Elyas M'Barek sitzt nachdenklich auf einem Stuhl
Alle Fotos: Grey Hutton

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Popkultur

Elyas M'Barek möchte nicht euer "guter Ausländer" sein

Seit 'Fack Ju Göhte' gilt der Schauspieler als Deutschlands feuchter Traum – und muss sich Fragen zu Sixpack und Liebesleben gefallen lassen. Dabei treiben M'Barek ganz andere Dinge um. Ich habe ihn begleitet.

Seit zehn Minuten brüllen Elyas M'Barek und ich uns durch ein kleines Loch in der Wand an. "Ich checke das überhaupt nicht!", ruft er verzweifelt. "Ich kann nichts sehen, weil du genau davor stehst!", antworte ich frustriert. Wir sind im Horrorraum des Escape Game München gefangen und haben nur noch fünf Minuten, uns zu befreien.

Auf seiner Seite der Wand steht eine Zahlentafel, ich versuche durch ein winziges Guckloch einen Blick auf das Rätsel zu erhaschen. Wir haben uns bereits von Heizungsrohren losgekettet, körperlose Hände aus einer Truhe voller Einwegspritzen geborgen und römische Zahlen aus Kunstblutspritzern herausgelesen. Nur die Kombination für die letzte Tür kriegen wir einfach nicht hin.

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Da schaltet sich auf meiner Seite plötzlich ein Bildschirm ein. Ich könne mich auch ohne die richtige Zahlenkombination retten, sagt die gruselige Puppe aus Saw, dafür müsste ich allerdings meinen Partner opfern. Ein Knopf leuchtet rot auf, über ihm steht "KILL".

"Wie ich einen von Deutschlands beliebtesten Schauspielern in einem Münchener Escape Room umgebracht habe, obwohl ich nur herausfinden wollte, wie er als Mensch so drauf ist" – eigentlich kein schlechter Arbeitstitel, denke ich.

Die Sache ist nämlich: Dafür, dass Elyas M'Barek mit Fack Ju Göhte zum Aushängeschild des deutschen Mainstream-Kinos geworden ist, weiß man überraschend wenig über ihn.

In Interviews muss der 36-Jährige regelmäßig die Fragen beantworten, ob er denn jetzt wirklich eine Freundin hat, wie lange er für sein Sixpack trainieren musste, und was seine Position zu Migrationsfragen ist. Wie das eben so ist, wenn halb Deutschland mit einem schlafen möchte, man aber nicht aussieht, wie sich Herbert oder Annika einen "richtigen Deutschen" vorstellen.

Alles, was Elyas M'Barek äußert, ist eine potenzielle Schlagzeile. Deswegen sagt er in seinen Interviews die immerselben ungefährlichen Sachen und wirkt lieber ein bisschen zu glatt, als sein Gesicht am nächsten Tag in der Bild-Zeitung zu sehen.

Aber glatt ist langweilig. Daher habe ich mir vorgenommen, Elyas M'Barek aus dem Konzept zu bringen. "'Er ist genauso langweilig und glatt, wie ich ihn mir vorgestellt habe' – wird das deine Headline?", hat M'Barek mich bei einem unserer ersten Treffen gefragt. "Mal gucken", habe ich geantwortet. Und jetzt stehen wir in diesem Horror-Escape-Room.

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Noch 15 Sekunden. Ich brülle eine letzte Kombination durch das Loch, M'Barek tippt sie hektisch ein, die Lichter gehen an, die Tür auf – wir haben es geschafft. "Das war krass", sagt er und für einen Moment fühlt es sich an, als würde ich hier nicht mit dem Typ stehen, der von GQ mal zum "Mann des Jahres" gekürt wurde. Elyas M'Barek hat die Gabe, übermenschlich perfekt auszusehen und gleichzeitig absurd normal zu wirken.

