Security-Personal mit einschlägigen Neonazi-Klamotten, rechte Drohungen gegen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Migrationshintergrund und rassistische Kontrollen und Schikane von Festivalbesuchenden – all das soll es dieses Jahr auf dem Splash! gegeben haben. Die Festivalleitung hat sich bereits öffentlich von diesen Vorfällen distanziert und Konsequenzen angekündigt, die leitende Sicherheitsfirma JaPo aus Chemnitz steht seit mehreren Tagen in der Kritik. Doch überraschend sind diese Vorfälle nicht. Neu ist lediglich, dass diese Vorkommnisse so deutlich nach außen getragen werden.
Seit 2014 habe ich nebenberuflich als Security gearbeitet, auch auf zahlreichen Festivals – darunter einige der größten und bekanntesten Veranstaltungen in Deutschland, mehrmals auch unter der Leitung von JaPo. Um mich zu schützen, schreibe ich hier deshalb unter Pseudonym. Beim Blick hinter die Kulissen ist sofort klar: Man sollte sich keine Illusionen machen, dass es auf anderen Großveranstaltungen besser aussieht als auf dem Splash!. Nahezu überall wird man auf Sicherheitspersonal stoßen, das seine rassistische Weltsicht offen nach außen trägt. Konsequenzen gibt es allerdings meist nicht. Rechtsextreme Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen und rassistische Ausfälle werden heruntergespielt oder stillschweigend geduldet. Wer sich beschwert, gilt als Nestbeschmutzer. Die Problematik hat System.
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Riesiger Personalbedarf, kaum Qualifikation, kein Überblick
Für ein Festival mit zigtausend Besucherinnen benötigen die Veranstaltenden mehrere hundert Sicherheitskräfte, die quer über das gesamte Gelände und die Zufahrtswege verteilt werden. Es besteht also ein riesiger Bedarf an billigen Arbeitskräften, an die kaum Anforderungen gestellt werden. Ein Großteil dieser Menschen steht während des gesamten Festivals täglich zwölf Stunden lang an einem Zaun im Nirgendwo – dafür muss man wahrlich keine Raketenwissenschaft studiert haben.
Die Voraussetzungen, um als Security zu arbeiten, sind minimal. Die Sachkundeprüfung im Sicherheitsgewerbe besteht aus einem Multiple-Choice-Test und einem kurzen Gespräch bei der IHK, schon hat man die Bewachungserlaubnis, den §34a-Schein. Einige der Ordner und Ordnerinnen auf Festivals haben nicht einmal den. Eine wirksame Kontrolle gibt es oft nicht, für manche Aufgabengebiete sind keinerlei Nachweise oder Vorkenntnisse nötig.
Eine Sicherheitsfirma allein kann den Personalbedarf meist nicht decken, daher sind in der Regel Angestellte von zahlreichen verschiedenen Firmen vor Ort. Aufgrund unzähliger Subunternehmer oder gar Sub-Subunternehmer ist im Vorfeld auch für die Leitung oft nicht klar, was für Personen und Firmen eigentlich für die Sicherheit der Festivalbesuchenden sorgen werden.
Und Neonazis, die in der Sicherheitsbranche einen passenden Wirtschaftszweig für sich entdeckt haben, gibt es leider nicht zu knapp. Prominentestes Beispiel ist der im Frühjahr verstorbene Thomas Haller, der nicht nur seine eigene Sicherheitsfirma betrieb, die in Chemnitz das Stadtfest und Fußballspiele absichern sollte. Er ist zudem Gründer der rechtsextremen Gruppe HooNaRa (Hooligans Nazis Rassisten). Hinzu kommen jede Menge weitere kleinere oder auch größere Sicherheitsfirmen, die organisierte Neonazis beschäftigen.
