Das Selfie ist in dieser Zeit des ausklingenden Kapitalismus kein überraschendes Phänomen. Seit wir aus dem Teich gekrochen sind und unsere Flossen zu Beinen wurden oder Gott uns zusammengetackert hat oder was auch immer, waren wir Menschen narzisstische kleine Arschlöcher. Das Selfie bildet unsere Sehnsucht nach Selbstbeweihräucherung ab und den Wunsch danach, dass sie in Bewunderung durch andere kulminiert. Es zeigt via Instagram, wonach die Menschheit sich sehnt: Alles was wir wollen, ist, dass Fremde uns für schön halten.
Irgendwo da draußen sitzt ein Medienwissenschaftler und macht bunte Grafiken dazu, wie Scheiße das ist. Aber nein, es ist eine gute Sache! Na gut, Selfies haben vielleicht einen negativen Einfluss auf unsere kognitiven Fähigkeiten und unsere Selbstwahrnehmung, und erst recht auf die Wahrnehmung von anderen Leuten. Vielleicht ist aus uns eine Generation infantiler Lappen geworden, die sich nicht wie vernünftige Erwachsene auch mal zurücklehnen kann. Aber schlägt nicht unser aller Herz schneller, wenn die Instagram-Likes durch die Decke gehen? Ist es nicht Wahnsinn, wenn du siehst, dass sogar reiche und berühmte Leute mit Privatfliegern und Platin-Kreditkarten Spaß daran haben, sehr knapp an der Kamera vorbeizuschauen, damit es cooler wirkt, so wie du und ich? Na klar! Das ist unser Leben.
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DJs sind auch Menschen und deshalb ist es keine Überraschung, dass sie sich auch gerne selbst fotografieren. Ich habe Stunden damit verbracht, mich durch die Twitter-Accounts der bekanntesten Elektro-Musiker zu wühlen und Bilder zu suchen, die sie bei der Autofotografie zeigen. Hier kannst du sehen, was du tun musst, wenn du als DJ schnell über die 300er Like-Marke rutschen willst—und was du besser nicht tun solltest.
DO: HOL DEINE BERÜHMTEN DJ-FREUNDE DAZU
Was ist besser als ein leicht verschwommenes Foto eines DJs? Richtig, das gleiche Foto, aber mit zwei DJs drauf.
Wenn du eine Seite abdeckst, hast du entweder einen konfusen und schwächlichen Kenny Dixon Jr. aka Moodyman, der so aussieht, als müsse er gerade scharf nachdenken und jeden einzelnen Schritt zurückverfolgen um festzustellen, ob die Herdplatte jetzt wirklich ausgeschaltet ist—oder du siehst Nina Kraviz, die aussieht wie eine schüchterne Austauschschülerin. Wenn du das Bild als ganzes betrachtest, hast du ein wunderschönes Foto von zwei großartigen DJs und Produzenten.
Hier tut es Nina schon wieder:
Der glatzköpfige Techno-Opa Sven Väth zeigt uns den Look des Jahres: eine verschwitzter Computer-Administrator der im Serverraum des Watergate aus versehen eine MDMA-Lösung getrunken hat und hysterisch auf die Tanzfläche gesprungen ist, um über das DJ-Pult direkt in die Arme von Nina Kraviz zu fallen, die ihn für den Rest des Abends adoptiert hat. Guuude Laaaune, Sven.
DON’T: DIPLO SEIN
Diplos Leben ist ohne Frage unglaublich. Er fliegt um die Welt, er kollaboriert mit unglaublich talentierten Künstlern. Seine Mixes auf BBC Radio1 blasen dir die Ohren weg, Warum wirkt er so mitleidserregend auf seinen Selfies?
DON’T: SELFIES MIT KAY ONE
DJ Bobo ist nicht der deepste Underground-DJ unserer Techno-Familie, aber das Bild hier unten hat er nicht verdient. Kay One, dieser Typ! Jeder verschissene B-Promi, den Kay One bei seinem täglichen Hallo-Deutschland-Leute-Heute-Brisant-Exklusiv-Fernsehmarathon irgendwann mal gesehen hat, wird vor sein armseliges Handy gezerrt und bevor das Opfer (also das andere) weiß was da überhaupt passiert, ist das Bild schon im Kasten. Wenn du also DJ bist und Ex-Bushido-Zögling Kay One zufällig in deiner Stadt vorbeischauen will, mach am besten Urlaub, ganz weit weg. Dieses Bild hier unten soll dir eine Warnung sein:
Nicht einmal Bobos montröses Brillenteil kann seine verzweifelten Augen verstecken, sein Blick will uns sagen: „Leute, ich habe hier nur auf meinen Flieger gewartet, ich kenne den Typ nicht mal. Wenn es wenigstens ein Groupie wäre oder so. Ich hasse diese Situation, aber ich muss jetzt lächeln, weil sonst der Mann mit dem lustigen Spruch auf der Mütze enttäuscht ist und noch ein Foto machen will. Dann werde ich den gar nicht los.” Also: Vermeide Kay One.
