Street Food ist meine Schwester und ich schütze ihre Ehre. Für MUNCHIES bin ich deswegen regelmäßig auf geheimer Mission in Berlin unterwegs, um genau die Spots ausfindig zu machen, die für kleines Geld perfektes Essen bieten. Unprätentiös, kostengünstig und schmackhaft—das wahre Street Food Berlins. Dieses Mal habe ich mich mit nüchternem Magen in einen echten Wurstrausch begeben und bin losgezogen, um mit dem hölzernen Pommespicker die kulinarische Currybudenszene der Touristenstadt aufzumischen. Eine Geschichte zur gelungenen Kombination von Currywurst und Kaffee.
Wenn man die Augen etwas zusammenkneift und noch ein bisschen Restalkohol in den Venen zirkulieren hat, sieht das putzige Logo dieser Currybude einfach nur aus wie eine ganz ordinäre Kackwurst—denke ich mir, während ich wie die Alte bei Kevin allein in New York mit meinen ausgefransten Wollhandschuhen und einer dicken Wintermütze in den ersten Sonnenstrahlen dieses Herbstsonntags auf den Treppenstufen eines Geschäfts ausharre, das unter der Woche allerhand Unnützes an Touristen vertickt und einen am Wochenende mit großen, leeren Auslagen eigentlich ganz und gar nicht dazu einlädt, sich vor dem Ladenlokal gemütlich niederzulassen.
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In der einen Hand halte ich eine dampfende Pappschale mit fleischigen Wurststückchen in tiefroter Currysauce, in der anderen einen kleinen Pommespicker aus Holz—eine der zweifelsohne genialsten Erfindungen der Menschheit, die leider nie mit einem Nobelpreis belohnt wurde. Genau wie die Currywurst. Diese wurde, das weiß natürlich jeder, in Berlin von irgendeiner superalten Dame erfunden, glaube ich zumindest. Das scharf-würzige Wurstgericht ist der absolute Liebling unter Einheimischen und Besuchern und erinnert an einen wahnsinnig gewordenen Hybrid aus Eintopf und Knackwurst. Besonders hier bei Bergmann Curry, wo ich rumsitze und die schmackhafteste Wurst Berlins in den Händen halte. Ich merke, wie mein Speichelfluss in Fahrt kommt und setzte zum ersten Bissen an. Gelungen!
Currywurst ist minimal as hell und schon alleine aus diesem Grund eigentlich dazu prädestiniert, das nächste große Hipsteressen zu werden. Bisher ging dieser Trend allerdings unbemerkt an der Vollbart-Front vorbei und erfreute sich stattdessen großer Beliebtheit unter Handwerkern, Betrunkenen und Reisebloggern. Für mich hat Currywurst immer etwas Mysteriöses, das einen mit wenigen Bissen auf den Boden der Realität zurückholt. Etwas Erdendes, quasi. Down by Wurst. Schmeckt wie eine Mischung aus Wellnesswürze und Feel-good-Freibadpommes und scheint, auch wenn es paradox klingt, durch seine leichte Schärfe und das viele Fett eine geheimnisvolle Wirkung auf den Mageninhalt von Betrunkenen zu haben. Außerdem schmeckt Wurst schlichtweg gut, daran gibt es nichts zu rütteln.
Meine Wurst kommt auf den Punkt von der Bratfläche in meinen Mundraum. Innen noch ganz leicht rosa und überhaupt nicht lange im Fett rumgehangen, würde ich mit aller Bescheidenheit behaupten, und dazu schön mit einer ansprechenden Menge Pommes und einem dicken Klacks stichfester Mayonnaise serviert. Als „kleine Portion” geht das absolut nicht durch, selbst dann nicht, wenn man die gigantischen Hände der Klitschkos hätte. Es handelt sich um einen riesigen Haufen—im besten Sinne. Knusprig und schön warm. Sommer wie Winter. Diese Pommesmenge sollte nicht unterschätzt werden.
Ich esse also selig meine Wurstportion, betrachte das Fußvolk in der Bergmannstraße und beschließe nach der Wurst noch einen Schümli zu bestellen, der auf der Menütafel unter „Kaffeespezialität” aufgelistet ist. Schließlich kann der ja nun auch nicht schlechter sein als die dünne Brühe der fünfzig Coffeeshops im Bergmannkiez, die alle zu heißen Americano und zu trockene Carrot Cakes verkaufen. Ich habe diese Straße, so weiß Gott, wahrlich durchgespielt, aber Schümli hatte ich noch nie und die Kombination aus Currywurst und Kaffee klingt aufregend. Für die zweihundert Meter Nachhauseweg gönne ich mir ein Taxi. Zum Glück habe ich heute nichts mehr vor.