Dienstanweisung: Rechte Tattoos abkleben, Neonaziklamotten vorübergehend ausziehen
Doch problematischer als die Tatsache, dass es überhaupt rechtsextreme Securitys gibt, ist es, wie auf Festivals damit umgegangen wird. Denn meist ruht man sich im Nachhinein auf der Begründung aus, dass es sich um externe Dienstleister und vorher nicht bekannte Subunternehmen handelt. Auf den Veranstaltungen selbst herrscht meist eine Kultur des Wegschauens. Oft entsteht sogar der Eindruck stillschweigender Zustimmung. Das fängt bei rassistischen und sexistischen Sprüchen im Security-Büro an und geht nahtlos weiter, wenn Angestellte mit rechtsradikalen – teilweise strafbaren – Tätowierungen einfach Pflaster über die rechten Symbole kleben oder ihre Neonaziklamotten ausziehen sollen, während sie im Dienst sind. Später sitzen diese Leute dann wieder seelenruhig mit Thor-Steinar-Gürteltasche und sichtbaren Tattoos im Cateringzelt und die Einsatzleitung am Nachbartisch interessiert es nicht.
Gerade bei JaPo, das seit dem Splash! in der Kritik steht, scheint es in dieser Hinsicht an Problembewusstsein zu fehlen, einige ranghohe Mitarbeiter habe ich selbst schon in Thor Steinar auf Festivals rumlaufen sehen. Als ich einmal bei einem Festival gemeinsam mit Kollegen einen Typen rauswerfen wollte, der eindeutige rechte Szeneklamotten trug und damit gegen die Hausordnung der Veranstaltenden verstieß, wurde uns vom Einsatzleiter gesagt, wir sollen uns gefälligst um andere Dinge kümmern. Die leitende Sicherheitsfirma an dem Abend war JaPo.
Westentausch: So werden Körperverletzungen durch Securitys gezielt vertuscht
Kommt es nicht nur intern zu Konflikten, hat sich der “Westentausch” als gängige Strategie etabliert, die oft sogar von der entsprechenden Bereichsleitung angeordnet wird. Alle Sicherheitsleute tragen eine nummerierte Weste und sollen so bei Problemsituationen eindeutig identifizierbar sein. Wenn sich Gäste über Securitys beschweren, die mit rechten Symbolen oder Aussagen aufgefallen sind, oder es sogar zu handfesten Auseinandersetzungen gekommen ist, tauschen die Sicherheitsleute einfach untereinander ihre Westen. Personenbeschreibung und Westennummer passen dann nicht mehr zusammen und die Geschichte wird unter den Teppich gekehrt, weil sie sich nicht aufklären lässt. Auf diese Weise werden auch Straftaten wie Körperverletzungen durch die Sicherheitskräfte vertuscht. In vielen Firmen kommen hier Korpsgeist und Männerbündelei zusammen.
Wer interne Probleme öffentlich macht oder sich zu lautstark beschwert, muss damit rechnen, in Zukunft keine Aufträge mehr zu bekommen. Genau das soll auch beim Splash! passiert sein. Die Berliner Firma Coalition, deren Angestellte sich über die rassistischen Bedrohungen durch Kollegen beschwerten, waren eine Woche später auf dem Melt-Festival unter identischer Leitung nicht mehr in gleichem Umfang dabei. JaPo bestreitet, dass das etwas mit den Vorfällen auf dem Splash! zu tun haben soll.
Neonazis werden nicht nach Hause geschickt – wegen Personalmangels
Nicht alle Sicherheitsfirmen agieren so und auch nicht jeder Einsatzleitung ist es egal, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Neonaziklamotten rumlaufen. Das heißt leider nicht, dass Neonazis, die als solche erkannt werden, abgezogen werden. Auf einem Festival in Norddeutschland mit 50.000 Besuchern stand auf einmal ein Typ neben mir, der unter seiner Security-Weste ein Shirt von Ansgar Aryan trug – einem bei Neonazis beliebten Label, das einem ehemaligen NPD-Funktionär gehört. Der Einsatzleiter sah das ebenfalls kritisch, nahm sich den Typen zur Brust, nach Hause schickte er ihn aber nicht – Personalmangel.
Letztendlich bleibt aktuell wohl nur zu hoffen, dass die öffentliche Diskussion über Neonazis als Festivalsecuritys, die nach dem Splash! aufgekommen ist, nicht nach zwei Wochen schon wieder vergessen ist. Festivalmitarbeiter und -mitarbeiterinnen, die keinen Bock auf Neonazis als Kolleginnen haben, gibt es nämlich mehr als genug. Gleichzeitig haben vermutlich viele keinen Bock, ihren Sommerjob zu verlieren, nur weil sie Rassisten als solche benennen. Hoffentlich geht das irgendwann.
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