Ich fühle mich, als wäre ich mit einem guten Kumpel unterwegs. Einem Kumpel, der beim Verlassen des Escape Rooms von einer Gruppe Frauen nach einem Selfie gefragt wird. "Du kannst auch im Auto rauchen", sagt er, als wir in seinen Porsche steigen, und macht einen alten Wu-Tang-Song an.

Ich darf hier sein, weil M'Barek meine Texte mag. Seit Jahren versuche ich, ein Interview mit ihm zu bekommen. Als ich irgendwann über Twitter anfrage, antwortet er mir selbst.

Bei unserem ersten Treffen ist Elyas M'Barek im professionellen Arbeitsmodus. Aufgeräumt, freundlich, aber ein bisschen gestresst. Es steht eine wichtige Szene für den Film an, der seiner Karriere eine neue Richtung geben könnte: Der Fall Collini, ein Justizdrama nach dem Bestseller von Ferdinand von Schirach. Der Gerichtssaal, in dem große Teile der Handlung spielen, wurde in einem ehemaligen Kulturzentrum im Norden Berlins aufgebaut.

M'Barek spielt den Pflichtverteidiger Caspar Leinen, der herausfinden will, warum sein Mandant einen einflussreichen Geschäftsmann umgebracht hat. In der Buchvorlage geht es unter anderem um die Frage, ob Recht auch immer Gerechtigkeit bedeuten muss. Im Film auch – nur wurde die Backstory der Hauptfigur etwas erweitert: Die Mutter des Anwalts kommt hier aus der Türkei. Sonst sei das Publikum verwirrt, wie jemand, der Caspar Leinen heißt, aussehen könne wie er, erklärt M'Barek. "Ich würde mich das als Zuschauer ja auch fragen."

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M'Barek ist in Deutschland geboren, durch seine Mutter hat er einen österreichischen Pass. Trotzdem ist er es gewohnt, nicht einfach "Deutscher" oder "Österreicher" sein zu dürfen, ohne dazuerzählten Migrationshintergrund. Er hat sich damit arrangiert. Zu Beginn seiner Karriere gab es noch kein 4 Blocks, keine großen Debatten um Diversität in deutschen Film- und Fernsehproduktionen. Damals gab es Alarm für Cobra 11, Forsthaus Falkenau und Marienhof. "Da durfte ich dann den Drogendealer spielen, den Knasti", erzählt er.


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Das änderte sich mit dem Erfolg von Türkisch für Anfänger und den Rollen, die danach kamen. Sein Erfolg macht ihn auch für die Leute interessant, die sich sonst über Nicht-Weiße in der deutschen Fußballnationalmannschaft aufregen. Leute wie Robert Geiss, der gar nicht verstehen will, warum der Lieblings-Filmstar seiner Töchter kein Foto mit ihm machen mag.

"Für die bin ich jetzt kein Ausländer mehr, sondern der Typ aus Fack Ju Göhte", sagt Elyas M'Barek in der Drehpause trocken, und schiebt sich Geschnetzeltes vom Catering-Wagen in den Mund. Zumindest für die Leute, die ihn erkennen. In eine Berliner Bar ist er kürzlich nicht reingekommen; die Türsteherin hatte die Ansage bekommen: "Keine Türken und Araber." M'Barek hat das noch immer nicht verdaut.

Es erinnert ihn an früher, an die Zeit, wo ihm als Sohn eines Tunesiers im Club kein Tisch freigemacht wurde, weil er gar nicht erst reinkam. M'Barek versteht, warum viele Jugendliche mit Migrationshintergrund gefrustet sind. Er war ja selbst mal einer. Ohne Vorbilder, dafür aber immer mit dem Gefühl, anders zu sein. "Wenn einem sein ganzes Leben lang vermittelt wird 'Du gehörst nicht dazu' oder 'Du darfst hier nicht rein', bloß weil du so aussiehst, wie du aussiehst", sagt er, "schiebt man irgendwann Hass und denkt: Dann fickt euch doch, ihr Scheißkartoffeln!"

