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Neue Statements zu Rihanna: Keine Runde Mitleid für Chris Brown, bitte

In einer neuen Dokumentation über sein Leben schildert Chris Brown erstmalig seine Seite der Missbrauchs-Geschichte von Rihanna. Selbst nach acht Jahren scheint er einiges nicht verstanden zu haben.
Screenshot von Facebook/chrisbrownfancom

Man kann es sich heute kaum noch vorstellen, aber einst war Chris Brown ein unschuldiger Publikumsliebling á la Disney Club-Kids, der auf MTV seinen "Super Sweet Sixteen" feierte und seine Mama lieb hatte. Talentiert, ambitioniert und vor allem eine lupenreine Weste waren jene Attribute, die Chris Brown in Amerika und nicht zuletzt auch hier zu seinem Platz in den Charts und den Herzen der Teenager und sogar deren Mamas verhalf. Wie gesagt: einst.

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Denn im Februar 2009 verwandelte sich Chris Brown über Nacht vom Disney-Prinzen zum Monster: Er hatte seine damalige Freundin Rihanna ins Gesicht geschlagen. Seitdem ist viel passiert. Rihanna ist vom Popsternchen zu einer der einflussreichsten und selbstbewusstesten Persönlichkeiten der Musikindustrie herangewachsen und Chris Browns ehemals weiße Weste sieht inzwischen aus wie der Lumpen, mit dem das Klo in Transpotting geputzt wurde.

Bis heute ist es Chris Brown nicht gelungen, seinen einst guten Ruf zu rehabilitieren. Selbst ohne die Skandale, die auf den Rihanna-Vorfall folgten (der jüngste darunter die einstweilige Verfügung über fünf Jahre, die seine Exfreundin Karrueche Tran gegen ihn erwirkte, weil er sie geschlagen und mit dem Tod bedroht hatte). Die Leute konnten und wollten einfach nicht die Bilder der blutverschmierten, verschwollenen und mit blauen Flecken übersäten Rihanna vergessen. "Es wird mich mein Leben lang verfolgen", resümierte nun auch Brown in der neuen Dokumentation über sein Leben, Chris Brown: Welcome to My Life, in der er unter anderem auch seine Seite der Geschichte erzählte. Eine Seite, die von Mitleid und Trauer geprägt ist – jedoch nicht gegenüber Rihanna, sondern sich selbst.

Laut Chris Brown setzten die Beziehungsprobleme mit seinem Geständnis ein, Rihanna betrogen zu haben. "Sie hatte jegliches Vertrauen zu mir verloren. Sie hat mich dafür gehasst. Ich habe alles probiert, aber sie hat mir einfach nicht mehr vertraut. Ab diesem Zeitpunkt ging es bergab." Und bergab bedeutete: "Verbale und physische Streits – auf beiden Seiten", wie Chris Brown erklärt. Er fährt fort: "Das ist das erste Mal, dass ich auch mal was sagen darf. Ich habe sie geschlagen, sie hat mich geschlagen und das war nie OK. Irgendwann waren wir immer an einem Punkt, wo wir uns fragten: 'Was zum Teufel machen wir da eigentlich?'"

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Am Abend einer Pre-Grammy-Party, als Chris Brown Rihanna in seinem Lamborghini attackierte, soll seiner Aussage nach auch sie angefangen haben. Angeblich hatte sie eine SMS von einer anderen Frau gesehen und ihn daraufhin angegriffen. "Sie hat versucht mich zu treten, aber dann habe ich sie richtig geschlagen, mit geschlossener Faust, ich hab ihr eine Bombe gegeben. Ihre Lippe ist aufgeplatzt. Als ich das sah, war ich geschockt. Ich dachte mir 'Was zum Teufel hab ich ihr angetan?'" So groß kann der Schock dann aber doch nicht gewesen sein, denn Chris Brown setzt fort: "Dann begann sie mir ins Gesicht zu spucken, sie spuckte mir Blut ins Gesicht und davon wurde ich noch wütender."

