Wenn man Amenra noch nie live gesehen hat, ist es relativ schwer zu erklären, was da genau bei ihren Konzerten passiert. OK, offensichtlich stehen fünf Männer auf der Bühne und lassen durch schleppernden Doom-Metal ihre Zuschauer in Zeitlupe mit dem Kopf nicken. Nüchtern kann man das so zusammenfassen. Aber wenn man dann doch mal selbst in den Reihen steht und einen Blick in die Gesichter der Anwesenden wirft, sieht man sie, diese entrückte Leere, der tranceartige Zustand, in den die Belgier diejenigen versetzen, die an ihrer Messe teilnehmen. Sänger Colin H. van Eeckhout steht 90 Prozent des Konzert mit dem Rücken zum Publikum, zeigt nur seinen sich immer wieder krümmenden Rücken, schreit in monotoner Verzweiflung, singt mit zarter Stimme und verkrampfter Hand, lenkt den Fokus einzig auf die Musik und damit in sich selbst.
Um den Kreis der Erleuchteten zu erweitern und um ihr aktuelles Album Mass VI zu feiern, haben Amenra ihre komplette Record Release-Show in Brüssel über einen Live-Stream geteilt. Über anderthalb Stunden lang spielen sie ihr Konzert, über das Eeckhout schon im Vorfald sagte: “Es wird wahrscheinlich unsere bisher längste und physisch intensivste Show.” Wie wörtlich er dabei “physisch intensiv” gemeint hat, zeigt sich nach 54 Minuten. Da steht er oberkörperfrei und zwei Leute treiben ihm riesige Metal-Haken durch die Haut – nur um daraufhin Stein-Gewichte daran zu hängen. Ein bisschen Ablenkung muss dann doch mal sein.
Videos by VICE
Irgendwann ist es vorbei, die Lichter gehen aus, lautes Klatschen und Jubel ertönt. Wir meinen zu wissen, wie es den Zuschauern ging, die kurz darauf den Club verlassen haben. Ein wohliges Gefühl der Leere, kein langes Gerede mit der Begleitung, wie sie es denn fanden. Sie haben es schließlich alle miterlebt und wissen: Amenra sind immer noch eine der besten Live-Bands da draußen.
Amenra live:
07.11.2017 Werk2 – Leipzig, DE
08.11.2017 Scene – Vienna, AU
**
Mehr zum Thema: “Noisey Meets: Colin van Eckhout”
Folge Noisey auf Facebook, Instagram und Snapchat.