Sex

This Meta Moment: Stoppt den Sexwahnsinn!

Manche Leute unterstellen mir, dass diese Kolumne einen anderen Menschen aus mir gemacht hat, so wie die Geheimagenten aus Ernst Strasser. Für sie ist der Wrong Boner nichts als Quoten-Exhibitionismus und Chauvi-Scheiß; ein sinnloser Endlosreigen mit Ständer-Zeigen, bei dem sich sprichwörtlich nicht nur die Katze, sondern auch der (sehr, sehr) spätpubertierende Schreiber in den eigenen Schwanz beißt — der übrigens selbst dann noch einen blöden Peniswitz anbringen muss, wenn ihm längst die Eichel von den eigenen Zahnabdrücken wehtut. Dieselben Leute sind es in der Regel auch, die Verschwörungstheorien über die Facebook-Privatsphäreeinstellungen und Meinungen zum Privatleben von Promis haben. Es sind diejenigen, die auch anhand einer neuen Freitag-Tasche wissen, dass man zum Snob geworden ist und, wenn wir schon mal dabei sind, die über VICE genauso wutbürgern wie über die Kronen Zeitung (nicht selten aus denselben Gründen und meistens, ohne mehr als eine auf Facebook geteilte Schlagzeile gelesen zu haben). Kurz gesagt, ihnen reicht ein kleiner Teil für das Ganze: Sie extrapolieren von drei Pixeln auf ein ganzes verdammtes Panoramafoto der Sixtinischen Kapelle.

“Ist das wirklich das, was du immer machen wolltest?” fragte mich eine Freundin. “Ich meine, dieses oberflächliche Schreiben über Ständer und Sex? Wolltest du wirklich, dass dein Name in der Öffentlichkeit irgendwann mit sowas verbunden wird?” legte sie (vielleicht ein bisschen rhetorisch) nach. “So warst du doch früher gar nicht!” Ich überlegte kurz, was sie wohl damit meinte, aber der Alkohol schlug Blasen in meiner Blutbahn und engte neben meiner Sicht auch meine Gedanken auf einen Punkt ein, bis alles, was ich im Kopf hatte, war: Niemand wird dir dein Gegenplädoyer abnehmen, solange du diesen Pulli mit der Aufschrift ANAL trägst. Wobei das mehr die nachträgliche Ausführung des Gedanken ist, der damals eigentlich nur Halt dir die Scheißhände vor die Brust! lautete.

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Kein Wunder also, dass ich keine Ahnung hatte, was meine Freundin meinte. Das einzige, das mich “in der Öffentlichkeit damit verbindet”, ist immerhin die intensive Google-Suche nach meinem Namen — und auch dann nur, wenn man sich wirklich Mühe gibt und über die Ergebnisse aller Pornostars mit gleichem Vornamen und die populären Search-Hits dieses anderen Markus Lusts hinwegsieht, der scheinbar sehr gerne Frisbee spielt. Blöd und pubertär war ich außerdem schon immer. Es gab Zeiten, da war ich in meinem Freundeskreis vor allem für mein lautes Rülpsen bekannt und bereits Jahre davor wussten alle, dass ich ihnen jede Zweideutigkeit zu ihren Ungunsten auslegen würde, wie ein Anwalt für Peniswitze und Perverse.

Ich hatte besagte Freundin in den letzten drei Monaten auch nur genau dieses eine Mal getroffen. In den drei Monaten davor hatten wir uns ebenfalls nur einmal über den Tisch hinweg unterhalten. In den drei Monaten davor kein einziges Mal. Vielleicht sollte ich dazusagen, dass es sich bei besagter Freundin um eine Ex-Freundin handelt und sie nicht nur meinen angeblichen Persönlichkeitswandel anhand genau eines Pulli-Prints und ebenso vieler Facebook-Postings erkannte — nein, sie wusste auch, dass ich eigentlich ganz anders war, womit dann wohl nicht nur das letzte Jahr, sondern gleich die letzten zwanzig Jahre ein einziger Selbstbetrug gewesen sein dürften. Und warum eigentlich nicht? dachte ich.

