“Study at the ETH and become a real Master!”, verspricht das neueste Imagevideo der elitären Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. “We love freedom as much as we do cheese” rappt ein cooler Schwarzer Rapper, und düst anschliessend in einem Rennauto durch seine Karriere. Eine Gruppe Studierender bastelt an einer Rakete und tanzende Roboter dürfen natürlich auch nicht fehlen – schliesslich steht die ETH für Innovation und wissenschaftlichen Fortschritt.
Offenbar will die Hochschule ihren Ruf als biedere, strenge Institution loswerden: Auf dem Pult der Rektorin tanzen Studierende, der unbekannte Rapper preist auf Englisch das spassige Studium in seinen leicht dümmlichen Wissenschafts-Lines an und verspricht den Abgehenden eine sorgenfreie berufliche Zukunft. Das ETH-Studium besteht aus Party, faszinierenden Laborexperimenten und Party!
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Dass dies in der Realität anders aussieht, zeigen die knapp 350 empörten Kommentare unter dem Video. Dabei geht’s vor allem um eines: Dafür werden unsere nun erhöhten Studiengebühren ausgegeben?
Das Video hat doppelt so viele Dislikes wie Likes – wohl nicht ganz, was die PR-Abteilung der Hochschule bezweckt hatte.
Wir wollten wissen, was Studierende der ETH über das Video zu sagen haben und begaben uns ins kolossale Hochschul-Schloss im Herzen Zürichs. In dem wir zumindest tagsüber wenig Party fanden.
Marius, 23, macht seinen Master in Atmosphäre und Klima
Noisey: Hey Marius, hörst du in deiner Freizeit Rap?
Marius: Ja, schon. Ich finde aber, man könnte Rap oftmals ein bisschen intellektueller gestalten. Mit der Sprache und der Lyrik, zum Beispiel. Aber ihr Rap-Video kann die ETH hier wirklich niemandem verkaufen. Sie wussten wohl selbst nicht genau, an wen das gerichtet sein sollte.
Hättest du dir jemand anderen gewünscht, der oder die die ETH repräsentiert?
Ja! Rennie von Sektion Kuchikäschtli, zum Beispiel. Der hat selbst studiert und somit einen Bezug zum Uni-Leben. Ausserdem ist der von hier – das macht einen authentischeren Eindruck.
Wie authentisch ist denn der Song überhaupt? Bist du mit dem Inhalt einverstanden?
Nein, eigentlich nicht. Klar ist es abhängig vom Studiengang, aber dass man an der ETH richtig viel arbeiten und sich Mühe geben muss, kommt im Song nicht zur Geltung. Es wird nur eine Seite der Geschichte gezeigt. Man muss sich genauso wie alle anderen anstrengen, um nach dem Studium einen guten Job zu kriegen.
Was würdest du denn in einem Werbesong für die ETH besingen?
Ich würde viel mehr Aufmerksamkeit auf die Phasen und Prozesse legen, die man als Studi an der ETH durchlebt. Von der Überforderung bis zur Begeisterung. Ich würde versuchen, fünf Jahre Studium in einen selbst-reflektiven drei-Minuten-Song zu quetschen.
Michelle, 22 und Gini, 23, studieren Umweltnaturwissenschaften
Noisey: Hey ihr beiden, was haltet ihr von HipHop?
Gini: Ich höre mega selten HipHop, aber wenn, dann vor allem Deutschrap und Eminem.
Michelle: Nicht viel, ich fühle vor allem Trap. Yung Hurn und so. Aber ich würde niemals aktiv nach HipHop-Artists suchen.
Hätte also besser Yung Hurn einen Werbesong für die ETH machen sollen?
Gini: Ich finde, es hätten ETH-Studierende machen sollen. Es gibt ja auch viele Bands und Musikerinnen und Musiker hier.
Michelle: Ja, finde ich auch. Das gibt dem Ganzen eine andere Perspektive. Ich finde es überhaupt voll unnötig, jemanden dafür zu bezahlen. Wenn, dann selbst machen. Von Studis für Studis.
