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So verhältst du dich wie ein waschechter Wiener Techno-Veranstalter

Der heutige Nebenberuf "Veranstalter/DJ" ist das musikalische Äquivalent zu "Blogger".

Es braucht schon einen gewissen Fanatismus, um mit dem Veranstalten von eigenen Partys zu beginnen. Eine Art übergeordnete Liebe zum Techno. Die Kette geht so: Zuerst ist man ein Gast. Man nimmt die Partys hin. Die übrige Musikexpertise behält man für sich und seine Freunde. Besser noch: Viele Gäste scheißen gleich auf die Musikexpertise.​

Als Nächstes steigt man zum Techno-DJ auf. DJ-Karrieren beginnen mit einer zarten Liebe zu einer bestimmten Musikrichtung. Ein Wiener Techno-DJ regt sich öffentlich über gar nichts auf, denn man könnte dann potenzielle Booker verschrecken. Tut er es doch, wird er ab dem Zeitpunkt seiner Meinungsäußerung noch sechs Monate versuchen, DJ zu sein und nach sechs Monaten wird er diesen Traum aufgeben. Oder: Er wird Veranstalter von eigenen Partys.

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Veranstalter haben einige Vorteile gegenüber DJs. Zum Beispiel dürfen Veranstalter eine Meinung haben. Also nicht zu Lokalen, aber zu anderen DJs. DJs werden ja von niemandem respektiert und geachtet—vom Booker nicht, vom Lokalbesitzer nicht und den Gästen ist man als Support-DJ auch irgendwie egal. Andere DJs finden dich sowieso scheiße und untalentiert. Das kehrt sich—solltest du tatsächlich ein Veranstalter werden—schlagartig um. Hier ist dein Verhaltenskodex als Veranstalter in Wien. Eventuell ist es in anderen elektronischen Bereichen auch so, aber ich kehre mal vor meiner Techno-Haustür.

Sei ein Musiksnob

Alle verwackelten Fotos von der Autorin.

Niemand kennt die Technomusic so wie du. Sonst wärst du ja kein Veranstalter. Vergiss die Tatsache, dass es wirklich nichts braucht, um sich selbst Veranstalter zu schimpfen. Kein Bewerbungsgespräch, kein Qualitätscheck, kein wirtschaftliches oder musikalisches Wissen. Nicht mal einen aufrechten Gang oder gleichmäßige Atmung. Und weil genauso jeder Vogel Veranstalter werden kann wie DJ (nur ohne die teueren Geräte), musst du dich selber legitimieren. Am besten machst du das montags und dienstags auf Facebook.

Denk an deinen Geltungsdrang: Du bist besser als alle deine Kollegen. Du bist besser als 90 Prozent aller österreichischen DJs. Hab zu jedem Lokal und vor allem jeder Anlage eine vorgefertigte Meinung. Teile Musik, die du kennst, in die Kategorien "gut" und "schlecht" ein.  Elektronische Musikrichtungen, die anders klingen, sind pauschal schlecht. Kommentiere bei YouTube-Links auf Facebook deine ungefragte Meinung. Und: Du bist der weiße Ritter des Technos. Nur du weißt, wie richtige Techno-Partys gehen. Deine Kollegen sind Wappler. Immer.

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Schreibe dich in jedes einzelne LineUp deiner Partys

Nur als DJ hat es nicht geklappt. Aber das macht nichts. Du, als Ritter der Technomusic, hast als Einziger eine Ahnung von wirklich guten Bookings und Partys. Und was beinhalten diese ur guten Partys? Natürlich deine Lieblingskünstler und dich. Immerhin willst du ja deinen Gästen etwas bieten. Und das bist nun mal du und dein ganz persönlicher, exquisiter Musikgeschmack.

Geh davon aus, dass ganz Österreich Techno hört und eine Ahnung von den Acts hat, die du dir leisten kannst. Organisiere die Party auch nur um dein hochkarätiges LineUp herum. Im LineUp vertreten: Du, deine Freunde, DJs und Veranstalter, von denen du ein Gegenbooking verlangen wirst und natürlich dein Main-Act. Deko brauchst du nicht. Specials für Gäste brauchst du auch nicht. Beschwere dich erzürnt bei Freunden, dass Wien keine Ahnung von Technomusic hat, wenn nur 20 Hansln vor deinem ersten Auslandsbooking stehen.

