Ein Boot bahnt sich seinen Weg durch den verschmutzten Fluss Citarum in Indonesien
 Alle Fotos: Iqbal Kusumadirezza
Politik

Ich habe acht Jahre lang den schmutzigsten Fluss der Welt fotografiert

Giftabfälle und bergeweise Hausmüll: Der Citarum in Indonesien hält einen traurigen Rekord. Dieser Fluss macht seine Anwohner krank.
JP
aufgeschrieben von Jade Poa

Obwohl auf den vielen Inseln Indonesiens weit über hundert Flüsse fließen, gibt es nur einen mit dem zweifelhaften Ruf als "schmutzigster Fluss der Welt": der Citarum. Als längster Fluss West-Javas erstreckt er sich über 286 Kilometer und bildete die Lebensgrundlage für viele Menschen in den Ballungsgebieten von Großstädten wie Jakarta, Bekasi, Karawang, Purwakarta und Bandung. Als die Industrialisierung in der Region immer weiter fortschritt, setzte das dem Fluss allerdings immens zu.

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Schon während meiner Schulzeit hat mich der Citarum fasziniert – vor allem, als mir auffiel, wie der Fluss jedes Jahr über die Ufer trat und uns mit Müll überschwemmte. Dieses Bild brannte sich in mein Gehirn ein. 2007 fing ich für ein persönliches Kunstprojekt an, den Fluss an verschiedenen Stellen zu fotografieren.

Zu sehen, wie sich der Citarum mit der Zeit zu einer giftigen Brühe entwickelte, hat mich sehr geprägt. Eigentlich wollte ich nur die Überschwemmung dokumentieren, aber dann wurde mir klar, dass das Problem viel komplexer ist. Mit meinen Fotos will ich deswegen zeigen, in welche negative Richtung der Citarum sich entwickelt. Dafür habe ich mich vor allem auf die Region rund um die Millionenmetropole Bandung konzentriert. Dort hat sich die indonesische Textilindustrie angesiedelt, daher ist auch die Umweltverschmutzung dort besonders schlimm.

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2016: Abwasser fließt ungefiltert in den Cikijing, einen Nebenfluss vom Citarum

Die Verfall des Citarum begann Ende der 70er Jahre. Über 300 Textilfabriken an den Ufern fingen an, ihr giftiges Abwasser in den Fluss zu leiten. Nur gut ein Fünftel der Fabriken hatte damals ein richtiges System zum Filtern des Dreckwassers.

Viele der Textilfabriken haben sich am Citarum niedergelassen, weil in der Gegend reichlich Grundwasser vorhanden war und man in dem Fluss ganz bequem Müll und Abwasser loswerden konnte. Dann haben die Unternehmen jedoch zu viel Grundwasser verbraucht, die giftigen Chemikalien aus dem Fluss sickerten in die Brunnen. Außerdem hielt die Infrastruktur der Belastung durch die Unternehmen nicht stand: Durch die vielen neuen Jobs zogen immer mehr Menschen in die Gegend. Und da es weder ein geregeltes Abfallsystem noch fließend Wasser gab, wurde der Fluss für die Anwohner nicht nur zur Wasserquelle, sondern zur Müllhalde.

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Dank der vielen neuen Textilfabriken und der Aufträge von weltbekannten Marken wie Yves Saint Laurent, GAP, The North Face, Wrangler, Pierre Cardin oder Calvin Klein bekam die Gegend rund um den Stadtteil Majalaya den Spitznamen "Dollar City". Das Ganze ging allerdings auf Kosten der Umwelt: Majalaya entwickelte sich zum größten Luft- und Wasserverschmutzer entlang des Citarum.

Um rechtliche Konsequenzen und hohe Kosten für ein richtiges Abwassersystem zu umgehen, haben viele der Fabriken private Pipelines gebaut, um ihre Produktionsabfälle in den Citarum zu leiten.

Inzwischen ist der Fluss ein Sinnbild dafür, wie schlecht es um die Abwassersysteme in Indonesien steht. Wie Daten von Greenpeace Indonesia und der indonesischen Umweltorganisation Walhi in Indonesien zeigen, lassen sich im Citarum Quecksilber, Blei, Chrom, Zink, Kupfer und Sulfate finden. All diese Substanzen sind für jegliche Lebewesen extrem gefährlich – vor allem in den Mengen, die im Fluss herumschwimmen.