Der Ort: Die Bergmannstrasse ist der Simon-Dach-Kiez Kreuzbergs. Ähnlich unkulinarisch geht es hier in der Regel zu. Die Essoptionen sind nicht besonders vielfältig und richten sich an eine touristische Laufkundschaft, die man als einmalige Kunden abgreifen will. Natürlich auf Kosten der Qualität. Bergmann Curry scheint neben Pagode, dem direkten Nachbarn, eine absolute Ausnahme dazustellen.
Die Klientel: Auf jeden Fall ein schöner Kontrast, wenn man vorher bei Barcomis voller Andacht einen edlen Pecan Pie oder einen New York Cheesecake gegessen hat und mit seinem Macbook in den feinen Aromen des hausgerösteten Kaffees rumdümpelte, um dann die Straße zu überqueren und mit Blick auf die griechische Imbissbude, die auf halber Strecke zu Bergmann Curry liegt und die zu den übelriechendsten Orten Berlins zählen dürfte, ein paar Happen Wurst zu essen. Man trifft hier jeden. Immer dabei ist der eigene DHL-Paketbote, der gerade zufälligerweise Mittagspause macht. Auch nachts.
Das Gericht: Ich bin eigentlich kein großer Currywurstfan. Das liegt zum einen daran, dass in Berlin Buden, die eine wirklich gute Wurst zaubern—und unter guter Wurst verstehe ich ein Produkt, das nicht stundenlang im Fett warm gehalten wird, sondern frisch auf den Teller, bzw. in Schale geworfen wird—rar sind. Dazu gehört auch eine runde Würzung, die einen nicht an die großen Hela Curryketchup-Gigantenmischungen aus den Sechs-Liter-Flaschen erinnert. Den anderen Schnickschnack brauche ich nicht. Ein paar Pommes. Gerne knusprig, aber nicht hart. Bei Bergmann Curry scheint das im Rahmen des Möglichen zu liegen.
Tipps: Bei Bergmann Curry arbeiten die sagenumwobenen „echten Menschen”, von denen manchmal die Rede ist, wenn bei Markus Lanz mal wieder die Pferde mit Sigmar Gabriel oder anderen Reptiloiden durchgehen. Daher lautet die Devise bei jeder Bestellung: ein paar nette Worte mit der Person hinter der Bratfläche wechseln und sich in Sachen scharfe Saucen mal richtig lieb beraten lassen. Neben der gefährlich scharfen Scoville-Bar, die meiner Meinung nur Junggesellenabschieden und sonstigen Hetero-Events mit Profilierungszwang dient, gibt es hier eine nette Eigenkreation aus Chilis und Öl. Ein paar Tropfen davon auf die Wurst reichen vollkommen aus und sind wesentlich besser als die überscharfen Plattmacher. Die Wurst fetzt ja ohnehin schon genug.
Besuchern kann ich zudem hier nur die vegane Currywurst aus Seitan ans Herz legen (die Frau des Besitzers ist Veganerin) und dazu Süßkartoffelpommes, allerdings mit der kleinen Einschränkung, diese nie einpacken zu lassen, denn jedes Kind weiß, dass man Pommes nicht warm halten oder liefern lassen kann. Man ist also gezwungen vor Ort zu essen, was in diesem Fall aber mehr als klargeht.
Im Portfolio des Imbisses befinden sich außerdem diverse Saucen und Extras, die bekiffte Kunden wie mich immer dazu anhalten, ihr Frittiertes nach niederländischem Vorbild wie frites speciaal mit pindasaus voll auszustatten. Sprich: Mayo, Currysauce, gehackte Zwiebeln und Erdnusssauce zu den Pommes zu bestellen. Ganz Mutige wagen sich an Wasabisauce oder die Trüffelmayonnaise, aber dafür fühlte ich mich nicht geeignet. Nicht an diesem Tag. Aber ich komme wieder.
Preis: Die Wurstoptionen sind einfach zu begreifen. 1,70 Euro für den Klassiker mit oder ohne Darm. Die Neuland-Bio-Qualität kostet 2,20 Euro und die vegane Wurst 2,50. Kleine Pommes immer 1,50 Euro.
Bergmann Curry Bergmannstrasse 88 10961 Berlin http://www.bergmann-curry.de/ https://www.facebook.com/Bergmann-Curry-Berlin-133989150041718/