Steffi Sargnagel auf dem FPÖ-Oktoberfest

Stefanie Sargnagel ist die beste Schreiberin Österreichs und wir werden jedes Mal ganz rot vor Stolz, wenn wir damit angeben können, dass sie für uns unter anderem schon Texte über das Donauinselfest und die Esoterikmesse verfasst hat. Eine Beziehung, die aber zugegebener Maßen nicht ganz konfliktfrei ist. Dieses Mal war Steffi beim FPÖ Oktoberfest und nachdem wir kurz mit unserem Anwalt gesprochen haben, wurden ein paar Stellen des Berichtes leicht entschärft, damit wir nicht nächste Woche alle gemeinsam die FB Page von Heinz Christian betreuen müssen.

UPDATE: Der satirische Bericht von Stefanie Sargnagel hat nicht nur unglaublich viele Menschen sehr glücklich gemacht, sondern auch einige Köpfe zum Explodieren gebracht. Steffi hat für uns die schönsten Hass-Kommentare vorgelesen und darauf geantwortet.

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In meiner momentanen Bildungskarenz (=Freigang) von meinem Callcenterjob (=Häfn) habe ich mir vorgenommen, diese ganzen geilen Veranstaltungen zu besuchen, für die ich durch meine mittlerweile zwei Jobs als 1. Callcenteragent und 2. die langsame Mutation zu einem österreichischen Kulturarschloch, nie Zeit hatte. Seit ich in Freiheit bin, scheinen die aber plötzlich alle verschwunden zu sein, gähnende Leere in den Bezirksblättern und im Heute Veranstaltungskalender, die ich in den Wochen davor weinend ob der Versäumnisse großer Inspirationsquellen durchlas. Wo sind die Vorträge über die Mundharmonikageschichte Nordkoreas, der Open Mic Abend in Gittis Stüberl und Thomas Brezina Autogrammstunden plötzlich hin? Mittlerweile habe ich durch die ungewohnte Dauerfreizeit sogar zu joggen begonnen, obwohl ich joggen aus ideologischen Gründen eigentlich ablehne und wenn mich jemand dabei erwischt, wie ich keuchend meinen Schweiß um den Wienerbergteich verspritze wie ein elendes Leistungsschwein, kann ich mein Image als lebensverneinender, Bierdosen saufender Ghettorapper ganz vergessen.

Vor kurzem aber fand ich eine sehr vielversprechende Ankündigung: Das erste FPÖ Oktoberfest mit HC Strache in Kolariks Luftburg und habs mir sofort notiert.
Ich erinnerte mich an einen meiner prägendsten direkten Kontakte mit dem FPÖ Mob: Ich war 18 und ging zum Viktor-Adler-Markt, um mit den andern linken Teenies gegen die alljährliche FPÖ-Hetzrede in Favoriten zu protestieren, bzw. begleitete ich einfach meine Freunde, denn tatsächlich fand ich es irgendwie langweilig unter „meinesgleichen” rumzuhängen und die öden Parolen zu schreien, anstatt die seltsamen Exoten vor mir genau zu begutachten.

Ich schlich mich also nach einiger Zeit durch die Absperrung und mischte mich unters bösartige Volk. Ruhig und unauffällig stand ich gedrängt in der Menge, ein dickes, kleines, unschuldiges Hippiemädchen mit zerzausten Haaren, in der Hand eine lustige, bunte Schultasche aus dem Second Hand Shop, an der plötzlich eine Frau mittleren Alters wie wild zu zerren begann. „SCHAU DA DIE AUN, DIE HOT A AUFNAHMEGERÄT DA DRIN!! DIE NIMMT OLLAS AUF!! GIB AUSSE DES AUFNAHMEGERÄT!!” Verwirrt zog ich damals meine Tasche zu mir, da bäumte sich schon ein alter Mann vor mir auf und schrie auf mich ein: „SCHLEICH DI DO, DU GFRASTSACKL!” Ich sah mich erschrocken um – Was war denn in diese grimmigen Greise gefahren?! Ich sagte wohl eingeschüchtert sowas wie: „GEH DOCH SCHEISSN, DU SCHIRCHER OPA!”, da holte der kampflustige Ungustl schon aus und wollte mir eine kolossale Faustwatsche verpassen, während er von jemandem, der noch halbwegs Mensch war, zurückgehalten wurde. Ich rief wohl sowas wie: „Na geht schon, hau mir eine rein, los, du Wahnsinniger!” Da kamen Polizisten und holten mich, ich muss sagen, sehr fürsorglich aus der Menge und meinten „Passens besser auf da. Bleibens lieber draußen.”

