dass Simonetti das Kanzleramt nicht unangemeldet betreten hat. Aber wurde er auch “eingeladen”, ein Video darüber zu drehen und auf seinem Kanal hochzuladen? Wie aus der Antwort der Bundesregierung hervorgeht, ist das Video eines von fünf zum Thema Integration, wofür insgesamt 11.781 Euro ausgegeben wurden.

6. Extrem schleierhaft: “Kein Product Placement”

Ein Post des Instagrammers tenseapplewar im Auftrag der #Echtzeit-Kampagne des Gesundheitsministeriums.
Bild: Screenshot | Instagram | tenseapplewar

Der Instagrammer tenseapplewar war Teil der Kampagne #Echtzeit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die zum Gesundheitsministerium gehört. Sie handelte davon, dass junge Leute genauer darüber nachdenken sollten, wie viel Zeit sie im Internet verbringen. Für teilnehmende Influencer wurden der Bundesregierung zufolge jeweils zwischen 238 und 2.760 Euro ausgegeben.

Tenseapplewar schrieb zu seinem Foto: “Die #Echtzeit-Kampagne ist übrigens eine gemeinnützige Nummer der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (also kein Product Placement. ;))”. Tatsächlich kann der juristische Begriff “gemeinnützig” nicht auf eine Behörde zutreffen; gemeinnützig können beispielsweise Vereine oder Stiftungen sein. Andere Influencer kennzeichneten ihre Beiträge dieser Kampagne beispielsweise mit den Hinweisen #BZgAsponsoredPost, “sponsored”, “Kooperation” oder “Unterstützung”.

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