Findet ihr den Song und das Video passend?
Michelle: Naja, das Video sollte wohl ausländische Master-Bewerbende ansprechen. Sie stellten einfach einen Streber, einen coolen Schwarzen Rapper und eine Frau vor die Kamera. Man sieht, dass sie auf Diversität abzielen wollten. Aber der ETH ist Diversität eigentlich scheissegal.
Gini: Ja, finde ich auch. Grundsätzlich ist es ja cool, für Bildung zu werben. Ich finde die ganze Idee aber völlig übertrieben. “Trying too hard”, um die Schule cooler zu machen als sie ist. Ich fühle mich nicht angesprochen, wenn sie da von Einstein reden. Da zweifelt man doch eher an seinen Kompetenzen, wenn man sich mit einem Genie vergleicht.
Was würde euch denn ansprechen?
Gini: Die ETH hat ja eh schon den Ruf, super arrogant zu sein. Dieser Ruf wurde im Video jetzt nur noch stärker hervorgehoben. Ich würde es anders angehen: nicht das “wir sind besser als alle anderen” behandeln, sondern dass hier alle etwas Spannendes zum Studieren finden. Man muss sich ja mit einem solchen Spot identifizieren können.
Michelle: Ich finde es wichtig, alle Studiengänge zu repräsentieren. Der einfachste Weg hierbei ist natürlich, auf Klischees einzugehen. Ich würde über die Studierenden rappen und diese irgendwie portraitieren. Das kann man ja auch witzig machen.
Valentin, 20, studiert Rechnergestützte Wissenschaften
Noisey: Hey Valentin, welche Musik hörst du am liebsten?
Valentin: Ich höre kaum Musik. Ist nicht so mein Ding. Vom ETH-Video hab ich nur erfahren, weil es rumgeschickt wurde – ich selbst würde sowas nie hören.
Würdest du sagen, das Video war ein Flopp?
Naja, sie haben ihr Ziel ja eigentlich erreicht: Die Leute hier reagieren darauf. Ich sehe einfach keinen Zusammenhang zwischen HipHop und der ETH.
Bist du mit dem Inhalt des Songs einverstanden?
Nicht wirklich. Ich finde die Idee witzig, aber auch ein bisschen dumm. Meine Freunde fanden es alle ziemlich lustig. Der Inhalt ist ja so dermassen überspitzt, dass sofort klar wird, dass es ein Witz ist.
Über was würdest du in einem ETH-Werbesong singen?
Prüfungsstress! Nein, schon klar, dass das nicht zieht. Die ETH ist ja eine der besten Universitäten der Welt. Deswegen verstehe ich nicht ganz, warum sie einen Werbesong überhaupt nötig hat. Aber würde ich einen Song machen, wäre das so epische Musik mit einem Chor. Und die Studierenden stehen in ihrem Abschluss-Gewand auf der Treppe und singen! Das wäre ziemlich geil.
Adrian, 21, und Jason, 24, studieren Elektrotechnik
Noisey: Hey Adrian und Jason, hört ihr gerne Rap?
Adrian: Klar. Ich finde den Clip von der Musik her auch ziemlich cool, aber ich sehe absolut keinen Zusammenhang zwischen Musik und der ETH.
Jason: Ich finde die Musik cheesy as fuck. Ich meine, die Idee ist ja schon cool, aber es macht einfach null Sinn. Rap und der durchschnittliche ETH-Studi haben nichts miteinander zu tun.
Also lieber gar keine Musik für einen ETH-Film?
Adrian: Genau.
Jason: Naja, ich finde, die Musik hätte vielleicht eher im Hintergrund sein sollen. Ich weiss nicht genau, wer da angesprochen werden soll.
Seid ihr mit dem Inhalt einverstanden?
Jason: Was mich vor allem aufregt, sind die Kosten, die hinter einem solchen Projekt stecken. Vor Kurzem wurden die Semestergebühren erhöht. Ich hab sogar ein öffentliches Schreiben an die Pinnwand gehängt. Schau mal, da:
Das ist nicht OK. Aber jetzt mal zum Inhalt: Ich finde nicht, dass der Realitätsbezug ein Kritikpunkt ist. Es ist ja einfach PR, da ist nie alles 100 Prozent authentisch. Im Video steht aber Diversität im Vordergrund, während das Thema hier nicht ganz so dominant ist.
