Menschen

Männer sind die schlechteren Kollegen

Frauen hingegen unterbrechen mich nicht in Meetings, drücken Kritik wertschätzend aus und fördern mich.
Zwei Frauen, die sich die Hand schütteln
Foto: imago images | Westend61 || Bearbeitung: VICE 
Feministin, Gastarbeitertochter und VICE-Kolumnistin: Alexandra Stanić schreibt darüber, wie sie Politik, Rassismus und Sexismus erlebt.

Wie beginne ich diese Kolumne, ohne dass sich ein Haufen Männer angegriffen fühlt? Das ist die eine Frage. Die andere ist: Muss ich wirklich schreiben, dass natürlich auch Frauen beschissene Kolleginnen und Männer gute sein können? Ich bin mutig und setze auf den gesunden Menschenverstand meiner Leserinnenschaft (generisches Femininum, Männer mitgemeint). Wer sich von den folgenden Zeilen auf den Schlips getreten fühlt, sollte den Fehler zunächst bei sich suchen. Auch die netten Typen unter euch. Vor allem die, die "viel lieber mit Männern arbeiten, weil die einfach weniger kompliziert sind". Solltet ihr das wirklich denken: Setzt euch, wir müssen reden.

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Das erste Mal bemerke ich vor etwa drei Jahren, wie viel in meinem Arbeitsumfeld schiefläuft. Zu dieser Zeit lese ich das Buch Feminist Fight Club, in dem es um Sexismus am Arbeitsplatz geht. Je mehr feministische Bücher ich mir besorge und mich mit anderen Frauen darüber austausche, desto besser begreife ich: Auch ich bin Teil dieses sexistischen Arbeitszirkusses, in dem ich mich anpasse.

Ich tue alles für ein harmonisches Arbeitsumfeld, auch wenn das bedeutet, dass ich mich selbst kleiner mache, als ich bin. Ein Beispiel: Ich verzeihe Kollegen lange ihre harsche Art, weil ich "tough" genug bin und kein unnötiges Drama machen möchte. "Kleine" Ausraster von Kollegen, vor allem verbaler Natur, empfinde ich lange als normal. Türenknallen und Sesselschubsen auch.

Deswegen weiß ich auch nicht, ob ich weinen, lachen oder mir doch lieber Rakija in meinen Rachen schütten soll, wenn in Diskussionen das Wort "Stutenbissigkeit" fällt.

Nun, seit ich erkannt habe, dass ich oft anders als Kollegen behandelt werde, habe ich nicht nur begonnen, öfter an Rakija zu denken; ich habe auch mein Verhalten verändert. Das blieb nicht unbemerkt. Kollegen wunderten sich zum Beispiel darüber, dass ich bei Meetings nicht mehr die bin, die Notizen macht. Soll das doch mein Kollege Johannes machen. "What would Josh do?" heißt ein Kapitel in Feminist Fight Club, ich habe Josh an dieser Stelle verdeutscht. Johannes ist Sinnbild für die Ungerechtigkeiten im Arbeitsleben.

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Ich komme nicht drumherum, meine Kollegen mit anderen Augen zu sehen. Als ich eine Idee für ein neues Format pitche, wiederholt ein Johannes, keine zehn Minuten später, meine Idee, nur in anderen Worten. Es ist einer von denen, die mehr sprechen als alle anderen im Meeting. Aber das ist nichts Neues: Eine kanadische Bürgermeisterin hat mit einem selbstgestrickten Schal mal anschaulich gemacht, wer im Job mehr Redezeit erhält. Rot steht für Männer, Grün für Frauen.

Als mich ein Kollege bittet, etwas für ihn zu erledigen, und ich verneine, fragt er mich, ob ich meine Tage habe.

Als ich einen anderen darauf aufmerksam mache, dass er eine Kollegin nicht hat fertig sprechen lassen, heißt es plötzlich, ich sei angepisst.