Es hat mich damals in meinem naiven Menschenbild sehr beeindruckt, dass es sich bei diesem Pöbel offenbar nicht nur um einfach gestrickte Populismusopfer handelt, sondern um gewaltbereite Irre und die Gefahr, die von aufgehetzten Pensionisten ausging, wurde mir zum ersten Mal empirisch bewusst.
Diese Hetzerei, die Menschen so kippen lässt, dass alte Männer ungehemmt auf junge Mädchen einschlagen wollen, wollte ich mir aus generellem Interesse an menschlichen Abgründen mal wieder aus der Nähe geben, also ab ins neutrale Blumenkleid und auf zum Oktoberfest. Mein Kumpel A., der sowieso aussieht wie ein Skinhead, wollte mitkommen, verspätete sich aber um eine Stunde, also bewegte ich mich mal alleine rein. Begleitet von dem Gefühl, man könne meine Gesinnung in meinen Augen sehen, tastete ich mich vorsichtig durch die festliche Menge. Ich fühlte mich sehr unwohl, nachdem ich aber die ersten rotgesichtigen Mostschädeln in ihren Trachtenjankern dabei erwischte, wie sie mir mit unverhohlen auf meinen Orsch starrten, fühlte ich mich irgendwie akzeptiert. Ich holte mir bei einem der dunkelhäutigen Kellnern, bei denen ich mich gerne für alles entschuldigt hätte, ein Krügerl und relaxte.

Mein erster Eindruck des Volksfestes war: Typisches Bierzeltfest eigentlich, nicht sonderlich außergewöhnlich, eher was für eine dieser überheblichen Kurzreportagen DIE UNTEREN 10.000 als für mich. Was mir auffiel, war aber, dass hier viele Leute einfach irgendwie fertig aussahen. Dass sich besonders viele sozial Schwache nach der starken Hand des HCs sehnen, der sie damit beruhigte, dass es in unserer Gesellschaft immer noch jemand Schwächeren gibt, auf den sie runterspucken können. Sehr alte Menschen, Menschen mit geistigen Behinderungen, kränklich wirkende Menschen, abgearbeitete Leute mit dieser fahlen, erledigten 60-Marlboro-am-Tag-Gemeindebaubeisl Ausstrahlung. Heute waren aber alle guter Stimmung. Auf den Tischen stehend ließen schon einige 60jährige Frauen ihre in enge Dirndl gepressten Hüften zum Udo Jürgens Cover der schmierigen John Otti Band kreisen.

Vor allem die älteren Semester gingen am wildesten ab. Es war erst 13:00 Uhr, also noch kaum Zeit, sich anzusaufen und ich dachte mir: Feiern können sie schon, diese Pflaumen-vermutlich besser als die vergrübelten Studentenklemmis, die den ganzen Tag Bücher über Bücher lesen. So beneidenswert unverkrampft, wahrscheinlich sind sie alle auch extrem gut im Bett auf diese perverse Nazi-Art. Die vier Otti-Brüder aus Kärnten stellten sich vor und betonten besonders stolz, dass einer von ihnen Jörg heißt, wie unser GOTTHABINSELIG immer noch hochverehrter Jörgl und taten zu Playback so, als würden sie Instrumente spielen. Immer wieder riefen sie zu freudigen Chorälen auf: „WIR LIEBEN DEN HC, WIR, WIR, WIR LIEBEN DEN HC!”

Überall sah man HC Strache-Fetischartikel, HC-Pullover, Kappen, Hundemode, Teddys, Ikonen, HC Strache-Smegma in Tuben zum einschmieren und in Flakons gesammelte Tränen. Auch viele dieser Mobbingopfer aus der „Akademiker”-Szene, deren Trendhaarschnitt momentan anscheinend eine mit Gel überladene Hitlerfrisur ist und überall diese stramme sich gegenseitig auf die Schulter klopfende Alphatiere Mitte 40 mit Lederhosen und dicken, prallen, obszönen Waden. Polizistinnen standen zur Sicherheit vorm Lokal herum, ein Besucher meinte, sie seien besonders fesch, was sie zum kichern brachte, sie fühlten sich wohl.

Ich hatte mir eigentlich mehr blonde Frauen mit ausladenden Dekolletees erwartet, aber es gab eigentlich nur zwei. Eine, die aussah wie 17, wurde von alten Typen nacheinander zum Tanzen herumgereicht. Mit geilen, roten Backen gafften sie in ihren hüpfenden Ausschnitt, während ihnen der Geifer aufs Trachtenhemd tropfte, was das Mädchen offenbar zum Strahlen brachte. Als sie von den Ottis extra auf die Bühne geholt wurde, der Sänger auf ihre Riesenbrüste zeigte und fragte: „IS DES OLLES ECHT??” fing die Menge zu johlen an.

