Politik

Sieben Jahre Knast in Tadschikistan, weil deutsche Behörden falsch entscheiden

Deutschland schob den politischen Aktivisten Abdullohi Shamsiddin trotz vieler Warnzeichen ab. In seinem Herkunftsland könnte er jetzt gefoltert werden.
Das vergitterte Fenster einer Gefängniszelle, deutsche Behörden haben den tadschikischen Aktivisten Abdullohi Shamsiddin in seine Heimat abgeschoben, wo ihm Haft und Folter drohen.
Symbolfoto: IMAGO / NurPhoto

Er lebte 14 Jahre lang in Deutschland, seine Eltern und Freunde auch. Dreimal beantragte er politisches Asyl. Immer wieder versuchte er, deutschen Behörden klarzumachen, dass er nicht nach Tadschikistan zurückkönne. Doch Mitte Dezember kam die Polizei. Die deutsche Regierung schob Abdullohi Shamsiddin knapp einen Monat später nach Tadschikistan ab. Dort warf man ihn in den Knast. Am Mittwoch stand er vor Gericht – und wurde zu einer Gefängnisstrafe von sieben Jahren verurteilt. Das teilte die Organisation Human Rights Watch mit und bezog sich auf Beobachter der deutschen Botschaft in Tadschikistan und Familienmitglieder von Shamsiddin. 

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"Die Justiz in Tadschikistan ist nicht unabhängig. Es ist wahrscheinlich, dass Shamsiddin ohne glaubwürdige Beweise verurteilt wurde", sagt Hugh Williamson, der für Human Rights Watch Europa und Zentralasien beobachtet. Er berichtet davon, dass drei Zeugen ausgesagt haben sollen, die Shamsiddin gar nicht kannte. 

Shamsiddin wurde am 18. Januar von deutschen Behörden abgeschoben. Kurz danach nahm ihn die Polizei in Tadschikistan fest und warf ihn ins Gefängnis. "Es ist bekannt, dass in tadschikischen Haftanstalten Gefangene gefoltert und misshandelt werden", sagt Hugh Williamson. Shamsiddins Abschiebung nach Tadschikistan hält er für eine Fehlentscheidung, auch weil die prekäre Menschenrechtslage in Tadschikistan bekannt sei.

Abdullohi Shamsiddin ist 32 Jahre alt. 2009 kam er nach Deutschland und beantragte zum ersten Mal Asyl. Damals war er noch minderjährig. Zwei Asylverfahren führte er erfolglos – und unter falschen Namen, wie das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen schreibt

In einem dritten Asylantrag berief er sich darauf, der Sohn eines bekannten Oppositionsführers zu sein. Tatsächlich ist sein Vater Führungsmitglied der Islamischen Partei der Wiedergeburt Tadschikistans (IPWT). Diese ist in Tadschikistan seit 2015 verboten, was jedoch umstritten ist. Westliche Experten stufen die Partei als eher gemäßigt ein. Die tadschikische Regierung warf der Partei dagegen vor, einen Umsturz geplant zu haben. Dem setzen Kritiker entgegen, dass das Regime nur einen Grund gesucht habe, um die Religions- und Meinungsfreiheit zu unterdrücken.

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Abdullohi Shamsiddins Vater, der bekannte Oppositionsführer, wurde in Tadschikistan zu 15 Jahren Haft verurteilt, ohne am Prozess teilzunehmen. Denn er wurde als Geflüchteter in Deutschland anerkannt und lebt in Aachen. Auch Shamsiddin selbst war in der Partei aktiv. Ein DNA-Test bestätigte die Verwandtschaft der beiden.

Doch das Gelsenkirchener Gericht erkannte den DNA-Test nicht an. Es zweifelte daran, dass die Proben tatsächlich von den beiden stammten. Einen Eilantrag gegen die Abschiebung wies es an dem Tag zurück, als Shamsiddin im Flieger nach Tadschikistan saß.

Zuletzt wohnte Shamsiddin in Dortmund. Dort hatte er Freunde und Bekannte, die sich gegen seine Abschiebung einsetzten. Auch nachdem er abgeschoben wurde, demonstrierten sie weiter.

Tadschikistan gehört zu den repressivsten Staaten der Welt. Es liegt eingequetscht zwischen Usbekistan, Afghanistan und China. Man kennt Tadschikistan für seine schroffen Berge und für seine Regierung, die Geständnisse mit Folter erzwingt. 

Human Rights Watch fordert, dass die deutsche Regierung sich für den Fall einsetzt. Bis dahin werde man die Lage beobachten und versuchen mit Deutschland und Tadschikistan zu sprechen, sagt Hugh Williamson.

Eine Recherche von VICE hatte vergangenes Jahr gezeigt, dass die deutsche Regierung auch Oppositionelle anderer Staaten abschiebt und diese in ihren Herkunftsländern im Gefängnis landen. Im Fall von Aserbaidschan hat VICE das in mehreren Fällen nachgewiesen, in denen politisches Asyl fälschlicherweise nicht gewährt wurde. Der Fall von Abdullohi Shamsiddin ist also kein Einzelfall, sondern zeigt den fahrlässigen Umgang deutscher Asylbehörden mit politischen Aktivisten.

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