Am 14. Januar erhielt die Polizei in der westrumänischen Stadt Arad eine Reihe von Anrufen mit der Information, dass Kinder unten an den Bahngleisen ein Känguru jagen würden. Ein Scherz, dachte man zuerst. Doch dann meldete sich auch die Bahnpolizei und bestätigte, dass es sich in der Tat um ein echtes Tier handle, und ja, sie hätten es eingefangen. Als die Polizei erschien, um das Känguru abzuholen, war es bereits tot, verendet durch Stress oder im Kofferraum des Bahnpolizeiwagens erstickt. Die Verantwortung für den Tod des Kängurus wollte niemand übernehmen. Die Polizei vor Ort erklärte, die Bahnpolizei in Arad sei für diese Angelegenheit zuständig, schließlich sei das Känguru in deren Kofferraum verendet. Doch die Bahnpolizei in Arad sagte mir, dafür seien die Bahnbeamten der Station Aradul Nou zuständig, da sie das Känguru ja gefangen hätten. Die Stationspolizisten von Aradul Nou rieten mir, mich an die örtliche Polizeidienststelle zu wenden. Als ich erläuterte, dass ich dort schon vorgesprochen hatte, meinten sie einfach: „Dann können wir dir auch nicht weiterhelfen. Schönen Tag.“ In wessen Zuständigkeitsbereich auch immer das Känguru nun verendet ist, die eigentliche Frage lautet: „Wie zum Henker ist es überhaupt nach Arad gekommen?“ Livia Cimpoeru, eine Sprecherin der Tierrechteorganisation Vier Pfoten, die sich wegen des Kängurus bei der örtlichen Polizei beschwert hat, erzählte mir, dass die hüpfenden Beuteltiere in letzter Zeit bei Händlern für exotische Tiere und Sammlern sehr begehrt seien. „In Rumänien tauchen immer mehr Kängurus auf“, berichtete sie. „Letztes Jahr habe ich selbst einen Fahrer verfolgt, der ein Känguru transportierte. Ein anderes Tier wurde an der Grenze zu Ungarn gesichtet. Zwei weitere Kängurus wurden von streunenden Hunden angegriffen und gefressen.“ Im letzten Jahr ist der Schwarzhandel mit Tieren in Rumänien stark angestiegen. Es gab einen denkwürdigen Fall, bei dem ein kompletter Zoo mit vier Löwen und zwei Bären im Hinterhof eines Mafiabosses entdeckt wurde. Normale Bürger dürfen weder Kängurus noch andere Wildtiere verkaufen. Doch die Rechtsprechung bei Schwarzhandel mit Tieren ist schwach. Die Strafe beläuft sich auf höchstens ein Jahr Gefängnis und 400 Euro Bußgeld wegen Tierquälerei. Das Problem sei, so Livia, dass den rumänischen Behörden der illegale Handel mit Tieren egal zu sein scheine. „Rumänien ist das Transitland für einen riesigen Tierschwarzhandelsring, der über Ungarn operiert“, sagte sie. „Die Grenzpolizei macht ihren Job nicht, und die Polizei vor Ort zuckt nur mit den Schultern. Sie wissen, dass sie die Tiere beschlagnahmen müssten, aber sie wissen nicht, was sie mit ihnen anstellen sollen. Sie müssten das Büro des Bürgermeisters kontaktieren, den örtlichen Zoo und Tierärzte. Also sagen sie sich: „Scheiß drauf, wir haben Wichtigeres zu tun.“