Boris Johnson, der Bürgermeister von London, wird sich demnächst von einem Wasserwerfer umblasen lassen—um zu beweisen, wie ungefährlich deren Einsatz gegen Demonstranten ist.
Die Entscheidung, drei gebrauchte Wasserwerfer für die Londoner Polizei zu kaufen, hatte in der englischen Öffentlichkeit eine heftige Debatte über die Gefahren dieser Maschinen ausgelöst. Bis jetzt galt der Einsatz von Wasserwerfern (außerhalb von Nordirland) in England als tabu. Als er deswegen zunehmend in die Kritik geriet, ging Johnson in die Offensive.
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Die Entscheidung zu dieser Mutprobe traf der impulsive Bürgermeister spontan. In einem Radiointerview hatte er zuerst noch gesagt: „Ich bin nicht ganz sicher, ob ich mich vor einen Wasserwerfer stellen würde, ich habe ja nichts getan, um das zu verdienen.“ Als der Moderator weiterbohrte, stimmte er plötzlich zu: „Mann oder Maus. Sie haben mich herausgefordert, also muss ich es jetzt wohl machen. Ich kann schon sehen, wie sich meine Presseleute alle die Haare raufen, aber gut, das muss jetzt getan werden. Danke dafür.”
Aber woher kommt die Sorge der Briten vor dem bisschen harmlosen Wasser? Ganz einfach, weil es sich bei den drei gebrauchten Fahrzeugen um Wasserwerfer aus Beständen der deutschen Bundespolizei handelt—der gute alte WaWe 9000, der zuletzt 2010 zu trauriger Berühmtheit gelangte, als er dem Ingenieur Dietrich Wagner in Stuttgart mit seinem Strahl die Augenlider abriss.
Wagner war deshalb auch nach London eingeladen worden und hatte dort mit deutlichen Worten vor den Wasserwerfern gewarnt: „Meine Botschaft ist, dass die Polizei wissen muss, dass das nicht nur große Duschen sind. Das sind tödliche Waffen, die schwere Körperverletzungen verursachen können“, zitiert ihn der Guardian.
Bei solchen Schauergeschichten ist natürlich verständlich, dass die Londoner der Innovationsfreude ihres Bürgermeisters erstmal skeptisch gegenüberstehen. Dazu haben sie alles Recht. Nur: Sollten wir nicht auch das Recht haben? Schließlich sind deutsche Demonstranten nicht unbedingt besser dagegen gewappnet, mit 8 Bar (respektive 10 Bar beim neuen WaWe 10000) durch die Gegend geschleudert zu werden. Schon seit mindestens 1986 ist bekannt, wie gefährlich so ein Hochdruckwasserstrahl werden kann. Trotzdem zersprüht die deutsche Polizei in Bund und Ländern schon seit Jahren ungestört auch angemeldete Demonstrationen, ohne dass je ein hochrangiger Politiker den Mut besessen hätte, sich einem Experiment wie dem Johnsons auszusetzen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden!
Denn wenn der Bürgermeister von London bereit ist, schon vor dem ersten Einsatz alle Zweifel an der Sicherheit der Wasserwerfer mit körperlichem Einsatz zu zerstreuen, dann sollte der Berlins nicht lange zögern. Es wäre eine einmalige Gelegenheit für den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit, den jahrelangen Gebrauch dieser Maschinen sozusagen im Nachhinein öffentlichkeitswirksam zu legitimieren.
Mit einem einzigen, kraftvollen Wasserstrahl gegen den geschätzten Bürgermeisterkörper könnte Wowereit seinen Bürgern schlagartig die Ungefährlichkeit dieser Technik demonstrieren—ganz ohne langwierige Gutachtenverfahren und forensische Feinheiten. Und es wäre bestimmt nicht gewagt zu behaupten, dass die Aktion für die Berliner auch in Hinblick auf viele andere aktuelle Debatten eine geradezu therapeutische Wirkung hätte—mit ein paar hochauflösenden Fernsehbildern vom körperlichen Einsatz des Regierenden im Hinterkopf würden sich auch Ärgernisse wie das BER-Debakel oder die undurchsichtige Kommunikation rund ums Tempelhofer Feld viel leichter ertragen lassen.
Da ich dem Bürgermeister diese Idee keine Sekunde vorenthalten wollte, habe ich sofort eine E-Mail an seine Presseabteilung geschickt:
Leider fühlt sich Wowereits Presseabteilung dafür anscheined nicht wirklich zuständig, stattdessen hat sie meine Anfrage an die Senatsverwaltung für Inneres und Sport weitergeleitet:
Nach meiner anfänglichen Enttäuschung wurde mir die Weisheit dieses Schritts schnell deutlich: Mit seinen 61 Jahren ist Klaus Wowereit gute neun Jahre älter als der Londoner Kollege Johnson, vielleicht stellt dieser Stunt ein zu hohes Gesundheitsrisiko für den Regierenden dar. Aus dem Grund ist es vielleicht gar nicht so unklug, einen jüngeren Kollegen vorzuschieben: den Senator für Inneres und Sport, Frank Henkel.
Als Innensenator ist Frank Henkel seit 2011 für alle Einsätze der Berliner Polizei verantwortlich, somit wäre es also auch nicht so verkehrt, wenn er seinem Glauben an die Sicherheit des Wasserwerfers ein eindrucksvolles Denkmal setzen würde. Da mir bis jetzt aber noch niemand auf meine Anfrage geantwortet hat, habe ich die Hoffnung auf Wowereit noch nicht ganz aufgegeben. Sicherheitshalber habe ich deshalb eine Petition beim Berliner Abgeordnetenhaus eingereicht.
Wenn der Petitionsausschuss sie für würdig befunden hat (was eine reine Formsache sein dürfte), dann können wir anfangen, Stimmen zu sammeln, um diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen. Denn was wäre Wowereit für ein Bürgermeister, wenn er nicht bereit wäre, für seine Bürger auch mal einen einzustecken?
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