Vielleicht war ich nur ein Asexueller mit Hormonproblemen, gefangen im Körper eines dopaminsüchtigen Kindes, und alles, was ich brauchte, um zu meinem wahren Selbst zurückzufinden, war eine radikale Schocktherapie mit Orgasmus- und vor allem Wrong Boner-Entzug. Angeblich gibt es ja eine Menge dieser Antisex-Menschen, die beinhart niemals hart werden und ihr Leben lang eine Lüge gelebt haben. Oder eben irgendwann dahintergekommen sind, was tatsächlich Sache ist und seither endlich von ihrem gestörten Verhältnis zu sich selbst geheilt in den spermafreien Sonnenuntergang hoppeln. Zu besagter Freundin sagte ich sowas wie “Ich war doch schon immer der, der den Katzen in den Arsch schaut”, aber insgeheim hatte ich längst beschlossen, mich näher mit meinem Vorhaben zu beschäftigen, das vielleicht sowas wie ein Jahrsvorsatz für 2013 werden könnte: Die Umerziehung zum Nichtmehrwichser.

Wer sich in seinem Leben jemals ernsthaft die Frage gestellt hat, ob es nicht vielleicht Vorteile mit sich brächte, wenn man nicht in jeder Sekunde, die man alleine vor einem Gerät mit Internetanschluss sitzt, gleich daran denken müsste, aus seinem Penis Feuerholz oder seiner Vagina einen Scheiterhaufen zu machen, der wird früher oder später auf den Coolidge-Effekt stoßen. Nicht, weil er die Lösung ist, sondern weil er das Problem aufzeigt. Und wie bei jedem Thema ist es auch hier die Wissenschaft, die einem weit mehr als jede prüde Politpropaganda das Knochenmark zum Stocken bringt. Wenn der Coolidge-Effekt nämlich auch nur irgendwie die menschliche Realität abbildet, sind wir am Arsch. Und Schuld sind — eigentlich auch wie immer — unser zurückgebliebenes Gehirn und Internetpornos.

Zu weit ins Biologiestudium will ich hier auch gar nicht abdriften, vielleicht nur so viel: Der Coolidge-Effekt beschreibt, dass Ratten über die Zeit das Interesse an ihren Sexualpartnern verlieren und irgendwann nur noch dann richtig gut und zeitgerecht kommen können, wenn die Löcher sich abwechseln wie die Symbole bei einem Einarmigen Banditen. Das Prinzip ist zwar uralt, aber unsere Gehirne eben leider auch und dank der andauernden Evolutionsbelohnungsmaschine Internetporno erleben wir heute den Coolidge-Effekt mit Turboturbinen neu, hochgeschraut bis zum Anschlag. Für jeden neuen Partner, der uns auf den diversen Porntubes und Youporns gut gefällt, belohnt uns unser dummes Hirn mit noch einem Orgasmus-Hundekuchen.

Schließlich gäbe es keinen Grund für Evolution, wenn diese keinen Spaß machen würde und dass wir unsere Flüssigkeiten sowieso nur wieder aufs Dekadenteste in die nächste Socke verschwenden, hat unser Dopamin-Lieferant hinter den übermächtigen Augen einfach noch nicht verstanden. Vielleicht ist das in weiteren 100.000 Jahren anders. Dann wird uns vielleicht auch nicht mehr mulmig, wenn wir auf der Kinoleinwand einer Kamera beim Achterbahnfahren zuschauen, weil das Prinzip von induzierter Bewegung genauso ein Relikt aus jener Zeit sind, als die Aussage “Wenn sich alles rund um dich bewegt, fällst du wahrscheinlich gerade einen Berg hinunter und wirst gleich sterben, du dummes Arschloch” noch in 100 Prozent der Fällen zutreffend war.

