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G20

Warum die Hamburger Polizei einen alten Wasserwerfer gefangen hält

Ein Anhaltspunkt: Der Oldtimer hat das Nummernschild "ACAB 1910".
Foto: Screenshot aus dem YouTube-Video "WELCOME TO HELL - Hamburg 2017" von True Rebel Kanal

"Komm nach Hamburg, mach Welle / Hass auf Cops? / Hier ist die richtige Stelle!" Mit diesen Zeilen und einem Video wollten linke Aktivisten zur G20-Demo "Welcome to hell" mobilisieren. Vermummte ließen sich filmen, wie sie in einem Wasserwerfer – ja, ganz recht – durch Hamburg fahren, mit Banner, Bengalos, Mittelfinger: "Hamburg, meine Perle / Pflasterstein und Scherben".

Die Polizei war in Anbetracht des Videos in Sorge und schleppte das Fahrzeug am 28. Juni ab, knapp eine Woche vor dem G20-Gipfel. Die Aktivisten fordern vor Gericht die Herausgabe des Fahrzeugs, mittlerweile in der zweiten Instanz. Die Polizei sagt, dass das Fahrzeug nicht mehr verkehrstauglich sei, die Besitzer verweisen darauf, dass das Gerät ordentlich angemeldet war. Das Nummernschild des Wasserwerfers lautet "ACAB - 1910". 1910 ist das Gründungsjahr vom FC St. Pauli, "A.C.A.B", die bekannte Losung der linken Szene, die wir wohl nicht erklären müssen. Strafen drohen den Beteiligten keine, allerdings lässt sich der Staat die Aufbewahrung teuer bezahlen. Es sind schon mehr als 3.000 Euro an Kosten angefallen, die die Aktivisten tragen sollen – und es wird jeden Tag teurer.

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Baujahr des Gefährts ist ausgerechnet 1968 – es entstand in der Hochzeit der studentischen Proteste. Seinen ersten bekannten Auftritt hatte der Wasserwerfer, Typ MAN Kurzhauber, zuerst auf einer "Bambule-Demo" gegen Gentrifizierung 2009 in Hamburg. In der Szene wird er gefeiert als "Wasserwerfer der Herzen".

Abgeschleppt wurde das 20-Tonnen-Teil ganz in der Nähe der Wohnung des Hamburger Innensenators Andy Grote. Zufall, sagte eine Aktivistin der taz: "Wir haben ihn einfach ein wenig spazieren gefahren." Da half es auch nichts, dass sie sich einen Anwohnerparkausweis für die Wohlwillstraße in St. Pauli besorgt hatten. Die Polizei rückte mit großem Aufgebot an, mit zwei Hundertschaften und der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE).

Das Ding: Der Wasserwerfer war angemeldet und legal auf deutschen Straßen unterwegs. Warum konnte die Polizei das Fahrzeug dann einbehalten? Die taz zitiert einen unveröffentlichten Beschluss des Hamburger Verwaltungsgerichts: "Der Einsatz des schweren und kaum aufhaltbaren Fahrzeugs bei einer Demonstration bedeute[t] ein erhebliches, nicht hinnehmbares Risiko nicht nur für Sachen, sondern auch für Leib und Leben von Personen." Der Oldtimer habe alles: eine "Panzerung, zwei Wasserwerfer, verstärkte Glasscheiben, Türen, die über keinen Türgriff verfügten, sowie eine Schalteinheit zur Beimischung von Reizstoffen". Und die eine "offenbar funktionsfähig[e]" Wasserkanone, die 30 oder 40 Meter weit schießen könne. In dem Mobilisierungsvideo für die G20-Proteste wird sie dramatisch in Szene gesetzt. Allerdings sei das nicht so leicht, dafür müssten eine Pumpe und ein Gartenschlauch angeschlossen werden, sagte eine Aktivistin gegenüber der taz. Die Polizei sieht das anders. Offiziell heißt es auf Anfrage von VICE: "Das Fahrzeug wurde zur Gefahrenabwehr […] sichergestellt."

Gestritten wird ab Mitte November vor dem Hamburger Oberverwaltungsgericht aber darüber, ob die Aktivisten das sechs Meter lange Fahrzeug zurück haben dürfen. Die Polizei teilte mit: "Bei dem in Rede stehenden Wasserwerfer handelt es sich um ein Fahrzeug, das nach seiner Bauart für polizeiliche Zwecke bestimmt ist. Gemäß Paragraph 19 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) wird für derartige Fahrzeuge nur der Polizei eine Betriebserlaubnis erteilt." Das sehen die Aktivisten anders.

Gekauft hat den Wasserwerfer der "Verein antiquierter Betriebsgeräte e. V.", registriert in Aachen seit 2010. In dem Jahr war auch der Wasserwerfer angemeldet worden, ein altes Stück der Münchner Polizei, für gerade einmal 5.000 Euro gekauft. Den Aktivisten gelang es, den Wasserwerfer im gleichen Jahr auch anzumelden. Die Behörden waren dabei offensichtlich nicht ganz bei der Sache. Das wurde klar, als die Polizei 2012 schon einmal versuchte, den Wasserwerfer stillzulegen. Damals verkündeten die Besitzer, den Wasserwerfer bei einem Spiel von Alemannia Aachen gegen die gegnerischen Fans einsetzen zu wollen. Die Polizei zog den Wasserwerfer kurz aus dem Verkehr, aber vor Gericht bekamen die Besitzer recht. Zwar hätte der Wasserwerfer gar nicht angemeldet werden dürfen, das dürfe die Zulassungsstelle allerdings nicht so einfach wieder zurücknehmen, urteilte das Verwaltungsgericht Aachen. Außerdem sei die Rücknahme der Betriebserlaubnis aus formalen Gründen nicht korrekt gewesen. (Wer sich für die kuriosen juristischen Details des Falles interessiert, kann das hier nachlesen.)

Jetzt steht der Oldtimer auf einem Gelände der Polizei in Hamburg-Allermöhe und die Vereinsmitglieder versuchen, ihn auszulösen. Die Polizei aber will ihn nur freigegeben, wenn er mit einem Tieflader abgeholt wird, weil er nicht mehr alleine fahren dürfe. Mit der Abschlepp-Aktion habe das aber nichts zu tun, sagt die Polizei. Zwar habe die Antriebswelle gelöst werden müssen, sagt die Polizei, die sei aber mittlerweile wieder "fachmännisch befestigt". Gerrit Onken, der Anwalt der Besitzer, vermutet: "Die Polizei will verhindern, dass der Wasserwerfer nochmal auch nur mit einem Reifen die Straße berührt."

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