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"Für die bin ich jetzt kein Ausländer mehr, sondern der Typ aus Fack Ju Göhte."

Elyas M'Barek weiß, dass er mittlerweile privilegiert ist. Nicht nur weil er jetzt Geld und Erfolg hat, sondern weil er deswegen nicht mehr ständig rassistisch angegangen wird. Vor 15 Jahren gab es kaum Rollen für Menschen wie ihn, weil niemand sie geschrieben hat. Und jetzt wollen auf den Preisverleihungen und Filmpremieren plötzlich alle mit ihm reden – oder zumindest ein Selfie machen.

Die Mittagspause am Set ist fast vorbei, M'Barek muss zurück in den falschen Gerichtssaal. "Willst du mit zur Goldenen Henne kommen?", fragt er plötzlich. "Dann siehst du mal, wie so eine Veranstaltung ist." Die Goldene Henne ist so etwas wie der Bambi des Ostens. M'Barek ist in der Kategorie Schauspiel für einen Preis nominiert und da die Henne ein Publikumspreis ist, kann man davon ausgehen, dass er gewinnt.

Ein paar Tage später sitzen wir in einem Privatflugzeug, trinken Champagner und denken darüber nach, wie Elyas M'Barek die rassistischen Ausschreitungen in Chemnitz in seiner Dankesrede thematisieren könnte, ohne alle Menschen aus Sachsen als AfD-Wähler abzustempeln.

Elyas M'Barek dreht sich auf einem Bürostuhl

"Ich hatte so was vorbereitet wie: 'Schön, dass man im Osten mit Migrationshintergrund noch Preise kriegt'", sagt M'Barek und muss ein bisschen lachen. Ernst ist es ihm trotzdem. Als er 2016 nach den Wahlerfolgen der FPÖ verkündete, seinen österreichischen Pass verschenken zu wollen, bekam er Morddrohungen: "Zu den harmlosen Sachen gehörte noch: 'Der Kamelficker soll aufgehängt werden'." Mehrere Magazine griffen seinen Tweet auf, über die rassistischen Anfeindungen danach berichteten Medien erst, als er sie selbst zum Thema machte.

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Als er Stunden später tatsächlich die Goldene Henne entgegennimmt, hält Jana Pallaske die Laudatio, eine Schauspielkollegin aus Fack Ju Göhte. Sie erzählt, wie komisch sie M'Bareks Nachnamen am Anfang gefunden habe. Die Anekdote soll lustig sein, ist sie aber eigentlich nicht. Elyas M'Barek hatte in Interviews immer wieder erzählt, keine Wohnungen wegen seines Namens bekommen zu haben. Jetzt muss er gequält lächeln.

Auf der Bühne widmet er seinen Preis schließlich den Leuten in Sachsen, die gegen Nazis auf die Straße gehen. Elyas M'Barek sagt nicht "Rechte" oder "Rechtspopulisten", er sagt "Nazis". Für die deutsche Entertainmentbranche ist das ungewöhnlich direkt, fast edgy – wenn man nicht gerade Lars Eidinger ist und bekannt dafür, sich auf der Bühne Würste rektal einzuführen.

Als M'Barek von der Bühne kommt, warten mehrere Kameras auf ihn. Er strahlt breit, posiert mit den Verantwortlichen der Goldenen Henne für ein Foto, beantwortet euphorisch Fragen zu seiner Auszeichnung und umarmt anschließend noch ein aufgeregtes Teenager-Mädchen für ein Selfie. Nachdem der Blitz ausgelöst ist, scannt er den Raum und wirkt dabei ein bisschen wie ein Tier auf der Flucht. Möchte noch jemand etwas von ihm, oder kann er endlich gehen?