Bis es soweit ist, wird uns aber nichts anderes übrigbleiben, als uns hin und wieder auf die Finger zu klopfen, wenn diese wieder mal wie von selbst den nächsten Schuss für uns vorbereiten. Es sei denn, wir wollen in zehn Jahren auf dem zerfressenen Zahnfleisch daherkriechen und jede Chance auf Glück den abgestumpften Dopaminrezeptoren opfern, die bei jeder noch so geilen Schnitte früher oder später nur noch “Meh” säuseln. Das heißt nicht, dass ein gutbürgerlicher Dopaminhaushalt die Pforte zum ultimativen Glück ist. Es heißt nur, dass er diese Pforte zumindest nicht gleich mit NATO-Draht und Frontex-Soldaten abriegelt. Also immer vorausgesetzt, die Erkenntnisse aus der Welt der Ratten lassen sich so auch auf die von uns Menschen übertragen, obwohl der Hauptunterschied zwischen den beiden Spezies wohl ist, dass Ratten ihre Jungen auch ohne Internetpornos nicht gemeinsam aufziehen (und dass Ratten nicht so jemanden wie Honey Boo Boo haben, was in Sachen Nachwuchsplanung und ewige Treue vielleicht auch eine gewisse Rolle spielt).

Wie dem auch sei und was auch immer nun stimmen mag, ich möchte den heuten Wrong Boner jedenfalls nutzen, um in einem raren Meta-Moment die größte aller “Was wäre, wenn”-Karten auszuspielen und euch anstelle eines perversen Fap-Katalysators das nachfolgende Sachvideo an die Wichshand zu geben, das einen Freund von mir — nennen wir ihn Sebastian — dazu bewogen hat, mit seiner Wünschelrute volle zwei Wochen lang nicht nach virtuellen Wasseradern zu suchen:

Das Video hat noch drei weitere Teile, aber ich vertraue da ganz auf euer vernetzendes Denken und eure beim Schauen von Pornos erworbene Fähigkeit, im “stream of consciousness” zu bleiben und euch zu den übrigen Videos weiterzuschwingen, wenn ihr es denn wirklich stark genug wollen solltet. Solange es euch so wie Sebastian ein echtes Anliegen ist, bin ich mir sicher, ihr schafft das. Vor kurzem habe ich mich mit Sebastian übrigens ausgehend von The Girlfriend Experience (natürlich!) über Sasha Grey und schließlich auch über sein selbstauferlegtes Fap-Verbot unterhalten. “Wie geht es dir mit der Abstinenz?” fragte ich. “Abstinenz?” echote er zurück und musterte die Mädels, die rundherum durch den Partynebel wuselten. “Achso, ja. Das hab ich wieder aufgegeben.” Ich wollte wissen, warum und ob es wirklich noch so schwer wäre, wenn man zuvor schon zwei Wochen durchgehalten hatte — schließlich spielte ich selbst mit dem Gedanken, das einmal … “Naja, bei den zwei Wochen habe ich auch ein bisschen geschummelt”, unterbrach er mich. “Also, in dieser Zeit habe ich schon sehr viel seltener, aber nicht nie.” Alles klar. Wahrscheinlich war das als Schritt tatsächlich groß genug. Solange man es schafft, das Wichsen zumindest zurück ins Bewusstsein zu holen, hat man (fürs Erste) schon gewonnen. Alles andere wäre dann wohl doch nur Politik. Auch ich merke, dass mein Gehirn bereits wieder juckt. Wie von selbst haben die Finger sich auf die Suche gemacht und ein koreanisches Sexspielzeug für den nächsten Boner gefunden. Aber alles zu seiner Zeit. Bis dahin: Mahalo!


NO FAP, NO FUN:

Oh Tannenbaum, du schöne, stille Fetischhure! Ich wünschte, ich hätte einen richtigen Schwanz Die Fetische der Stars zum Notieren und Ausprobieren