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Tot im Fahrstuhlschacht und Ehebett: 100 Jahre alte Tatortfotos aus New York

Leblose Augen, Blut und Kampfspuren. In den 1930er Jahren revolutionierte der Fotograf Arthur “Weegee” Fellig mit seinen schonungslosen Aufnahmen urbaner Tatorte den Fotojournalismus. Dabei dokumentierte er oft die Folgen schlimmer Gewaltverbrechen oder Unfälle, bevor die Polizei eintraf. Was damals jedoch nur wenige Menschen wussten: Die tatsächlichen Innovationen in Sachen Fotoreportage waren schon in den vorhergegangenen Jahrzehnten geschehen. Und das nicht in der Presse- oder Kunstfotografie, sondern durch Polizeifotografen.

150 schaurige Tatortbilder sind vor Kurzem bei der Renovierung eines Gebäudes aufgetaucht, in dem sich früher der Hauptsitz der New Yorker Polizei befand. Der deutsche Kameramann, Filmproduzent und Autor Wilfried Kautes hat sie zusammengestellt im Buch Wenn es Nacht wird – Verbrechen in New York 1910-1920. Es zeigt uns Verbrecherfotos, Presseausschnitte und Panoramaaufnahmen aus einer Metropole im Übergang – einem Übergang von Wohnblöcken zu Wolkenkratzern, von Kutschen zu Autos, vom Niedergang der Kneipen zum Anfang der Prohibition.

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Vor allem bleiben aber die Leichen im Gedächtnis. Im intimen Umfeld ihrer Wohnungen wirken sie manchmal wie Schaufensterpuppen, leblose Körper, hineingestellt in einen Alltag, der einfach weitergeht. Oft hat man auch den Eindruck, die Toten würden nur schlafen, wenn da nicht die verräterische Blutspur am Hals wäre.

Alle Fotos: Copyright 2016 Emons Verlag GmbH. US Edition, Thomas Dunne Books

Die meisten Mordopfer wurden zweimal fotografiert: zuerst im Profil und dann von oben. Gerade die zweiten Fotos sind das Highlight des Buches, denn sie erzählen die Geschichten der Toten. Und wenn die Bilder nicht alle Details verraten, dann die dazugehörigen Zeitungsartikel mit schrägen Überschriften wie “Police Hunt 300 Pound Female Who Robs Subway Riders” oder “Man Boasted of Being Jiu Jitsu Expert, It Is Said”.


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Warum wurde die Frau mit dem eleganten Hut in einem Hotel erwürgt, nachdem sie einen mysteriösen Anruf angenommen hatte? Wieso sind die zwei Einbrecher nach ihrem Raub fünf Stockwerke tief in einen Aufzugschacht gefallen? Fragen dieser Art stellt man sich beim Durchblättern des Buches zwangsläufig immer wieder.


Viele von Kautes visuellen Minigeschichten sind gleichzeitig Meilensteine in der Geschichte der städtischen Verbrechensbekämpfung – von der Herrschaft der irischen “Gopher Gang” bis hin zur aufsehenerregenden Suche nach der vermissten Teenagerin Henrietta Bulte.

Das wohl gruseligste Foto im ganzen Buch zeigt jedoch einen Totenschädel, dem mithilfe von Wachs wieder ein Gesicht gegeben wurde. Dieses Verfahren soll ermöglichen, dem unbekannten Toten eine Identität zuzuordnen. Aber auch die Fotos der vermissten Mädchen und der festgenommenen Safe-Knacker brennen sich im Gedächtnis ein. Einer der Tresor-Knacker hatte seiner Frau noch eine knappe Notiz hinterlassen: “Am in trouble. Goodbye.”

Der rote Faden, der sich durch alle Fotos zieht, ist der Tod. Wer das Buch liest, bekommt den Eindruck: Er lauerte damals anscheinend hinter jeder Ecke.

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