"Lisa, was hältst du von einem Wegbier?", fragt M'Barek, als wir endlich im Shuttle nach Berlin sitzen. Damit spricht er aus, worüber ich seit Angelo Kellys Live-Auftritt bei der Verleihung nachdenke. Der Fahrer hält an der nächsten Tankstelle und wir stoßen mit schlechtem Weißwein in Einweg-Kaffeebechern auf den Abend an. Es ist spät und Elyas M'Barek sieht trotz Smoking und geschminktem Gesicht nicht mehr wie der strahlende Typ aus, dessen Namen vor ein paar Stunden von Dutzenden Fans am Roten Teppich gekreischt wurde. Eher wie jemand, der sehr, sehr müde ist.

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M'Barek erzählt von einem Fernsehauftritt bei Wetten, dass..?, in dem er sich als "guter Ausländer" vorgeführt fühlte. Ungläubig hatte Moderator Markus Lanz nachgefragt, ob M’Barek wirklich römisch-katholisch sei und kein Wort Arabisch spreche – wo sein Vater doch Tunesier sei. "Wenn man immer wieder als Türke eingesetzt wird, wie schafft man sich das dann drauf?", wollte Lanz damals wissen. "Ich finde, du bist der falscheste echte Türke, den wir seit langer Zeit in der Sendung hatten", sagte Lanz abschließend und hielt das anscheinend für ein Kompliment. "Das ist Rassismus", sagt M'Barek. Und das klingt so gar nicht nach glattem Statement, mit dem er niemandem auf die Füße tritt.

"Normalerweise würde ich eine Journalistin nicht da mit hinnehmen, wo ich dich mit hinnehme."

Ist das der Moment, in dem er von seinem klassischen Interview-Skript abweicht, und der Mensch hinter der öffentlichen Person zu sehen ist? Wer ist Elyas M'Barek? Und wüsste ich überhaupt selbst, was ich antworten würde, würde mich jemand nach meinem wahren Ich fragen?

Ich weiß, dass Elyas M'Barek klingt, als würde er ein bisschen sterben, wenn er etwas sehr, sehr lustig findet. Sein Lachen ist dann sehr hell, als würde er daran ersticken. Ich weiß, dass er seine Mutter unter "Mama" in seinem Handy eingespeichert hat, aber gut, wer hat das nicht. Ich weiß, dass die Felgen seines Porsche hinten rechts Macken haben. Vom Einparken. Ich weiß, dass er sich an Dinge erinnert, die man irgendwann mal gesagt, selbst aber schon längst wieder vergessen hat.

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Vor allem aber weiß ich, dass ich nichts weiß, was ich nicht wissen darf. Denn Elyas M'Barek ist Profi und weiß bei aller Offenheit und Sympathie ganz genau, was er einer Journalistin erzählt und was nicht.

Oder?

Elyas M'Barek wirft einen Schneeball

"Normalerweise würde ich eine Journalistin nicht da mit hinnehmen, wo ich dich mit hinnehme", sagt M'Barek, als wir uns das nächste Mal treffen. Es ist November, früher Freitagnachmittag und ziemlich kalt. Heute ist er im Privatmensch-Modus: weiter Pulli und Beanie-Mütze über ungemachten Haaren statt Anzug und strahlend weißes Dauerlächeln. Ich will wissen, was er macht, wenn er nicht gerade die Rolle seines Lebens spielt: sich selbst. Also fahren wir durch Sendling, den Münchner Bezirk, in dem er aufgewachsen ist. Ein Arbeiterviertel, so wie eine Ecke in München eben Arbeiterviertel sein kann.

"Der Deutsche von Milli Vanilli hat in der gleichen Straße gewohnt wie wir!", sagt M'Barek und klingt ein bisschen stolz. "Ich schwöre es dir!" Wir fahren vorbei an dem knorrigen Kirschbaum, auf dem er mit den anderen Kindern aus der Nachbarschaft nach Unterrichtsschluss saß und die Straße beobachtete. Jeder hatte seinen eigenen Ast. Wenn sie nicht Kirschkerne vom Baum spuckten oder mit dem Fahrrad durch die Gegend bretterten, spielten er und seine Freunde im Westpark um die Ecke, erzählt M'Barek. Man kannte sich in der Nachbarschaft, die Familien waren miteinander befreundet.

