Der Konflikt in Syrien hat sich weiter verschärft. Donald Trump hat vergangene Woche in der Nacht von Donnerstag auf Freitag den Angriff auf einen Luftwaffenstützpunkt angeordnet. Es ist das erste Mal seit Beginn des Syrienkrieges, dass die USA Regierungstruppen des Assad-Regimes direkt angegriffen haben. Der Angriff folgte auf einen Giftgasangriff in der Provinz Idlib. Dutzende Menschen kamen dabei ums Leben. Medienberichten zufolge wurde der Anschlag von der syrischen Regierung verübt.
Die USA senden damit aber nicht nur eine Botschaft an Assad. Der Angriff ist eine Provokation gegenüber Russland und Putin, der das Regime in Syrien unterstützt. Er kommt besonders überraschend, da Trump noch 2013 eifrig Präsident Obama kritisierte, als dieser versuchte, die Zustimmung des Kongress für eine militärische Intervention in Syrien zu erhalten. Trump führte die Attacke aus, ohne sie vom Kongress autorisieren zu lassen. Ausserdem bricht der Angriff mit Trumps “America First”-Strategie, die eigentlich keine Intervention in anderen Ländern vorsieht. Noch letzte Woche sagte Trump:
Videos by VICE
“I’m not – and I don’t want to be – the President of the world. I’m the President of the United States. And from now on, it’s going to be America First.”
Währenddessen leidet die syrische Bevölkerung weiter unter den kriegführenden Fraktionen. Viel wird nun berichtet über die USA, eine mögliche Koalition gegen Assad und Russlands Reaktion. Aber was denken die syrischen Bürger zu der Entwicklung? Wir haben uns mit Syrern in der Schweiz darüber unterhalten, was sie vom Angriff auf die Regierungstruppen halten und ob dieser überhaupt etwas am grossen Ganzen verändern kann.
Mohammed, 23
VICE: Die USA haben zum ersten Mal Regierungstruppen angegriffen und scheinen das Assad-Regime nun aktiver herauszufordern. Was denkst du darüber?
Mohammed: Ich finde den Angriff generell gut. Das hätte aber einfach schon viel früher passieren sollen. Die USA sind zu spät mit diesem Entscheid.
Lange haben die USA nicht offen militärisch eingegriffen. Warum meinst du, dass sie jetzt eingreifen?
Sie greifen jetzt ein, weil bei den jüngsten Ereignissen schon wieder zu viele Menschen ums Leben gekommen sind. Und weil man die Benutzung von Chemiewaffen schon zu lange ignoriert hat. Seitdem der Krieg ausgebrochen ist, verstösst man gegen die Menschenrechte und es ist höchste Zeit, dass jemand etwas dagegen unternimmt. Jetzt haben die USA eingegriffen, um das Massaker zu stoppen. Und um der Welt sagen zu können, dass sie sich beteiligt haben und versucht haben, etwas dagegen zu unternehmen.
Macht es für die Bevölkerung vor Ort einen Unterschied, wer sich am Krieg beteiligt?
Für die Menschen vor Ort wird der Einfluss davon, wer genau schiesst, vielleicht noch 10 oder 20 Prozent sein. Es gibt etwas Gutes an einem Angriff der USA: Baschar wird sicherlich nicht zurückschlagen, denn davor hat er Angst. Der Angriff schadet sowieso am meisten Russland.
Shadi, 31
VICE: Letzte Woche haben die USA haben zum ersten Mal Regierungstruppen direkt angegriffen. Was denkst du darüber?
Shadi: Ich glaube, dass die USA etwas unternehmen mussten. Trump musste zeigen, dass er anders als Obama ist. Denn nach acht Jahren von Obamas Strategie ist der Ruf der USA ernsthaft beschädigt. Die USA unter Obama haben Fehler gemacht: Der Rückzug aus dem Irak ohne einen Plan, was danach kommt. Das Nicht-Handeln nach der Annexion der Krim durch Russland. Die zunehmende Bedrohung durch Russland in Europa und zu gestatten, dass der Iran seine Einflusssphäre im Mittleren Osten ausbreiten konnte. All diese Fehler haben die US-Verbündeten enttäuscht und der ziemlich unerwartete Einzug von Donald Trump ins Weisse Haus war eine weitere Verunsicherung. Die Partner der USA haben darauf gewartet zu erfahren, wie Trump vorgehen wird.
Warum passiert der Eingriff genau jetzt?
