Die Kleinstadt Azaz, rund 10 Meilen nordwestlich von Aleppo gelegen, hat einiges von der Zerstörungswut des anhaltenden syrischen Bürgerkriegs abbekommen. Bevor es im März 2012 in die Hände der Rebellen fiel, wurde es wegen seiner strategisch wichtigen Position nah an der türkischen Grenze von der Syrischen Armee besetzt. Die Übernahme der Rebellen führte im Juli 2012 zum Gegenanschlag und weiteren unregelmäßigem Beschuss der Stadt durch die Regierung, was seinen Tribut von der Bevölkerung und dem Stadtbild gefordert hat.
Graffiti auf zerbröselnden Wänden und Fassaden—deren Großteil sich eher auf Gefühl als Ästhetik konzentrieren—reflektieren die Erfahrung der Stadt mit dem Konflikt und den größeren geopolitischen Diskurs, der sich um den syrischen Bürgerkrieg dreht.
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Religiöse Phrasen, die um göttliche Hilfe bei der Befreiung von Azaz bitten und das mit Schablonen gesprühte „Allahu Akbar“ (Gott ist groß.)—von einer Kalaschnikow halbiert—tauchen neben Anklagen gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und sein Kabinett auf, die sie als kriecherische iranische Agenten bezeichnen. Daneben Slogans, die die libanesische Hisbollah, Alliierte des syrischen Regimes, als die „Partei des Satans“ (Hizb u-Shatan), bezeichnen. Es gibt auch visuellere Graffitis: verunstaltete Bilder des ehemaligen Ministerpräsidenten der Baath-Partie oder Tributen an gefallene Märtyrer. Andere Tags stellen die Hoffnung auf eine bessere Zukunft dar.
Die Graffitis finden sich vor allem an früheren Regierungs- und Militärgebäuden, und besonders an Orten der Zerstörung, wie zum Beispiel die zerstörte Hauptmoschee in Azaz und momentan einige ausgebrannte syrische Armeepanzer behaust.
Es gibt auch Slogans, die für das Regime sind, offenbar Regierungstruppen, während ihres Rückzuges. Es gibt auch einige Sprühnachrichten, die sich gegen Korruption und Diebstahl richten. Ein Tag sticht besonders hervor, der neben eine alte Olivenölfabrik in der Nähe des armenischen Viertels gesprüht wurde: „Wir wollen Brot, (du) Dieb!“ Es ist ein schmerzliches Gefühl, sogar noch schmerzlicher, wenn man die mehr und mehr werdenden Vorwürfe der Korruption und Veruntreuung der Mittel von Hilfsorganisationen bei bestimmten Brigaden der Freien Syrischen Armee bedenkt.
Eine weitere Eigenart der Tagging-Kultur in Azaz—aber sehr viel verbreiteter an den „Fronten“ der Konfliktzone in Aleppo selbst—ist die Allgegenwart von brigade-spezifischen Tags, die das „Eigentum“ oder zumindest die Anwesenheit von den jeweiligen oppositionellen Brigaden in verschiedenen Stadtteilen markieren soll.
Zwischen den stark politischen und konflikt-gesteuerten Phrasen findet man manchmal alltäglichere Dinge, zum Beispiel Oden an einen argentinischen Fußballspieler und seinen katalanischen Club oder Bilder eines bekannten amerikanischen Exports…Spongebob Schwammkopf.