Chemie-Geräte ein dreckiger Kochtopf mit Pürierstab
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Wie ein 22-Jähriger zum professionellen DMT-Koch wurde

Chemie hatte Willem in der Schule abgewählt, trotzdem produzierte er in seiner Küche jahrelang halluzinogene Drogen im großen Stil.

Willem ist einfach nur fertig. Es ist vier Uhr morgens und er steht in Boxershorts in der Mitte des Drogenlabors: seiner Küche. Aus den Boxen dröhnt Rage Against The Machine in voller Lautstärke. Willem hat die vergangenen 20 Stunden durchgearbeitet. Er ist so müde, dass seine Augen brennen.

Zum fünften Mal hintereinander schüttelt er die 32 Gläser, eins nach dem anderen. Jedes davon gefüllt mit kristallisiertem DMT, Wasser und Waschbenzin. Keinen Meter entfernt brutzelt ein Ei in der Pfanne. Als er eins der Gläser mit beiden Händen mischt, entweicht eine Gaswolke durch den Deckel. Willem war gerade dabei, 25 Gramm DMT in einer einzigen Session herzustellen. Straßenpreis 2.250 Euro. Nicht mehr lange und er kann Feierabend machen. Stattdessen blitzt es plötzlich und seine Hände brennen lichterloh.

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Schnell stellt er das Glas hin und erstickt das Feuer mit einem Geschirrhandtuch. Durch den Benzingestank bemerkt er, dass sein Bart angesengt ist. Dann fällt sein Blick auf seine jetzt haarlosen Hände und Arme. Während er die Stellen mit lauwarmem Wasser kühlt, starrt er abwesend auf das verschrumpelte Spiegelei in der Pfanne. Er räumt das Labor notdürftig auf und geht ins Bett.


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"Zum Glück habe ich keine bleibenden Narben davongetragen, aber es hat einen Eindruck bei mir hinterlassen", sagt Willem, der eigentlich anders heißt, heute, als er mir von dieser Nacht erzählt. "Wenn du deine eigenen Grenzen ignorierst, zu lange arbeitest oder zu viel auf einmal machst, fängst du an, Fehler zu machen. Und in diesem Geschäft können dir Fehler das Leben kosten."

Willem arbeitete oft in seiner Küche die Nächte durch, das Haus voller Drogendämpfe. Ein paar Räucherstäbchen vor dem offenen Fenster sollen den Chemiegestank übertünchen. Aber das schnelle Geld war ihm den Aufwand wert. Über fünf Jahre trug er seinen Teil zum niederländischen Drogenmarkt bei, der allein für das Jahr 2017 auf einen Wert von 18,9 Milliarden Euro geschätzt wird.

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Eine Ladung DMT trocknet in der Küche

Heute lebt Willem unter der Woche in einem Wohnwagen auf einem Biobauernhof in Brabant, einer Provinz im Süden der Niederlande, die als Hochburg der europäischen Ecstasy- und Amphetaminproduktion gilt. Am Wochenende lebt er in einem richtigen Haus, irgendwo anders, ebenfalls in der Region. Seinen neuen Job als Obst- und Gemüsegärtner macht er seit ein paar Monaten. Willem zeigt mir seine Hände, die voll schwarzem Sand sind. "Das ist schon sehr anders, als Drogen zu kochen. Aber das wusste ich ja." Er lächelt.

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Wir treffen uns in der Nähe seiner neuen Arbeitsstelle, um über sein früheres Leben als DMT-Koch zu sprechen. Wir gehen einen Waldweg entlang, außer uns ist hier kein Mensch weit und breit. Als erstes will ich natürlich wissen, wie dieser artikulierte und gepflegte 26-Jährige dazu gekommen war, mit 22 Jahren synthetische Drogen im großen Stil herzustellen. "Es fing mit einer ganz allgemeinen Faszination an", erklärt er.

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Einige von Willems Kochutensilien

Willem war 21, als er zum ersten Mal DMT rauchte. Schon als Teenager in der Schule interessierte er sich für die stark halluzinogene Droge. Da sie aber nicht besonders weit verbreitet ist, war es nicht leicht, davon etwas zu besorgen. Freunde von ihm konnten schließlich was organisieren. "Vor dem ersten Mal raste mein Herz vor Aufregung", erinnert sich Willem. "Ich atmete einmal tief ein und zog dann dreimal an der Pfeife. Bevor ich sie wieder weglegen konnte, war ich schon in einer anderen Welt. Es funktioniert sofort. Jemand nahm mir die Pfeife und das Feuerzeug aus der Hand und ich wurde vorsichtig auf das Sofa geschoben. Ich hatte jegliche Kontrolle verloren."

Willem beschreibt, wie sich alle Objekte von den Wänden lösten und im Raum herumflogen. Seine Freunde verzerrten sich zu verschiedenen Formen, bevor sie nach oben schwebten und an der Decke lang spazierten. "Du hast gar keine Zeit, es zu verarbeiten. Es passiert alles zu schnell", sagt er. "Während einem solchen Trip spürst du keine Furcht. Alles, was du wahrnimmst, ist ein unbeschreibliches Gefühl der Verbundenheit und Liebe. Aber als ich in die Realität zurückkam, habe ich mir in die Hose gemacht. Es war traumatisierend, aber gleichzeitig wunderschön."