Dann der erste Auftritt, Johann Gudenus schritt umjubelt auf die Bühne. Er erzählte dem Mob cholerisch wie immer, wie glücklich wir uns schätzen können, dass wir nun bald HC Strache sehen werden. Wie super es ist, Tracht zu tragen und Bier zu saufen, dass MIA MIA san, MIA SAN MIA, SANMIA, MIASAN, also DU DU UND I I UND MIA MIA, dass der Häupl nicht so volksnah sei wie der unsa HC und zum Abschluss sagte er: „UND IN DIESEM SINNE MÖCHTE ICH GRILLPARZER ZITIEREN: ,WIR LEBEN IN EINEM SCHÖNEN, IN EINEM WIRKLICH GUTEN, TOLLEN LAND! UND DAS MUSS MA ERHALTEN!!’ PROST!” Falls jemand weiß, aus welchen Grillparzerstück dieses Zitat ist, ich würde es wirklich gerne sehen! Egal, die Menge war außer sich, die Humpen wurden gehoben, das Bier schwappte über die Krüge in die Gehirne und es wurde weiter hemmungslos geravet. Ich begab mich mal wieder zur Schank, dort zwinkerte mir eine sichtbar heroinsüchtige Lederjackenlesbe mit HC T-Shirt zu und ein psychopathisch wirkender alter Mann in Trenchcoat ging an mir vorbei und schaute mich durchdringend an … „Dr. Mengele will dich operieren.”

Meine Freunde waren mittlerweile auch da, A. hatte Anhang mitgebracht und ich ärgerte mich darüber, dass sie aussahen wie Grünwähler und tadelte sie dafür, dass sie meine Immunität in Gefahr brächten.

Das Bier wirkte schon und ich fragte mich, was wohl passieren würde, wenn ich jetzt auf die Bühne laufen und „IHR HIRNLOSES NAZIPACK” schreien würde. Würde ich es überleben, würden sie mich bei lebendigem Leibe zerfleischen? Die Borderlinerin in mir scharrte schon mit den Hufen und wollte schön langsam raus aus dem langweiligen Käfig des Überichs.

A. deutete auf einen Typen und meinte, das wäre David Lasar, der bekannte Quotenjude der FPÖ. Wir wetteten, ob er, ebenfalls Jude, sich trauen würde, hinzugehen und „Schalom” zu sagen. Er traute sich nicht, fad.

Dann war es soweit. ER sollte angeblich kommen. Die Musik ging los, die Menschen im Saal brüllten mit erhobenen Händen: HAZE, HAZE, HAZE, HAZE. Ein Tusch wurde gespielt und sein Auftritt hinausgezögert. Der Mann, der sie alle retten wird. Der Mann, der so aussieht, als würde er niemals schlafen. Der Mann, der vierzehn Red Bull frühstückt und zum Mittagessen angeblich nichts außer einer Handvoll VITAMINE isst.

Ich sah seinen Kopf auftauchen, langsam, zeitlupenhaft und plötzlich holte mich ein lautes FLATSCH!! aus meiner Trance. Verwundert blickte ich mich um, der Boden des Raumes war plötzlich von einer klebrigen, süßsauer riechenden Flüssigkeit überzogen. Ich fasste es nicht, den vierzigjährigen Frauen um mich herum war offenbar allen gleichzeitig literweise Scheidenflüssigkeit durch ihre Dirndl geplatscht. Rund um mich leuchtende Augen, jubelnde Kinder, weinende alte Menschen. Erste Streits gingen los, weil jeder den besten Blick auf den berühmten Rapper haben wolle. SETZ DIE NIEDA, DU WAPPLER, I WÜ A WOS SEGN, DES GIBT’S JO NET. Ich ließ einen fahren und bemerkte zu spät, dass hinter mir ein kleines Mädchen mit zwei Zöpfchen stand, ihr Gesicht genau auf Höhe meines Darmausgangs. Ich sah mich selbst in ihr, auch ich wurde als Kind zu deutschnationalen Veranstaltungen verschleppt und hoffte melancholisch, dass etwas von meinem Geist durch das Gas in sie übergehen wurde.

