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Antisemitismus

Dieses Video zeigt, wie salafistische Prediger in Deutschland antisemitische Hetze verbreiten

"Hinter mir ist ein Jude, töte ihn!"
Pierre Vogel hält bei einer Kundgebung 2014 eine antisemitische Karikatur.

Immer wieder wird in Deutschland über Antisemitismus diskutiert, über neuen, alten oder versteckten. Dabei vergessen wir manchmal, dorthin zu schauen, wo Antisemitismus Alltag und traurige Normalität ist: bei muslimischen Hasspredigern. Das übernimmt jetzt ein Video auf YouTube, das am 1. November hochgeladen wurde und ein Dutzend Beispiele für judenfeindliche Hetze aus der deutschen Salafistenszene zeigt. Die Mitschnitte der Predigten, Online-Videos oder öffentlicher Auftritte sind nicht neu, stammen aus den letzten sechs Jahren. Selten zeigte aber ein Video dermaßen eindrucksvoll, mit welchen Argumenten Salafisten antisemitische Denkmuster bedienen.

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Auf einem Plakat prangt ein Mann mit kraushaarigem Vollbart und großer Hakennase. Seine Hände reibt er gierig aneinander, auf seinem Kopf liegt eine Bombe mit glimmender Zündschnur, auf Bombe ein Davidstern. Der Mann, der die antisemitische Karikatur 2014 in der Hand hält, heißt Pierre Vogel und ist Deutschlands bekanntester salafistischer Prediger.

Neben Vogel tritt im Video etwa Ibrahim Abou-Nagie auf, der einst schon mal die Todesstrafe für Homosexuelle forderte oder den Märtyrertod im Dschihad glorifizierte. Er ruft seinem Publikum zu: "Der Tag wird kommen, an dem der Stein spricht: 'Hinter mir ist ein Jude, ein Kuffar [ ein Ungläubiger], tötet ihn!' Möge dieser Tag jetzt passieren."

In einer anderen Predigt behauptet der Prediger Abu Abdullah, der inzwischen nach England ausgewandert ist und unter dem Deckmantel humanitärer Arbeit islamistische Missionierungsarbeit in der Dritten Welt betreibt, es handele sich beim Nachrichtenmagazin Der Spiegel "um amerikanische und jüdische Netzwerke". Ein anderer Vorbeter, Furkan bin Abdullah, behauptet, Israel sei "eine Hochburg der neuen Weltordnung". Belege für die Behauptungen bleiben beide schuldig.

Im Kinderzimmer Deutschrap, in der Moschee die Predigt

Das fast elf Minuten lange Video stammt von Irfan Peci, der einst selbst als Islamist Online-Propaganda für al-Qaida betrieb, später aus der Szene ausstieg, für den Verfassungsschutz arbeitete und heute dabei hilft, Jugendliche zu deradikalisieren. Mit dem Video wolle er radikale Prediger entlarven. "Salafisten begeben sich immer in die Opferrolle und behaupten, ihnen werde zu Unrecht Antisemitismus vorgeworfen", sagt Peci gegenüber VICE, "deshalb wollte ich ihre Inhalte einfach für sich sprechen lassen."

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Salafistische Prediger seien deshalb gefährlich, weil sie zusammen Hunderttausende Jugendliche erreichten. "Das schlägt sich dann irgendwann auf den Alltag nieder, zum Beispiel wenn Synagogen angegriffen oder Israel-Fahnen verbrannt werden." Er beobachte, dass es unzählige muslimische Jugendliche gebe, die in Israel das ultimative Böse sehen. "Die hören im Kinderzimmer Deutschrap und in der Moschee die Predigt – und in beiden Fällen sind Juden Sündenböcke."

Insgesamt hat Peci drei antisemitische Denkmuster bei Salafisten ausgemacht: religiös motivierten Antisemitismus, der sich auf Koran-Verse, Haddithe oder die Biografie des Propheten beruft; Verschwörungstheorien, die hinter Juden die Weltherrschaft vermuten; und politisch motivierten Antisemitismus, der Israel für das Leid aller Muslime schuldig spricht.

So behauptet auch Pierre Vogel im Video, dass Angela Merkel es für Selbstverteidigung halte, wenn israelische Bomben über Wohnsiedlungen in Gaza abgeworfen würden. Er bezieht sich dabei auf den israelischen Beschuss des Gazastreifens im Juli 2014.

Was Vogel dabei verschweigt: Israels Angriff auf den Gaza-Streifen war eine Reaktion auf den Raketenbeschuss der Hamas. Premierminister Benjamin Netanjahu beschloss nicht willkürlich, Zivilisten abzuknallen, sondern 103 Terrorstützpunkte zu bombardieren und Geheimtunnel zu zerstören. Und Vogel verschweigt auch, dass die Hamas selbst im Artikel 7 ihrer eigenen Charta erklärt, Israel von der Weltkarte zu tilgen. Gar nicht mal so peacy also.

"Salafisten haben ein geschlossenes Weltbild", sagt Peci. "Es basiert darauf, die Welt in Gut und Böse einzuteilen. Israel ist dabei ausnahmslos und immer das Böse." Genau das zeigt dieses Video. Es lohnt sich also, mal reinzuschauen – auch wenn es weh tut.

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