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Der starke Kontrollverlust ist auch die gefährlichste Nebenwirkung von DMT, die Droge kann nicht nur Panik und Angstzustände hervorrufen, sondern steht im Verdacht, psychische Störungen auszulösen.

Seine erste selbstproduzierte DTM-Erfahrung ließ Willem nicht mehr los. Er begann, im Internet zu recherchieren, um besser zu verstehen, was da passiert war. Bald erkannte Willem, dass selbst er, der Chemie in der Schule zum frühestmöglichen Zeitpunkt abgewählt hatte, DMT in ein paar einfachen Schritten herstellen konnte. "Eine Säure-Base-Reaktion ist nicht so kompliziert und online gibt es einen Haufen Tipps für Heimlabore", sagt er.

Für 150 Euro kaufte sich Willem die Grundausstattung, die seine Küche in ein Drogenlabor verwandelte. "Die Herstellung meiner ersten Ladung war ein ziemlich Chaos", erinnert er sich. "Aber am Ende hatte ich zwei Gramm DMT. Das war ein tolles Gefühl." Allerdings wusste er da noch nicht, ob es auch funktionieren würde.

Willem war klar, dass er das Zeug selbst ausprobieren musste, bevor er es anderen anbieten konnte. "Ich war mit meiner damaligen Freundin bei Freunden. Sie wussten alle, dass ich daran gearbeitet hatte, aber als ich dann mein selbstgemachtes DMT auf den Tisch stellte, wurden plötzlich alle ganz still. Ich ging nach oben, um mir eine Pfeife anzuzünden. Meine Freundin saß währenddessen neben mir. Keine Ahnung, warum ich ein solches Vertrauen hatte, aber ich sollte Recht behalten. Es war magisch!"

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Ein Jahr später: Willem hatte eine Ausbildung zum Uhrenmacher abgeschlossen und arbeitete in einer Lagerhalle, um die 1.500 Euro für professionelle Laborutensilien zu sparen. An den Wochenenden verkroch er sich zu Hause und brachte sich bei, DMT zu kochen. "Abgesehen von der Droge selbst entwickelte ich eine unfassbare Faszination für Chemie", sagt er. "Ich konnte dem DMT stundenlang dabei zugucken, wie es im Glasbehälter kristallisierte. Das waren quasi Chemie-Pornos." Seine Augen leuchten.

Die Sonne geht langsam unter und wir laufen zurück zu seinem Wohnwagen. "Wenn mich etwas fasziniert, vertiefe ich mich vielleicht ein bisschen zu tief darin", sagt er.

Schon bald waren seine ganzen Küchenregale voller Gläser mit Natriumhydroxid, Flaschen mit Essig und großen konischen Kolben. Überall flogen Messspritzen aus Plastik rum und türmten sich ordnerweise Anleitungen und Aufzeichnungen. Während er die ganzen Dinge aufzählt, muss Willem lachen. "Ich war ziemlich leichtsinnig am Anfang. Es flog einfach alles in einem großen Chaos rum. Freunde, die mich besuchten, waren zuerst ein bisschen verstört. Aber ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht und letztendlich fanden sie es auch aufregend."

Trotzdem wollte ihm niemand etwas abkaufen. "Die Reaktionen waren am Anfang schon etwas enttäuschend", sagt er. "Ein paar Freunde haben hier und da mal einzelne Dosen gekauft. Das war es aber. Irgendwann hatte ich 300 Gramm hergestellt, Straßenwert: 27.000 Euro. Also habe ich Leute gesucht, der mir größere Mengen abnehmen."

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Willem will nicht verraten, wie er die Käufer fand, aber sein Geschäft nahm jetzt merklich an Fahrt auf. "Es war etwas ganz Anderes als mit den Hippies und den Psychonauten, denen ich davor was verkauft habe. Plötzlich hatte ich es mit echten Geschäftsleuten zu tun, stinkreichen Typen, die sich an Vereinbarungen hielten. Das Geld flatterte nur so rein."

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Willems Zuhause war bald voller Zutaten und Kolben

Willem wurde immer effizienter in seiner kleinen Küche. Bald arbeitete er nicht mehr nur mit einem kleinen Glasbehälter, sondern mit 32. Gleichzeitig. "Das bedeutet, dass du 160-mal Flüssigkeit hinzugibst und die Gläser 3.200-mal schüttelst", rechnet er laut vor. "Das war kein Hobbyprojekt mehr, sondern ein Vollzeitjob. Und ich musste akzeptieren, dass ich etwas hochgradig Illegales machte. Mir dämmerte nach und nach, dass ich ein Verbrecher war. Aber das fand ich eigentlich ganz gut. Je professioneller ich wurde, desto größer war der Adrenalinrausch."

"Mir dämmerte nach und nach, dass ich ein Verbrecher war. Aber je professioneller ich wurde, desto größer war der Adrenalinrausch."