Die Wohnung, in der er aufgewachsen ist, befindet sich in einem gepflegten Plattenbau. Irgendwann wurde sie zu klein für seine Mutter, seine beiden jüngeren Brüder und ihn. Also zog M'Barek kurz vor seinem 18. Geburtstag aus. Seine Mutter ist geblieben. Bis heute.

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M'Barek hält mit mir kurz vor seiner alten WG im "hässlichsten Haus im Glockenbachviertel", dem einzigen heruntergekommenen Neubau zwischen aufwendig restaurierten Altbaufassaden. Das Glockenbachviertel ist nicht nur deutlich schicker als Sendling, sondern auch das, was man gemeinhin als In-Viertel versteht. Monatelang suchten M'Barek und ein Freund, damals beide Studenten, nach einer Wohnung. Mit dem Umzug ging für ihn ein Traum in Erfüllung. Sein Mitbewohner und er klebten die Fensterscheiben mit Postern ab, damit die Nachbarn nichts von den Homepartys mitbekamen. Ständig waren Leute da, die Einweihungsfeier wurde von der Polizei beendet.

"Berlin ist mir einfach zu krass, zu wild, zu rough. Ich kenne Leute, die da untergegangen sind."

Die Wohnung lag im ersten Stock, direkt über dem Laden, in dem er als Teenager Rap-Platten gekauft hatte. Enter the Wu-Tang (36 Chambers) vom Wu-Tang Clan, Liquid Swords von GZA und natürlich alles von 2Pac. "Damals war deutscher Rap für viele total peinlich", sagt M'Barek. Blumentopf, Die Beginner – Studentenrap von Leuten, die meist nicht wussten, wie es ist, als Jugendlicher mit Migrationshintergrund in Deutschland aufzuwachsen. Das änderte sich erst mit Aggro Berlin. Damals hätte der junge M'Barek sich wahrscheinlich nicht vorstellen können, dass er fast zehn Jahre später den jungen Bushido spielen würde.

"Ich zeige dir jetzt mal den krassesten Beat überhaupt", sagt Elyas M'Barek, und spielt "Royalty" von Gang Starr an. Als er den Track das erste Mal im Radio hörte, sei er 15 gewesen. "Ich habe das auf Kassette aufgenommen, bin damit in Läden reingelaufen und habe gefragt: 'Was ist das?'", erzählt er und nickt mit. Ich liebe Gang Starr, ich liebe "Royalty" und bin der festen Überzeugung, dass der Produzent DJ Premier zum Besten gehört, was US-Rap jemals passiert ist, sage ich.

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"Ich habe die mal getroffen", erwidert M'Barek und dreht den Song ein bisschen leiser. Am Abend vor seinem 16. Geburtstag traten Gang Starr in München auf. Das Konzert war ausverkauft, also drückten M'Barek und sein Kumpel dem bekifften DJ der Vorband 15 Mark in die Hand. Statt den Teenagern Tickets zu geben, nahm der sie in den Backstage mit – wo Guru und DJ Premier dem aufgeregten Elyas M'Barek ein Poster signierten. Als Geburtstagsgeschenk.

Wäre das erst vor Kurzem passiert, hätte er mir wahrscheinlich ein Foto davon auf seinem Handy gezeigt. So wie von dem Auto, das er gerne fahren würde, oder dem sehr guten Sashimi, das er vor ein paar Monaten in London gegessen hat. Sein Fantum hat sich M'Barek all die Jahre bewahrt. Wenn er etwas gut findet, sagt er das. "Das ist auch so geil an Instagram", sagt er. "Dass du einfach den Leuten schreiben kannst, die du feierst."

