Irgendwo auf der anderen Seite der Welt sterben Kinder an Hunger. Aber solange sich jeder in seinen vier Wänden auf die Couch lümmeln und abschalten kann, ist das ganze Chaos vergessen. Prophets Of Rage haben das Däumchendrehen satt. Als Rage Against The Machines Gitarrengott Tom Morello während der letzten Präsidentschaftswahlen der USA nicht mehr oft genug "What the fuck?!" sagen konnte, rief er seine Freunde an. Chuck D von Public Enemy und Cypress Hills B-Real sind lange Weggefährten, die sich wie Tom schon immer politisch in ihrer Musik engagierten. Zusammen mit den RATM-Mitgliedern Brad Wilk und Tim Commerford gingen sie als Prophets Of Rage auf die Straßen der USA, um etwas gegen die seltsame Trump-Show auszurichten. Sie schnappten sich ihre jeweiligen Klassiker und brachten die Wut erstmals im Juli 2016 vor die Türen der Republican National Convention in Cleveland. Es folgten drei Wochen Aktionen auf den Straßen der USA, Eintritte zu den Shows kosteten 20 US-Dollar und Teile davon gingen an Obdachlose und Tafeln.
Prophets Of Rage wollen da anpacken, wo andere wegschauen. Das ist der Sinn dieses Zusammenschlusses aus Legenden. Seit der Initialzündung tourt die Supergroup durch die Welt und will aufrütteln. Kopf ein, Scheuklappen ab und all das aufnehmen, was sich so widerlich anfühlt. Denn erst daraus kann die Bewegung entstehen, die sich gegen Unmenschlichkeit richtet. Nicht jeder hört da aber so genau hin und will lieber Party machen, wenn sie RATM-Klassiker wie "Killing In The Name Of" neu interpretieren. Deswegen haben wir mal bei den drei Ikonen nachgefragt: Wie politisch kann Musik sein? Drei Musikvideos sollen es zeigen.
NOISEY: Was habt ihr sofort im Kopf, wenn ihr an Musik denkt, die die Welt verändert hat?
Chuck D: Ich habe ein Video im Kopf, das ich heute erst gesehen habe: heiße Chicks, Villen, Vaporizer, Autotune. Viele Künstler müssen zeigen, wie gut sie essen. Und Helikopter verlieren niemals an Style. [alle lachen] Ich dachte mir "Yo! Echt jetzt? Das ist sowas von out."
Brad Wilk: Ich denke, alle Musikvideos sind politisch. Alles, was du tust, kann man darauf reduzieren, politisch zu sein. Wie du dein Leben lebst, welches Essen du isst, wohin du gehst, welche Videos du drehst. Wir wollen politisch sein, um uns gegen Menschen aufzulehnen, die Politik nutzen (wenn auch unbewusst), um andere hinters Licht zu führen.
B-Real: Politik hat es nicht leicht in der Musik. Es ist das alte Klischee: Die zwei Konversationen, die du an keinem Dinner-Tisch haben willst, sind über Politik und Religionen. Wenn du also deine politischen Ansichten und deinen religiösen Glauben mit deiner Musik vermischt, kann es so wahrgenommen werden, als würdest du dies anderen in den Hals stopfen. Da ist nur ein schmaler Grat, wie du Kunst mit deinen politischen Überzeugungen verbinden kannst, sodass es erleuchternd und inspirierend wird oder jemanden aufweckt. Anstatt zu sagen: "Du solltest das nicht tun!" Es gibt nicht viele Alben, die überhaupt etwas davon versuchen.
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Politische Musik macht nur einen sehr kleine Prozentzteil aus. Musik, die nichts aussagt, ist auf allen Plattformen einfacher zu vermarkten. Sehr sicher. Die größte Sorge von Radiostationen und Video-Outlets ist nicht die Musik, die sie spielen – sie kümmern sich nicht darum, ob sie jemanden inspirieren. Sie sorgen sich um die Werbung, die sie von Unternehmen kriegen, die ihre Werbung in dieser Zeitspanne der Musik geschalten haben wollen. Sie haben Angst, etwas Politisches zu spielen. Deswegen gibt es so wenige Musiker mit solch einem Background, wie wir ihn haben. Aber es gibt Lieder wie die von Kendrick Lamar. Der ist total politisch, er weckt Leute auf. Seine Videos erzählen den Leuten, wie es wirklich ist. Dabei könnte er voll das durchziehen, was andere Rapper machen. Wie Chuck sagt: wie viele Chicks sie haben, die Helikopter, die Villen, die coolen Karren, der Olympia-großen Pool. Wir brauchen mehr Balance.
Chuck D: Was auch OK ist. Politik ist auch nicht immer positiv. Es spiegelt andere Seiten wider von dem, woran du glaubst. Muss es ja auch geben, damit du für deine Seite kämpfen kannst. Politik fragt: Glaubst du wirklich an den Shit? Ich bin seit 25 Jahren ein Fan von B-Real und Cypress Hill, weil sie ernsthaft engagiert sind. Ich rauche kein Gras, aber man sollte das Recht haben, daran zu glauben, dass es gut ist. Es hilft Menschen.