Als ich in Sitzungen öfter das Wort ergreife, stellt einer fest, ich sei aggressiv gewesen.

Als ich aufhöre, Kritik vorsichtig und ausschweifend zu äußern, heißt es, ich sei unfreundlich.

Unterschiedliche Jobs, unterschiedliche Szenarien: Die Reaktionen auf mein Verhalten fallen ähnlich aus. Wie oft ist mir in meiner beruflichen Laufbahn passiert, dass mir während eines Meetings ein Mann ins Wort gefallen ist? Ich befürchte, die Strichliste wäre lang. In den USA hat sich dafür schon der Begriff Manterrupting etabliert.

Aber mir fällt auch auf, dass es Frauen sind, die in solchen Momenten zu mir gucken und fragen: "Alex, du wolltest noch etwas sagen?"

Sind zumindest gleich viele Frauen wie Männer anwesend, ist mehr Raum da, um das Wort zu ergreifen. Frauen begegnen auf Augenhöhe – unabhängig von der Jobposition. Sie hören sich an, was ich zu sagen habe, ohne mir ins Wort zu fallen. Die Universität Princeton fand heraus: Je größer eine Gruppe, desto eher ergreifen Männer das Wort. Sind mehr Männer in einer Gruppe, sinkt die durchschnittliche Redezeit einer Frau um ein Viertel bis zu einem Drittel.

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Das bedeutet nicht, dass mich weibliche Vorgesetzte mit Samthandschuhen anfassen oder es keine Konflikte zwischen Kolleginnen gibt. Das Feedback meiner Chefinnen zu meinen Texten ist mitunter hart, aber immer wertschätzend. Meine Kolleginnen schaffen es, emotional und empathisch zu kommunizieren. Die Kommunikations-Expertin Isabel García nennt das kooperativen Kommunikationsstil.

Als ich für einen Fernsehsender einmal einen preisgekrönten Journalisten interviewe, bin ich stolz, ihn mit meinen scharfsinnigen Fragen ins Schwitzen gebracht zu haben. Ein Johannes ist sich nicht zu schade, mich auf mein Aussehen zu reduzieren. Er meinte, es hätte meinen Interviewpartner irritiert, dass ich so gut aussehe.

Später gibt eine Kollegin mir Feedback: Ich hätte gute, kritische Fragen gestellt.

Am Anfang meiner Karriere war mir noch nicht so klar, wie stark mein Wohlbefinden von der Anzahl an Frauen abhängig ist, mit denen ich zusammenarbeite. Ich halte oft als Quotenfrau und Quotenmigrantin her. Ich möchte in meiner politischen Arbeit aber nicht alleine sein. Ich möchte auch im beruflichen Kontext umgeben sein von Frauen: Weil ich mir eine gleichberechtigte Arbeitswelt wünsche. Aber auch, weil ich mit den Jahren verstanden habe, wie viel es mir persönlich bringt, mit Frauen zusammenzuarbeiten.

In meinem Kopf ist kein Platz für Konkurrenzdenken. Ich möchte andere junge Journalistinnen, allen voran solche mit Migrationshintergrund, glänzen sehen. Sie sind meine Vorbilder. Und die brauche ich ganz dringend. Denn der Blick nach oben ist ernüchternd – nicht nur in der Medienbranche. Eine Analyse zeigt: Es gibt mehr Andrease als Frauen in Vorständen börsenorientierter Unternehmen in Österreich.

Keine sexistischen Bemerkungen, fair aufgeteilte Arbeit, Support, wo ich ihn brauche und vor allem: Inspiration. Frauen sind die besseren Kolleginnen; Frauen sind die besseren Chefinnen. If you see it you can be it.

Deswegen: Fühl dich nicht angegriffen, Johannes. Vielleicht bist du ja einer der guten Kollegen – oder du kannst es nach diesem Text werden. Nimm dir einfach eine deiner Kolleginnen zum Vorbild.

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