Elyas M'Barek versucht, sich eine Zigarette in den Mund zu werfen

Es klingt abgeschmackt, aber: Elyas M'Barek ist einfach ein netter Mensch. Das ist es auch, was er an seiner Heimat München mag. Die Menschen hier sind freundlich. Hier hat er Freunde, die ihn schon vor seinem Durchbruch kannten. Wie sein Kumpel Lu, der sofort merkt, wenn M'Barek der Medienrummel zu viel wird, und sich dann zwischen seinen Freund und aufdringliche Paparazzi schiebt. Oder vermittelt, wenn Fans einfach nicht verstehen wollen, dass ihr Star jetzt keine Selfies mehr machen will.

"Elyas hat da wie so eine Art Reizschwelle, je nach Laune, wie jeder andere Mensch auch", sagt Lu. Und wenn es M'Barek zu viel wird, könne er nicht unfreundlich werden. Das wäre schließlich eine Schlagzeile. "Deswegen gibt es uns als Schutzwall aus Freunden." Kennengelernt haben sich die beiden bei den Dreharbeiten zu Wholetrain. M'Barek spielte eine der Hauptrollen, Lu wohnte mit Regisseur Florian Gaag zusammen. Das ist fast 15 Jahre her. Heute ist Lu unter anderem Mitbetreiber einer Modelagentur. Elyas M'Barek zeigt mir das Foto seiner Familie, das über Lus Schreibtisch hängt. Seinen Vater, seine Mutter, seine beiden Brüder. Lu, sagt er, sei so etwas wie der vierte Sohn. Sein engster Freundeskreis ist für ihn wie eine erweiterte Familie.

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Warum sollte er woanders in Deutschland leben wollen, fragt M'Barek. Hier hat er schließlich Leute um sich, mit denen er sich wohlfühlt.

Gelebt hat er trotzdem mal in Berlin. Die zweite Staffel von Türkisch für Anfänger war gerade abgedreht, M'Barek wusste, dass er jetzt mit den richtigen Leuten auf den richtigen Partys rumhängen muss, um seine Karriere weiter voranzutreiben – vor allem aber hatte er sich von seiner Freundin getrennt. Und keine Lust, sich in München eine neue Wohnung zu suchen. Also zog er an den Hackeschen Markt in Berlin-Mitte. 850 Euro, mit Dachterrasse. Doch auch die schönste Dachterrasse konnte nicht ändern, dass Berlin eben nicht München ist.

"Vielleicht ist das für mich wichtig, weil man so viel anderes nicht selbst kontrollieren kann."

"Das ist mir einfach zu krass alles, zu wild, zu rough", sagt M'Barek. Ständig gibt es irgendwo eine Party, ständig will irgendjemand irgendetwas von einem. "Ich kenne Leute, die da untergegangen sind." Und wenn es etwas gibt, das Elyas M'Barek wirklich nicht möchte, dann ist es, die Kontrolle zu verlieren. Weder über eine Situation, noch über sich. Das macht es auch so schwierig, ihn einzuschätzen.

"Ich bin extrem pünktlich, ich bin sehr zuverlässig und ich bin mega gut im Organisieren", erklärt er. Es gibt viele Menschen, die das von sich behaupten, bei M'Barek stimmt es allerdings. Ich habe schon zweieinhalb Stunden auf ein Interview mit Mobb Deep gewartet. Elyas M'Barek hingegen schickt zwei Sprachnachrichten, in denen er sich dafür entschuldigt, mich erst 15 Minuten später am Hotel abholen zu können. Das mag damit zu tun haben, dass er höflich ist. Es hilft ihm aber auch selbst, seinen Tag zu planen, Dinge zu strukturieren, die Liste im Kopf abzuarbeiten.

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"Es beruhigt mich, wenn ich irgendwie …", er hält kurz inne. Dann setzt er neu an: "Vielleicht ist das für mich wichtig, weil man so viel anderes nicht selbst kontrollieren kann. Vielleicht ist das eine Möglichkeit für mich, zumindest meinen eigenen Kosmos zu kontrollieren." Deswegen hat er auch eines seiner alten Hobbys wieder aufgenommen: Musik.