Adrian: Ich verstehe die Botschaft dahinter nicht. Das Video hat sein Ziel komplett verfehlt! Und ausserdem sieht es aus, als wäre es von diesem Video kopiert, wo der Typ genauso mit dem Horizont verfliesst.
Wie hättet ihr es denn gemacht?
Adrian: Viel seriöser. Ich meine, die tanzen auf dem Pult der Rektorin. Was soll das?! Und vor allem: Wie hat man ihr diese Idee bloss verkauft? Das ist doch einfach peinlich.
Jason: Ich hätte es so wie beim Polybahn-Pitch der ETH gemacht. Da hat man 100 Sekunden Zeit, seine Idee, Schule, Firma und so weiter zu verkaufen. So lange dauert eine Fahrt nach oben. Diese Pitches haben eine coole Balance zwischen Ehrlichkeit und Unterhaltung.
Sophie, 22, hat Umweltnaturwissenschaften studiert
Noisey: Hey Sophie, hörst du gerne Rap?
Sophie: Ich bin nicht gerade Fan. Manchmal höre ich etwas Deutschrap, wie Cro oder Blumentopf. Aber wirklich nur selten.
Wer hätte den ETH-Song deiner Meinung nach machen sollen?
Definitiv ein Schweizer Künstler oder eine Schweizer Künstlerin. Ich finde Englisch hier nicht besonders authentisch. HipHop passt als Genre aber schon, weil man mit der Sprache spielen und ziemlich viel in einen Text packen kann.
Ist es hier denn wirklich so, wie im Text beschrieben?
Überhaupt nicht. Ich finde das Lied und das Video ehrlich gesagt ein bisschen doof. Alle blödeln nur rum und es wirkt so “Schule macht Spass”-mässig. Zumindest ich habe das hier so nie erlebt. Im Video erzählen sie nur darüber, wie dich alle wollen, wenn du hier fertig studiert hast. Das mag für einige Studiengänge zutreffen, aber lange nicht für alle. Sie wollten wohl dem Eindruck entgegenwirken, dass man hier einfach immer lernen muss.
Was würdest du in einem Song über die ETH denn hervorheben?
Ich fände es witzig, sich ein bisschen über die Klischees der Schule lustig zu machen. Und ich mag, dass an der ETH generell ein starker Gruppenzusammenhalt zu spüren ist. Man arbeitet oft in Gruppen an Projekten und das Campus-Feeling ist mega stark. Und natürlich sollten alle Studiengänge vertreten sein. Nicht so wie im Video, wo es gerade mal drei sind.
Silvia, 25, Umweltnaturwissenschaften
Noisey: Silvia, hörst du gerne Rap?
Silvia: Ich tanze HipHop, also: Ja. Aber lieber Oldschool-HipHop als die neuen Dinge.
Wer hätte deiner Meinung nach den Song machen sollen?
Auf jeden Fall jemand von der ETH. Und einige Schweizerdeutsche Passagen wären auch nice gewesen. Vielleicht hätte ja auch die Rektorin einige Lines mitrappen können?
Was hältst du vom Track?
Ich finde, er verfälscht das Bild der Hochschule. Ausserdem ist das Video viel zu lange, nach zwei Minuten hatte ich keinen Bock mehr. Sie haben aber auch einige coole Sachen ins Video reingepackt, zum Beispiel die innovative und kreative Seite der ETH. Aber stehen einem nach dem Bachelor wirklich alle Türen offen? Das ist definitiv übertrieben.
Über was würdest du denn rappen?
Vor allem über die harte Arbeit. Über die Arbeitsprozesse der Studierenden und vor allem würde ich alle Facetten des Studiums mit einbeziehen. Mit der Message: “Du musst krampfen, aber es lohnt sich.”
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