Mit den Konsequenzen müssen nun die Indonesier leben: Rund 80 Prozent der Textilfabriken in Majalaya befinden sich direkt an den Ufern des Citarum oder seiner Nebenflüsse. Weil die vielen Chemikalien in den Gewässern inzwischen auch ins Grundwasser und in umliegende Reisfelder gelangt sind, leiden die Anwohner unter Hautausschlägen und Lungenentzündungen.

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Zwar wissen die Menschen am Citarum, wie giftig das Wasser ist, aber sie können trotzdem nicht auf den Fluss verzichten: Für Haushaltsarbeiten wie Wäsche waschen oder Teller spülen gibt es keine alternative Wasserquelle. Manchmal gehen Kinder sogar im Citarum baden.

2016 schlossen sich Greenpeace, Walhi, Bandung Legal Aid und weitere Umweltgruppen zusammen und reichten eine Sammelklage gegen das indonesische Umweltministerium ein. Konkret richtete sich ihre Klage gegen die Verschmutzung dreier Fabriken, die den Citarium durch ihre Abfälle extrem giftig gemacht haben. Die Umweltaktivisten haben vor Gericht tatsächlich gewonnen. Die Regierung musste Verordnungen zurücknehmen, die die Umweltverschmutzung legalisiert hatten. Und die drei Unternehmen durften von da an keine giftigen Abwässer mehr in den Fluss leiten. Ein Schritt in die richtige Richtung, aber bislang weiß niemand, ob das Urteil wirklich effektiv durchgesetzt wird.

Die Regierung der Provinz West-Java rief einen Arbeitskreis ins Leben, der den Fluss von der Verschmutzung befreien soll. Dazu wurden zum Beispiel Fische im Citarum freigelassen, die das quasi nicht mehr existente Ökosystem wiederherstellen sollen.

2018 versprach der indonesische Staatspräsident Joko Widodo, dass der Citarum innerhalb der kommenden sieben Jahre wieder in seinem ursprünglichen, gesunden Zustand zurückversetzt wird. 2025 soll das Wasser sogar wieder trinkbar sein. Ein Jahr nach diesem Versprechen präsentierte er dann einen Teil des Flusses, der angeblich nicht mehr so ekelhaft stinkt. Meine Fotos sprechen eine andere Sprache: In und um Majalaya herum hat sich nicht viel verändert.

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Zwar sind die Textilfabriken der Hauptgrund, wenn es um die Verschmutzung des Citarum geht, aber die Bewohner der Städte und Dörfer entlang des Flusses tragen auch ihren Teil zum Abfallproblem bei. Als ich die Anwohner frage, ob irgendetwas gegen den Müll im Wasser getan oder ob das Problem zumindest angesprochen wird, sagt man mir, dass Umweltschützer inzwischen den "Citarum Day" eingeführt hätten. Mit diesem Event soll die erfolgreiche Klage der Umweltschützer gefeiert werden – und man will die Anwohner dazu bringen, sich an der Entfernung des Abfalls zu beteiligen. Die indonesische Regierung hat zudem ein Programm namens "Citarum Harum" – auf Deutsch so viel wie "Duftender Citarum" – eingeführt. Dafür hat sich die Regierung sogar rund 98 Millionen US-Dollar von der Weltbank geliehen.

Dennoch werden die Anwohner bis heute lediglich mit einfachen Schildern darauf hingewiesen, dass sie keine Haushaltsabfälle im Citarum entsorgen dürfen – und nur wenige halten sich an das Verbot. Daran wird sich auch nichts ändern, bis die Behörden eine richtige Müllabfuhr einrichten. Was noch dazu kommt: Aktivisten, die mit eigenen Ideen gegen die illegale Müllentsorgung vorgehen wollen, bekommen laut eigener Aussage keine Unterstützung von der Regierung.

Ich werde die Entwicklung des Citarum weiter fotografisch begleiten, bis der indonesische Staatspräsident sein Sieben-Jahres-Versprechen eingelöst hat. Es folgen einige der Bilder, die ich geschossen habe:

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2011: Müll schimmt auf dem Citarum

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2013: Der Cikapundung, ein Nebenfluss des Citarum, fließt durch Bandung

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2012: Mit dem Paddel durch den Müll

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2017: Schornsteine spiegeln sich auf der Wasseroberfläche des Citarum

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2015: Zwei Indonesier rudern über den Fluss, der durch den Müll wie geteilt erscheint

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2016: Kinder schwimmen im Cikijing, einem Nebenfluss des Citarum

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