Was etwas Emotionales, vermeintlich Intuitives wie Musik mit Ordnung und Kontrolle zu tun hat? Alles. Zumindest für Elyas M'Barek. Drums zu produzieren, mit Effekten zu experimentieren, alles so lange zu schieben, bis es perfekt ineinanderpasst – das ist für ihn wie Meditation, sagt er.

Elyas M'Barek steht am Fenster und telefoniert

Schon als Jugendlicher hat er Stunden vor seiner mühsam zusammengesparten MPC gesessen, Samples zu den Songs rausgesucht, die er gut fand, versucht, die Beats nachzubauen. Sein altes Equipment steht noch im Keller seines besten Kumpels Lu. M'Barek braucht sie aber sowieso nicht mehr. Kürzlich hat er sich alles gekauft, was er sich früher nicht leisten konnte. Und sich in seiner Wohnung ein kleines Studio eingerichtet.

"Kennst du das, wenn du das Gefühl hast: Fuck, eigentlich ist da was, was irgendwie noch in einem schlummert?", fragt Elyas M'Barek. "Etwas, von dem dein Verstand oder dein Talent dir sagt: Das solltest du tun, das ist für dich gemacht?" Dann zündet er mir die Zigarette an, die ich von ihm geschnorrt habe. Es ist nicht die Erste und es wird nicht die Letzte sein an diesem Tag.

Ich weiß nicht, warum M'Barek so nett zu mir ist, sich so viel Zeit nimmt, so wahnsinnig aufgeschlossen über Dinge spricht, die ich sonst noch nirgendwo über ihn gelesen habe. Vielleicht ist es echt. Vielleicht habe ich mich einlullen lassen, aber wenn dem so ist, hat sich Elyas M'Barek ziemlich viel Mühe dabei gegeben.

"Du wirkst immer so unbegeistert", hatte er vor ein paar Stunden noch zu mir gesagt. Nicht als Vorwurf, mehr als irritierte Feststellung. Aber als wir später am Abend Bier trinkend in einer Bar sitzen, darüber sprechen, wie sehr wir A Long Hot Summer von Masta Ace lieben, oder wie weit wir bei Red Dead Redemption 2 sind, muss ich mir eingestehen: Ich habe mich noch mit keiner Person so gut unterhalten, mit der ich eigentlich nur ein Interview führen wollte. Und ich ärgere mich fast darüber, wie sympathisch mir Elyas M'Barek ist.

Bevor wir uns verabschieden, macht M'Barek noch ein Foto von uns und lädt es bei Instagram hoch. Um meinen Account zu pushen. Er strahlt routiniert in die Kamera, ich sehe aus wie ein sehr skeptisches Wildschwein im Scheinwerferlicht eines nahenden LKW.

Auf dem Weg zurück ins Hotel stirbt mein Handyakku, als ich mein Telefon im Zimmer endlich an die Steckdose hängen kann, habe ich 50 ungelesene Nachrichten und 400 neue Follower. Wildfremde Frauen wollen von mir wissen, wer ich bin oder ob ich M'Barek ausrichten könne, dass sie ihn lieben. Fan-Accounts liken wahllos Fotos von mir und teilen Screenshots aus meiner Insta-Story. Irgendwie hatte ich vergessen, dass Elyas M'Barek nicht einfach nur ein überdurchschnittlich attraktiver Typ ist, mit dem man sehr gut über Deutschrap-Gossip diskutieren kann.

Zunehmend irritiert scrolle ich durch die Kommentare, Verlinkungen, Nachrichten. Frage mich, wie es Prominenten überhaupt noch Spaß machen kann, Social Media zu nutzen. Ich bekomme jetzt schon Social Anxiety, dabei bin ich nur auf dem Selfie eines Promis markiert. Da ploppt eine WhatsApp-Notification von M'Barek auf. "Udo Walz gefällt unser Foto", schreibt er. "Hat sich also gelohnt."

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