Strache erzählte uns, dass wir uns wehren müssen gegen die Ausbeutung der braven Bürger. Dass Häupl verrückten Künstlern die Heizkostenzuschüsse braver Österreicher gegeben habe, damit diese eine Natursektbar eröffnen könnten. Da trinken wir doch lieber unser gutes österreichisches Bier, jawoll, Prost! „PFUI DEIFE, DIE WOAMEN!” hörte ich unter einem Tirolerhut hervortönen. Es seien selbstverständlich die Asylanten, die Schwulen, die entarteten Künstler, die Moslems, gegen die wir uns wehren müssen, nicht etwa korrupte Politiker oder Sozialabbau. Schuld an Frauendiskriminierung, Altersarmut und flachsigen Schnitzeln sind DIE SALAFISTEN, die tschetschenischen Kriegsflüchtlinge und die Bettelmafia. ER sagte, dass wir unsere österreichische Tradition und Kultur leben müssen. Und unsere Kultur, das sind …

Die Errungenschaften in Wissenschaft, Politik und Kunst? Nein, unsere Kultur, das sind die feschen Madln in den feschen Dirndln! Das ist die fesche Tracht! Das sind die guten Würschteln und das ist das gute Bier! Er hob drei Finger in die Luft und rief „Ich bestell ja am liebste drei!” Gelächter. „Wir feiern nämlich heute freudig und nach unserer Tradition, das erste FPÖ- Oktoberfest!” Ich fragte mich, ob ER weiß, dass es sich um eine Münchner Tradition handelt und wir immer noch nicht wieder an Deutschland angeschlossen sind …? Das Ziel der FPÖ wären die 40 Prozent und Strache als Bürgermeister, eh. ABER HEUTE WOLLEN WIR UNS NICHT AUFREGEN (schade …), WIR WOLLEN FEIERN! Abgang, Hysterie, ekstatisches Geschrei. Eine Schar blondierter älterer Frauen verfolgte HC kreischend-wie 13-jährige Mädchen Justin Bieber. Die Otti Band spielte konsequent das traditionell österreichische „Gangnam Style” und alle sangen mit.

Meine Freunde hatten genug, sie wollten gehen. Ich blieb noch ein bisschen-wie immer aus Angst, was zu verpassen. Die Party ging heiter weiter und beim Rauchen kam ich in erste Gespräche. Ein langhaariger Typ meinte zu mir, er würde Strache immer Tipps geben, wie er sich verbessern könne, er würde nach den Reden immer zu ihm gehen und dafür würde HC ihn sehr schätzen. Strache müsse den Leuten erzählen, dass sie die Botschaften weitererzählen sollen. Er hätte sich das damals auch nicht getraut, als er noch in der Arena gearbeitet hat. Sie sollten sich die Zeugen Jehovas zum Vorbild nehmen. Ich nicke beeindruckt.

In den nächsten Gesprächen mit strammen Lederhosenkerlen bezeichnete ich Strache immer wieder mal als ********** Marionette, die doch nur Texte vorlese. Das ging sogar erstaunlich gut, solange ich danach immer den Satz zufügte: „Er ist ja nix gegen den Haider, der war halt wer.” Die Leute sind verwirrt und ich ernte immer wieder Zustimmung.

Im Lauf der Zeit bemerkte ich, dass ich tatsächlich neben dem Tisch stand, an dem Strache mit seiner Strachejugend saß. Der ehemalige Arenamitarbeiter, mit dem ich vorher gesprochen hatte, lehnte gerade über dem Tisch und erzählte ihm, dass er mehr wie die Zeugen Jehovas sein sollte. Auch ich nutze die Gelegenheit und frage: „HC!! Du schaust schon echt abgekämpft aus! Wie viel ****** frisst du eigentlich wirklich die ganze Zeit?” Die Leute sahen mich verärgert an und er antwortete mit einem „Bringt sie weg!” Schon standen drei Typen in Zivil um mich und führten mich ab. Mein „Ich hab doch gar nichts gemacht, nur was gefragt.” wurde eisern ignoriert, als würde ich nicht existieren.

Als ich ihnen für ein paar Minuten entwischte und mich noch kurz zur Strachejugend an einen andern Tisch setzte, weil ich sie kennenlernen wollte, meinen die jungen Leute, sie würden mich nicht bei sich wollen. Ich versicherte ihnen, dass ich politisch verwirrt bin, doch der Typ mit der öligen Hitlerfrisur ignorierte mich konsequent. Er wich immer wieder meinem Blick aus, obwohl ich meine Kopfbewegungen seinen Augenbewegungen anpasste. Immer wieder stupste ich ihn an „Sei nicht so intolerant!” Da entdeckten mich die Rausschmeißer wieder. Ich versuche noch ein letztes Mal zu entwischen, doch sie hatten mich fest im Griff und trugen mich an den Armen raus. Ich konnte es nicht ändern und schrie laut während des Tragevorgangs, zugegeben etwas unoriginell „TSCHÜSS IHR ******* *****. ******* *****. IHR ************!!!”

Neue Erkenntnisse habe ich keine gewonnen.
Wehret den Anfängen!
Bussi