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Neue Nachbarn

Ein syrischer Flüchtling erzählt, wie es ist, mit Österreichern zu feiern

Wenn du alle Feste verschiedener Kulturen feierst, hört die Party praktisch niemals auf.

Dieser Artikel ist Teil unserer Serie 'Neue Nachbarn', in der junge Geflüchtete aus ganz Europa für VICE.com schreiben. Lies hier das Editorial dazu.


Ich stamme aus einer großen Familie. Ich habe acht Geschwister und von klein auf war ich immer mit vielen Verwandten und Freunden zusammen. In Österreich fühlte ich mich anfangs ziemlich allein und vermisste mein Zuhause. Meine Freunde blieben entweder in Damaskus oder flüchteten in den Libanon.

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Als der Krieg losging, wollte meine Familie, dass ich die Schule abbreche. Sie hatten Angst um mich: In der Schule wurden die Jungs, die groß und stark aussahen, zwangsweise für den Krieg eingezogen. Ich verließ ziemlich schnell Damaskus und zog in einen kleineren Ort in Südsyrien, in dem ich ein paar Jahre mit einem Freund zusammenlebte und in eine neue Schule ging.

Anfang Dezember 2015 konnte ich endlich fliehen, nach Österreich zu meinem großen Bruder. Er war bereits seit drei Jahren hier und konnte mir viel über die Gesellschaft, die Schule und vor allem die Sicherheit im Land erzählen.

"Meine Deutschgruppe wurde zu meiner zweiten Familie"

Bald bekam auch ich einen positiven Asylbescheid. Ich war total motiviert, Deutsch zu lernen und ich hatte viel Glück, den letzten Platz in einem Deutschkurs in der Nähe meiner Wohnung zu bekommen. Der Kurs wurde freiwillig von Studenten organisiert, die den Flüchtlingen Deutsch beibringen wollten, ohne Geld dafür zu verlangen.

Sie waren alle extrem sympathisch und schnell wurde meine Deutschgruppe zu meiner zweiten Familie. Wir waren nicht nur täglich im Unterricht zusammen, sondern auch in der Freizeit. Ich war wirklich positiv überrascht, dass diese Menschen, die mich erst seit einigen Wochen kannten, mich in ihre Gruppe integrieren wollten.

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Meine zwei besten Freunde sind Österreicher. Wir haben uns im Deutschkurs kennengelernt und ich bin ihnen sehr dankbar für alles, was ich heute über die deutsche Sprache und österreichische Kultur weiß. Letzten Sommer waren wir zusammen auf dem Donauinselfest und es war etwas Einzigartiges für mich. So viele Menschen am selben Ort, die tanzen und Spaß haben, habe ich zum ersten Mal in meinem Leben gesehen.

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Meine Freunde luden mich auch zu ihren Partys ein. Als ich in Syrien lebte, war ich noch zu jung, um Partys mit meinen Freunden zu schmeißen. Das Einzige, das ich kannte, waren Familienfeiern. Hier wurde ich zu meinen neuen Freunden eingeladen und ich freute mich jedes Mal über diese Geste. Ich fühlte mich dadurch akzeptiert.

Ich bin gläubiger Moslem und trinke keinen Alkohol. Meine Freunde zeigten immer Verständnis und niemand verurteilte oder verbannte mich deswegen aus der Gruppe. Ganz im Gegenteil: Wir respektieren uns gegenseitig und gerade dieser Respekt festigt unsere Freundschaft. Wenn wir etwas zusammen kochen, achten sie darauf, dass kein Schweinefleisch auf den Tisch kommt. Dafür zeige ich ihnen unsere syrischen Spezialitäten.

"Sie gaben mir eine Lederhose und ein kariertes Hemd und brachten mir bei, wie man in Österreich tanzt"

Zu Ostern luden sie mich in ihr Elternhaus ein. Sie gaben mir eine Lederhose und ein kariertes Hemd und brachten mir bei, wie man in Österreich tanzt. So eine schöne Zeit hatte ich seit Langem nicht mehr! Wir versteckten sogar Eier im Garten und suchten sie danach zusammen. Ich fühlte mich privilegiert, an ihren Traditionen teilnehmen zu dürfen. Das war das erste Mal, dass ich die österreichische Tracht trug.

Natürlich lernten meine Freunde auch unsere zwei großen Feiern kennen: Eid al-Fitr und Eid al-Adha. Sie haben bei uns so viel Bedeutung wie Weihnachten und Ostern bei den Christen. Wir feierten zusammen.

Mein Leben hat sich drastisch verändert, seitdem ich in Österreich lebe. Ich hatte es nicht leicht in den letzten Jahren. Ich mache mir immer noch jeden Tag Sorgen um meine Familie und ich vermisse meine alten Freunde. Aber diese wundervollen Menschen aus meinem Deutschkurs schaffen es, mich trotzdem zum Lächeln zu bringen. Ein herzliches Dankeschön an euch alle, ihr seid die Besten!

Unterschreibe hier die Petition des UNHCR, die Regierungen dazu aufruft, eine sichere Zukunft für alle Flüchtlinge zu garantieren.

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