Totos “Africa” ist ein Epos, der ewig leben wird

Wenn Künstler und Musiker eine Sache wirklich anstreben, dann ist es die Unsterblichkeit. Etwas zu schaffen, das die eigene weltliche Existenz überdauert. 1992 starb Toto-Schlagzeuger Jeff Porcaro und auch wenn er sich mit mehreren herausragenden Werken seinen ewigen Platz in der Groove Hall of Fame gesichert hat (“Lowdown” von Boz Scaggs kann immer noch alles), ist sein Intro zu “Africa” wahrscheinlich immer noch die Hinterlassenschaft, die auch Jahrzehnte nach seinem Tod die meisten Gefühlsregungen provoziert.

In Deutschland hat es der Song nach seinem Erscheinen vielleicht nur auf Platz 14 der Single-Charts geschafft, dafür wusste man ihn in den USA um so mehr zu schätzen. Am 5. Februar 1983, also ziemlich genau vor 35 Jahren, landete der heutige Klassiker auf Platz eins der amerikanischen Billboard Charts. Seitdem sind Länder und Bewegungen entstanden und wieder erloschen, “Africa” aber ist geblieben. Warum?

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Nun, zuerst einmal hat “Africa” einen der besten Refrains aller Zeiten. Wirklich besonders macht ihn, dass er einer der wenigen Mainstream-Refrains ist, der keine richtige Hauptmelodie hat. Bobby Kimball beginnt mit diesem hohen Klagelaut, aber bewegt sich dann eigentlich die ganze Zeit auf der gleichen Note. Er liefert bloß die hohe Harmonie. Die restlichen Bandmitglieder füllen das Gesangsarrangement aus. Im Grunde hörst du also, wie ein großer Akkord subtil die Stimmen verändert.

“Africa” ist ein Karaoke-Klassiker, bei dem sich jede Stimme einen anderen Part nehmen könnte, ohne sich dessen tatsächlich bewusst zu sein. Die einzige andere Gruppe, die von sich behaupten kann, Pop-Refrains in komplexen mehrstimmigen Harmonien zu haben, ist Mumford & Sons. Wir werden diesen Artikel aber nicht von ihrem Namen beschmutzen lassen.


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Dann gibt es da noch die Tatsache, dass “Africa” ganze drei Tonarten umfasst: Cis-Moll für Intro und Bridge, H-Dur für die Strophen und A-Dur für den Refrain. Wahrscheinlich wollten Toto hier ein bisschen mit ihrem Kompositionstalent angeben, aber man kann auch nicht abstreiten, dass der Tonartwechsel zum Refrain jedes Mal wieder großartig ist.

Wann “Africa” genau zu dem allgegenwärtigen Meme wurde, das es heute ist, lässt sich kaum sagen. Eine erste größere Wiederbelebung erfuhr der Song 2007 durch ein Cover des libanesisch-kanadischen Sängers Karl Wolf. Allerdings dauerte es ganze zwei Jahre, bis seine Version in Kanada zum Hit wurde. Keine Ahnung also, ob er tatsächlich zur aktuellen Toto-Mania beigetragen hat. Falls du das Video noch nicht gesehen oder den Song gehört hast, solltest du das auf jeden Fall nachholen. Anschnallen nicht vergessen.

Um einiges wichtiger dürfte hingegen gewesen sein, dass Daniel Lopatin, aka Oneohtrix Point Never, “Africa” als Intro für sein unfassbar einflussreiches 2010er Tape Chuck Person’s Eccojams Vol. 1 verwendet hat. Mit seinen dystopisch-zerhackten und durch den Wolf gedrehten Edits von Softrock-Hits erschuf Lopatin damals quasi im Alleingang das ganze Vaporwave-Genre. Der Klang von David Paichs langgezogenen und sich unheimlich wiederholendem “hurry boy, she’s waiting there for you” ist wohl eins der monumentalsten Opening-Statements dieses musikalischen Jahrzehnts. Ja, wir lieben die Memes, aber bei Lopatin ist “Africa” eine von Nostalgie getragene Kritik der Konsumentenhölle einer nicht allzu fernen Zukunft.

Aber ja, die Memes sind wichtig. Toto-Gitarrist Steve Lukather sagt in Billboards ausführlichem “Africa”-Artikel: “Die Mellennials haben ‘Africa’ in ihr Herz geschlossen wie ‘Don’t Stop Believin’ oder irgendwelchen Scheiß. Mein ältester Sohn ist 30 und geht in Clubs und so. Er erzählt mir dann: ‘Pop, du wirst mir das nie glauben, aber der ganze Laden dreht total durch, wenn sie diesen Song spielen.’”

Vielleicht ist das einer der Gründe für die Langlebigkeit von “Africa”. Vielleicht ist es einfach ein Song, der ironisch als ein Relikt dieser typischen 80er Jahre Smoothness gefällt, gleichzeitig aber auch als ehrliches Pop-Epos. Selbst Lukather kann sich die Sache nicht wirklich erklären. Oder wie er in dem Billboard-Artikel sagt: “Wenn du mir sagen würdest, dass ich einen 50 Zentimeter Schwanz habe, würde ich dir das eher glauben als die Langlebigkeit von “Africa”. Ich meine, von allen Songs gerade dieser?”

Seit jenem Februartag 1983 ist Totos Song nie wieder an der Spitze irgendwelcher Charts gewesen, aber er bekommt immer noch Hunderte Millionen von Streams und ist die Nummer eins in unseren Herzen. Wie Kakerlaken nur viel besser wird “Africa” auch noch alle anderen Katastrophen überstehen, die die Menschheit heimsuchen werden.

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