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Talkshows

Hart aber unfair: Frank Plasberg geht mit flüchtlingsfeindlicher Rhetorik auf Quotenjagd

Die aktuelle Sendungsankündigung von 'Hart aber Fair' klingt wie aus einem besorgten Tagebuch-Eintrag von Alexander Gauland.
Foto: imago | Sven Simon || Screenshot: WDR

Wenn die Sendung mit der Maus demnächst erklären würde, wie man mit Framing eine bestimmte Meinung in die Köpfe des TV-Publikums pressen kann, fände sie ein prägnantes Beispiel im eigenen Sender-Programm. Mit rhetorischen Mitteln vom ganz rechten Rand bedient die vom WDR produzierte Talkrunde Hart aber Fair in einer Sendungsankündigung das Klischee vom kriminellen Flüchtling.

"Flüchtlinge und Kriminalität – Die Diskussion" lautet der Titel der Sendung, die an diesem Montagabend um 21 Uhr ausgestrahlt werden soll. Während der Titel noch Spielraum zur Interpretation lässt, macht die Sendungsbeschreibung klar, welche Ängste man hier gerne triggern möchte:

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"Junge Männer, geflohen aus Krieg und archaischen Gesellschaften – für viele hierzulande Grund zu Sorge und Angst. Können solche Flüchtlinge überhaupt integriert werden? Wie unsicher wird Deutschland dadurch?"

Die Ankündigung liest sich, als habe sie Alexander Gauland in sein Tagebuch geschrieben. Dabei stammen die Sätze von einer Talkshow, die im letzten Jahr durchschnittlich 3,05 Millionen Zuschauer hatte.


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Dass Flüchtlinge aus vermeintlich "archaischen Gesellschaften" nicht zur Kultur des Abendlandes passen, unterstellt die AfD immer wieder. In den sieben Jahren, die der Krieg in Syrien andauert, scheint nicht nur die AfD vergessen zu haben, dass es ursprünglich die gebildete Mittelschicht war, die in dem entwickelten aber unterdrückerisch regierten Land gegen Baschar al-Assad aufbegehrte. Abgesehen von der politischen Klasse war die syrische Bevölkerung von einer "archaischen Gesellschaft" also weit entfernt. Und wenn Plasbergs Redaktion dann noch von jungen Männern schreibt, die aus dem Krieg geflohen seien, reproduziert sie ein Bedrohungsszenario, bei dem Rechtspopulisten ebenso ein Schauer über den Rücken läuft, wie wenn sie Jean Raspails Angstporno "Das Heerlager der Heiligen" lesen. Darin überrollen eine Million Flüchtlinge aus Indien den europäischen Kontinent. Doch diese Vorstellungen sind schlicht falsch. 2017 betrug der Anteil von jungen Männern im Alter von 18 bis 30 Jahren an der Gesamtzahl der Flüchtlinge laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 21,5 Prozent. Dazu kommt, dass viele sich integrieren wollen. Das BAMF errechnete, dass 2017 bei Integrationskursen die meisten Teilnehmer "aus dem Bereich der humanitären Zuwanderung" stammten, also zum Beispiel aus Kriegsgebieten. Auch dass inzwischen jeder vierte Flüchtling eine Arbeit gefunden hat, der seit 2015 aus Kriegsgebieten und Krisenländern nach Deutschland kam, dürfte Hart aber Fair wohl kaum ins Sendungskonzept passen.

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'Hart aber Fair' reproduziert rechte Klischees

Die Formulierungen, Unterstellungen und Zuschreibungen, deren sich Hart aber Fair hier bedient, seien ein Nährboden für Angst, Hass und Hetze, schreibt der Journalist Lorenz Meyer in einem über 400 Mal geteilten Facebook-Post. Wenn die Hart aber Fair-Redaktion schreibe, dass diese jungen Männer "für viele hierzulande Grund zu Sorge und Angst" seien, trage sie selbst dazu bei, dass genau diese Ängste entstehen, schreibt Meyer. Die Theorie, dass die Wahrnehmung der Realität bestimmt, wie wir handeln, lernen Medienwissenschaftlerinnen wie Miriam Meckel schon im ersten Semester. Bereits 2010 erklärte die Publizistin im Spiegel, wie Medien bestimmte Meinungen von Menschen verstärken. "Jemand, der von Grund auf schon ängstlich ist, lässt sich natürlich leichter von solchen Themen ansprechen und beeinflussen", sagte sie damals in dem Interview und schlug vor, stattdessen einfach öfter zu erklären, wie die Fakten wirklich aussehen. Genau das hat Hart aber Fair hier nicht gemacht, auch wenn im Text völlig unpräzise die Rede davon ist, "viele" seien besorgt. Wie viele oder vielleicht auch wenige das wirklich sind, wird die Sendung hoffentlich am Montagabend nachreichen. Aber auch an anderer Stelle gäbe es noch Erklärungsbedarf.

Denn auch danach geht es suggestiv weiter, wenn der Text die Frage stellt: "Können solche Flüchtlinge überhaupt integriert werden?" Das sei "eine Frage wie aus dem Lehrbuch der schwarzen Dialektik", schreibt Meyer, "denn diese Frage stellt sich doch überhaupt nicht". Tatsächlich wäre es Unsinn, überhaupt noch Integrationszentren, Sprachkurse und andere Bildungsprogramme für Flüchtlinge zu betreiben, wenn wir gar nicht an deren Erfolg glauben würden.

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Die letzte Frage – "Wie unsicher wird Deutschland dadurch?" – unterstelle dann endgültig, wir müssten mehr Angst vor geflüchteten jungen Männern haben, als vor "Straßenverkehr und Diesel-Dreckschleudern oder Bedrohungen wie Altersarmut und Pflegenotstand", schreibt Meyer. Man hätte aber auch einfach einen Blick in das BKA-Lagebild zur "Kriminalität im Kontext von Zuwanderung" werfen können. Dann wäre einem aufgefallen, dass Flüchtlinge, die aus Kriegen und Konfliktregionen nach Deutschland kamen, viel seltener in Straftaten verwickelt waren als Flüchtlinge aus friedlichen Gegenden, schreibt die Welt. Obwohl im letzten Jahr mit 565.063 Menschen die meisten Flüchtlinge aus Syrien kamen (35,5 Prozent), machten sie nur 20 Prozent der tatverdächtigen Zuwanderer aus.

Deutsche Talkshows hofieren Rechte

Erst am Sonntag zeigte Alexander Gauland mit der Aussage, dass "Hitler nur ein Vogelschiss in der über tausendjährigen Geschichte Deutschlands" sei, wo er und die AfD politisch stehen. Trotzdem werden er und Alice Weidel immer wieder in die Talkrunden von ARD und ZDF eingeladen, die wie maßgeschneiderte Bühnen für ihre ausländerfeindliche Politik wirken.

Es ist natürlich OK, auch mit Rechten zu reden. Doch wenn die öffentlich-rechtlichen Talkrunden sich nicht zu deren Erfüllungsgehilfen machen wollen, sollten sie deren Aussagen nicht plump reproduzieren. Die Redaktion von Hart aber Fair scheint sich allerdings keiner Schuld bewusst zu sein und schreibt bei Twitter, man versuche nur "das, was Menschen beschäftigt, so darzustellen, wie es ist".

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