DO: SEI WIE MOVE D
Move D ist ein wunderbarer Mensch, er macht wunderbare Platten und seine DJ-Sets sind … wunderbar. Zum Glück ist er außerdem ungefähr der beste Selfie-Knipser da draußen. Move D steckt sein Herz und seine Seele in jedes kleine rotweingeschwängerte Bild mit seinem Gesicht drauf. Ein Meister des richtigen Winkels, ein wirklicher Held des Festivalselfies. Ich bin mir ziemlich sicher, dass DJing ein schöner Job ist und Move D ist einer der wenigen Leute, die auch wirklich so aussehen, als hätten sie Spaß daran.
Schau ihn dir einfach mal an:
Dieses Bild beweist einmal mehr, dass das Doppel-DJ-Selfie uns in eine Stimmung aus Sandstrand und eisgekühlten Drinks versetzt. Das Lächeln von Ricardo berührt uns merkwürdig. Er scheint an diesem Tag schlimme Sachen durchgemacht zu haben und das Lachen wirkt deshalb etwas unnatürlich—erst recht, wenn man sich das Dauergrinsen von Mr. D neben ihm ansieht.
DON’T: EINE SCHEISSLOCATION AUSWÄHLEN
Dies ist Hardwell. Hardwell wurde zum DJ des Jahres vom DJ MAG gewählt. Hardwell spielt Dancemusik für riesige Menschenmassen. Hardwell hat in diesem Jahr über 10 Millionen Euro verdient. Warum macht Hardwell ein Selfie in der Toilette seines Studentenwohnheims?
DO: NASCHEN WIE RICHIE HAWTIN
Das hier ist der menschgewordene Minimal Techno, Hawtin hält den Weltrekord der meisten beschissenen Frisuren, die eine einzige Kopfhaut produzieren konnte. Dieses Bild hat alles, was ein Selfie braucht. Das komplett schwarze Outfit, dazwischen das Gesicht, in dem wir nichts als unbändigen Genuss sehen. Das ist es doch, was wir bei unseren Helden sehen wollen: Alles ist wie bei uns, nur ein bisschen besser. Hier beißt Hawtin genüsslich in ein Toast mit frischem Trüffel, als würde er das jeden Tag machen. Ein Foto von mir, der ich morgens in mein Toastbrot mit Nutella auf leicht ranziger Halbfettmagarine beiße, würde wahrscheinlich nicht den selben Effekt haben.
Richie nochmal, diesmal mit ein bisschen Hummer in der Hand neben einem gutherzigen Typen, der aber auch der Handlanger eines James-Bond-Gegners sein könnte (die, die immer sofort sterben) und einem bescheidenen Bill Callahan. Ihr seht gut aus, Freunde.
DON’T: SELFIE-KOMPOSITIONEN WIEDERHOLEN
Jetzt, da der Selfie der vorherrschende Modus der Partyfotografie geworden ist, wirst du wahrscheinlich auf weniger Fotos bei Facebook getaggt als das früher der Fall war. Diese perfekte Pose, die du über Jahre hinweg einstudiert und weiterentwickelt hast, sobald jemand mit seiner DSLR-Kamera vorbeigekommen ist, diese Pose ist für immer nutzlos und verloren. Wir mussten den schmerzhaften Übergang zu der Pose finden, die perfekt ist, wenn wir den Auslöser selbst drücken müssen. Wie bei den meisten anderen Dingen müssen wir uns damit anfreunden, dass jeder Selfie erst einmal eine Fahrt ins Ungewisse ist, dass wir keine Ahnung haben, wie die Leute darauf reagieren werden.
Hier unten sehen wir den ehemaligen Dubstepproduzenten Skream. Jetzt macht er House und ist beim Friseur. Neulich habe ich ihn bei einem leckeren Red Bull an der Bar getroffen und muss sagen, der Haarschnitt ist wirklich gut geworden. Das Haar von Skream ist wirklich schön, jeder Zentimeter spiegelt vollendete Schönheit und Präzision wider—es ist ein Kunstwerk. Ich kann verstehen, dass er sehr stolz darauf ist und die ganze Welt es wissen soll. Was ich nicht verstehe: Warum musste er exakt den gleichen Haarschnitt auch noch in zwei weiteren, noch langweiligeren Fotos zeigen?
DO: VERWENDE SO VIEL TECHNIK, WIE DU KANNST
Alter, das Zeitalter des Meta-Selfies ist eingeläutet. Nimm nur die unterschiedlichen Realitätsebenen, die in dieser Matrix zu finden sind. Dieses Selfie zu verstehen, bereitet mir ungefähr so viele Probleme wie damals die Heidegger-Vorlesung an der Uni. Sehen wir da gerade auf ein Foto von Tiësto, der mit jemandem in einer Skype-Konferenz sitzt und davon ein Foto macht, während Tiësto ein Foto von dem Skype-Anruf macht? So muss das laufen. Jeder kann aufstehen, seine Fresse in die Kamera halten und auf den Auslöser tippen. Das imponiert niemandem, das kann meine Oma. Aber können sie auch dieses verschwurbelte Metading hier? Ich glaube nicht.
DON’T: WEBCAM-EFFEKTE AUSPROBIEREN
Es ist mir egal, ob du Calvin Harris bist oder und in Vegas auflegst und Millionen von Euros Gage bekommst—lass die Finger von den Photo-Booth-Effekten, sonst siehst du aus wie ein gelangweilter Teenager in seinem Kinderzimmer, der sich nach ein paar Likes sehnt.
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