Als wir an seinem Wohnwagen ankommen, der vor dem Grundstück seines neuen Arbeitgebers steht, kommen wir auf die praktischen Details des DMT-Kochens zu sprechen. "Die meisten Sachen habe ich mir im Baumarkt besorgt", sagt er. "Beim ersten Mal stellen sie keine Fragen, aber wenn du zum zehnten Mal aufkreuzt, um fünf Flaschen Natriumhydroxid zu kaufen, wollen sie wissen, was du damit anstellst. Das Zeug brauchst du für die Herstellung von fast jeder synthetischen Droge, die es gibt. Du kannst sogar Bomben damit basteln. Manchmal wollen sie eine Kopie deines Ausweises haben. Das führte dazu, dass ich einen Haufen verschiedener Läden abklappern musste."

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Er holt aus seinem Wohnwagen ein paar Notizbücher hervor. "Für mich ging es nicht länger darum, einer bestimmten Anleitung zu folgen." Durch Nachforschungen, Experimente und einen Haufen Notizen verbesserte Willem im Laufe der Zeit sein Rezept. Er fing an, sich auf Changa zu spezialisieren, eine DMT-haltige Rauchmischung. "Noch schwieriger zu kriegen als DMT!", prahlt Willem.

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Links: Eine Auflaufform mit Changa und eine Auflaufform mit DMT | Rechts: DMT im Glas

"Chemieabfälle sind schon ein kleines Problem", sagt Willem, seine Stimme klingt jetzt weniger enthusiastischer. "Einmal habe ich das Zeug ins Klo gekippt, aber danach fühlte ich mich richtig schlecht deswegen. Andere Male habe ich Kanister mit dem Chemiemüll an einer Straßenecke stehen lassen. Aber das ist auch nicht richtig. Du machst es damit nur zum Problem von jemand anderem. Aber wenn du auf der falschen Seite des Gesetzes stehst, kannst du auch nicht wirklich etwas machen."

Mit 24 hatte Wille genug Großabnehmer, um seinen Lagerjob zu kündigen. Zuhause machte er jetzt nichts Anderes mehr, als DMT zu kochen. Er musste mit offenem Fenstern arbeiten, was dazu führte, dass sein Haus von einem ständigen Benzingeruch umgeben war. Das wiederum machte Willem immer ängstlicher: Wenn die Räucherstäbchen nicht mehr ausreichten, könnten seine Nachbarn Verdacht schöpfen. Willem wurde zunehmend nervös, wenn Menschen an seinem Haus vorbeiliefen. Er fühlte sich immer weniger wohl in seinem eigenen Zuhause. "Als ich rund um die Uhr DMT herstellte, wurde ich extrem paranoid", sagt er. "Der Schlafmangel half auch nicht gerade. Ich arbeitete wochenlang durch, ohne meine Freunde zu sehen."

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Bald war selbst die ganze Kohle den Stress nicht mehr wert. "Ich hatte immer gedacht, dass Geld mich glücklich machen würde, aber seitdem ist viel Zeit vergangen", sagt er. "Die Typen, für die ich damals gearbeitet habe, wollten, dass ich auch Speed und Ecstasy herstelle. Der Plan war, dass ich in ein Haus mitten im Nirgendwo ziehe, das mit einem kompletten Labor und allen Materialien und Chemikalien ausgestattet ist. Dort hätte ich ungestört arbeiten und Tausende Euro im Monat verdienen können."

"Am Ende wollte ich meine Freiheit zurück."

Er hält einen Augenblick inne und schluckt. "Für mich war das ein Schritt zu weit. Ich hatte genug", sagt er. "Jahrelang habe ich damit verbracht, rund um die Uhr Drogen zu kochen und giftige Dämpfe einzuatmen. Ständig riskierte ich, erwischt zu werden oder mein Haus abzufackeln. Ich wollte beim DMT bleiben und der dazugehörigen Hippie-Welt. Wenn du Speed oder Koks verkaufst, bekommst du es mit einem ganz anderen Leuten zu tun."

Das vergangene Jahr hat Willem damit verbracht, sein Drogenimperium aufzulösen. Er will zwar nicht verraten, für viele Leute er gearbeitet hat, aber der Ausstieg aus dem Geschäft, sei problemlos abgelaufen. Das war's dann also? "Chemie wird immer ein Hobby von mir bleiben. Aber die Tage der Hardcore-Koch-Sessions sind vorbei", sagt er. "Ich schätze mich glücklich. Ich bin nie erwischt worden und habe eine hübsche Menge Geld zurückgelegt. Am Ende wollte ich aber einfach meine Freiheit zurück."

Und diese hat Willem schließlich in seiner neuen Karriere als Gartenbauer gefunden. Er ging zurück an die Uni und studierte Agrarwissenschaften. Wir sitzen vor seinem Wohnwagen. Es ist jetzt dunkel. Willem streckt die Beine aus, verschränkt die Hände hinter seinem Kopf und blickt auf die Öllampe, die auf dem kleinen Tisch vor ihm steht. Bald darauf verabschieden wir uns. Willem muss morgen um früh 7 Uhr wieder auf dem Feld stehen.

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