Baue dir deine ganz persönliche Freunderlwirtschaft auf

Wenn man dich fragt, warum du Veranstalter geworden bist, dann sag: "Mir geht die Wiener-Szene so am Arsch." Wurscht, dass das ein Widerspruch ist—immerhin arbeitest du ja dann intensiv damit—niemand wird nachfragen. Mach genau das, was die "Wiener-Szene" schon seit immer macht: Freunderlwirtschaft. Arbeite mit Gefallen und Gegenbookings. Wage es ja nicht, deine Support-DJs nach der musikalischen Komponente auszuwählen—für den Scheiß hast du keine Zeit. Dazu bist du doch nicht Veranstalter geworden.

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Außer deine Freunde natürlich, die deinen oder auch einen ähnlichen Sound spielen. Oder andere Veranstalter/DJs, die Partys machen, auf denen du gerne spielen würdest. Buche sie für deine Partys und lass nach ein paar Mal eine anklagende Nachricht in ihrer Mobilbox. In etwa so: "Ich buche dich doch auch immer." Erwähne nicht, dass es bei diesen Bookings um 50 Euro geht. Oder um leere Partys. Wenn du mal gegengebucht wirst, schau, dass es alle auf Facebook mitbekommen. Auch wenn du dafür kein Geld bekommst und weit reisen musst.

Sei so zu heimischen DJs, wie Lokalbesitzer zu dir sind

Tatsächlich kann man in Wien ganz genau beobachten, wie Lokalbesitzer mit Veranstaltern umgehen. Geht das Lokal ohne den Veranstalter schlecht, dann bekommt man wundervolle Mietpreise, es gibt Entgegenkommen auf allen Ebenen und überhaupt ist man dann ein König im Schlaraffenland. Geht das Lokal auch ohne den Veranstalter gut, dann bekommt man das Lokal in der Regel nicht. Außer man war schlau und hat sich mit den drei Schlüsselpersonen eines Lokals gut gestellt. Wenn man es bekommt, dann gibt's ordentliche Mietpreise und so ein Regelwerk, dass man sich während des Vortrags übergeben will.

In jeder Sekunde, in der ein Lokalbesitzer mit dir spricht, wirst du seine Überlegenheit spüren. Du kannst ab diesem Zeitpunkt wenig richtig machen, außer alles aufzusaugen und bei heimischen DJs auszulassen. Sprich mit ihnen mit genau dieser Überlegenheit. Du bist der Boss. Sie sind deine Untertanen. Je weniger du den DJ kennst, desto mehr kannst du Boss spielen.

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Poche auf eine Sache

Spielst du Vinyl? Oder sind messerscharfe Übergänge wichtiger als der Sound? Oder ganz bestimmte Geräte? Ganz egal, was du dir aussuchst, sei fanatisch dahinter. Finde alle scheiße, die es nicht genauso sehen. Ausnahmslos. Übe da keine Meinungsfreiheit. Außer bei größeren Veranstalter.

Voilá, wenn du das einhältst wirst du ein waschechter Wiener-Veranstalter. Sei manchmal irrational wütend und dann wieder irrational nett. Koordiniere dich wenig bis gar nicht mit deinen Kollegen. Zieh schwarze Kleidung an. Willkommen in der "Scheiß Wiener-Szene", die du nun mitgestaltest. Keine Sorge wegen der Verantwortung—die musst du nie bei dir sehen, sondern immer bei den anderen.

Und ein Danke geht sich auch noch aus. Ohne dich wäre Wien fader, als es das eh schon ist. Und es ist ja auch eine Bürde, die man auf sich nimmt, Partys zu machen und finanzielle Risikos einzugehen. Das braucht ganz schön viel Mut. Bevor man mich humorbefreit hasst: Ich mache alle zwei Monate eine Party und erfülle trotzdem drei von fünf Punkten.

Fredi hat Twitter: @schla_wienerin

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