Physische Gewalt ist – wie auch Chris Brown sagt – "nie OK". Selbstverständlich auch nicht Männern gegenüber – auch wenn der Sexismus unserer Gesellschaft uns oft glauben lässt, einem Rüpel eine gekonnte Ohrfeige zu verpassen oder kess einen Drink ins Gesicht zu kippen, sei besonders emanzipiert und selbstbewusst. Das ist es nicht. Selbst bei Chris Brown nicht.


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Aber etwas Chris Browns Darstellung der Gewalt und des Missbrauchs in seiner Beziehung mit Rihanna ist eindeutig falsch: Er verharmlost sein eigenes Fehlverhalten und versucht es durch ihre Fehler zu relativieren. "Sie hat mich auch geschlagen" ist keine Legitimation für Gegengewalt. Männer sind physisch meist stärker als Frauen. Deswegen tragen Frauen bei Auseinandersetzungen zwischen ihnen meist stärkere Verletzungen davon als umgekehrt. Das sollte man eigentlich nicht erwähnen müssen. Genauso wenig wie die Tatsache, dass Gewalt an Frauen häufiger vorkommt und oft schwere Folgen hat – das aber nicht bedeutet, dass Gewalt an Männern nicht ebenso zu verurteilen ist.

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Neben der Gewalt, die Rihanna Chris Brown angetan hat, gab es jedoch noch einen zweiten, subtileren Vorwurf, den er immer wieder zwischen den Zeilen zu seiner Verteidigung anführt: Trotz seiner heldenhaften Ehrlichkeit, wollte Rihanna ihm doch partout nicht vergeben – ja hat ihn sogar mit Misstrauen bestraft!

Gesellschaftlich, aber vor allem auch in der HipHop-Kultur, muss eine Frau noch viel zu oft in einer Beziehung warmherzig und gütig sein. Sie soll sich um den Mann kümmern und ihn in ihren sicheren Schoß aufnehmen, wenn der mal wieder von seinen Spirenzien nach Hause kommt. "Boys will be Boys" und der "Engel unter tausend Huren".

Statt mit dem obligatorischen Anschiss inklusive Haare über die Schulter Werfen, erhobenen Zeigefingern und Krokodilstränen mit anschließender Vergebung mit Wut, Zurückweisung und Strafe zu reagieren, ja es sich sogar erlauben, sich zu wehren, stößt bei den männlichen Antagonisten auf Unverständnis – in Chris Browns Fall sogar auf Gegenwut. Nach dem Motto: "Ich hab mich doch schon entschuldigt, was will die eigentlich von mir?"

Ähnliches passierte auch in Ciaras Fall: Die Welt reagierte empört darauf, dass sie ihren Ex-Verlobten und den Vater ihres Kindes Future vor Gericht zur Verantwortung zu ziehen wollte – nachdem der sie betrogen hatte. Sie galt sofort als rachsüchtige, zornige Exfrau und das passt nicht in das Bild der barmherzigen Madonna. Und wenn eine Frau sich nicht "wie eine Frau" verhält, muss man sie auch nicht wie eine behandeln, oder?

Dass sich Chris Brown tatsächlich als Opfer sieht, zeigt nur, wie wenig er sein Verhalten in den letzten acht Jahren selbst reflektiert hat. Und dazu müssen die Gewaltausbrüche gegenüber Frauen, die Chris Brown auch nach dem Vorfall mit Rihanna hatte, gar nicht als Beweis herangezogen werden.

Wenn Chris Brown also zum Schluss seines Interviews sagt, "Das wird mich bis zum Ende meines Lebens verfolgen", bleibt nicht grundlos das Gefühl zurück, dass er dabei mehr um sich selbst trauert. Ihm geht es nicht darum, dass er das moralische und seelische Joch zu tragen hat, einen schwächeren Menschen misshandelt zu haben. Er sieht sich als den armen Typen, dem dieser eine Fehler ewig vorgehalten werden wird.

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