Die Bilder vom Giftgasangriff in Syrien letze Woche waren eine Demütigung für die Menschlichkeit – oder für die Menschlichkeit, die wir nach diesem Krieg noch in uns tragen. Sie waren eine Beleidigung für die Menschenrechte und alle Werte, die wir schätzen. Aber es war bei weitem nicht das erste Mal, dass chemische Waffen in Syrien eingesetzt worden sind. Dieser Giftgasangriff war eine hervorragende Gelegenheit für Trump und die US-Regierung, das Vertrauen ihrer Verbündeten zurückzugewinnen.
Macht es für die Bevölkerung vor Ort einen Unterschied, wer sich am Krieg beteiligt?
In diesem Fall schon, denn die USA haben ja einen Militärflughafen angegriffen, von dem aus täglich Angriffe geflogen wurden. Das macht einen Unterschied für die Sicherheit der Bevölkerung, besonders wenn man bedenkt, wie zentral dieser Militärflughafen gelegen ist.
Aber seien wir ehrlich: Es gibt noch mehr Flughäfen die Angriffe fliegen können. Besonders jene, die von den Russen kontrolliert werden [Russland hat Truppen auf Luftstützpunkten in Syrien stationiert]. Trotzdem tut es mir als Syrer weh, wenn jemand einen Flughafen in Syrien angreift. Aber es ist, als ob man eine Hand amputieren müsste, um dafür das Leben des Patienten zu retten. Das ist ein akzeptabler Preis.
Sarah
Wollte anonym bleiben, Name geändert
VICE: Was meinst du zum Angriff durch die USA?
Sarah: Ich war so überrascht, als ich die Nachrichten las. Ich konnte es nicht glauben und musste es mehrmals lesen. Es war nicht das erste Mal, dass Assad chemische Waffen eingesetzt hat. Aber es war das erste Mal, dass amerikanische Raketen Assads Regime getroffen haben! Ich habe gemischte Gefühle gegenüber dieser Sache. Einerseits hat es einen Militärstützpunkt von Assad getroffen, von dem aus wer weiss wie viele Menschen getötet wurden. Andererseits hat Trump den Befehl dazu gegeben mit seiner impulsiven Art Entscheidungen zu treffen! Wie kann man da überhaupt ein gutes Gefühl haben!
Die USA hat lange Zeit nicht militärisch eingegriffen. Warum wohl genau jetzt?
Ich glaube, sie wollten Assad nur eine Lektion erteilen. Sie haben ihm nur gezeigt, wo die Grenze seiner Freiheit liegt, sein Volk zu töten. Es war nur eine Botschaft, die sagte: “Wir beobachten dich.”
Macht es für die Bevölkerung vor Ort einen Unterschied, wer sich am Krieg beteiligt?
Nein, ich glaube, es es spielt keine Rolle. Nach sechs Jahren Krieg haben die Leute die Hoffnung verloren, dass die USA ihnen helfen werden. Ich hoffe auch, dass die syrische Bevölkerung sich bewusst ist, dass nicht jeder, der gegen Assad kämpft, ein Freund ist! Der Feind deines Feindes ist nicht dein Freund!
Malek, 24
VICE: Was denkst du über den Angriff der USA?
Malek: Ich glaube, einerseits war es gut und andererseits nicht genug. Das Volk wird seit sechs Jahren getötet, die USA hätten etwas Drastisches unternehmen müssen. Sie haben zwar Waffen und Geld investiert, aber nicht selbst gekämpft. Trump hat nur vom Giftgasangriff gesprochen und darum etwas getan. Dann sendet er doch die Nachricht: Giftgas geht zu weit, aber sonst macht, was ihr wollt.
Hat dich die Nachricht überrascht?
Ja, klar habe ich mich darüber gewundert, als ich die Nachrichten geschaut habe. Vor dem Angriff habe ich mit meinem Vater gesprochen und er hat mir gesagt, dass die USA etwas unternehmen wollen. Ich habe ihm geantwortet, dass Trump zwar verrückt ist, aber nicht so sehr.
Warum denkst du, sind die USA genau jetzt gegen Assads Truppen eingeschritten?
Es war einfach eine Botschaft an den Iran und Russland. Amerika wollte klar machen, dass sie auch da sind. Weisst du, 2013 wurde ein Giftgasanschlag in der Nähe von Damaskus verübt [Im August 2013 wurde östlich von Damaskus Chemiewaffen eingesetzt]. Damals haben wir nicht gesehen, dass die USA bombardieren, weil sie kein Interesse daran hatten. Ich glaube, jetzt haben sie ein Interesse.
Was denkst du sollte passieren, um dem Konflikt in Syrien langfristig und nachhaltig weiterzuhelfen?
Es ist mega schwierig eine Lösung zu finden, weil der Konflikt schon so lange dauert. Ich habe keine Ahnung, was helfen könnte.
VICE auf Facebook.