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​Ein paar Vollidioten sind nach Liberia geflogen, um Ebola-Patienten mit Homöopathie zu heilen

Wie zu erwarten, war es eine totale Katastrophe—organisiert von Wohltätigkeitsorganisationen.
Foto oben: Wikidudeman | ​Wikimedia

Dr. Richard Hiltner ist ein netter Mensch. Er ist in den Sechzigern (sieht aber jünger aus, wie das bei Kaliforniern öfters der Fall ist) und hat diese typische Westküsten-Art, alles immer super positiv klingen zu lassen—auch die Tatsache, dass er und drei andere behandelnde Ärzte vor einigen Wochen nach Liberia flogen und dort versuchten Ebola-Patienten mit Homöopathie zu heilen.

„Wir landeten am 17. Oktober in Monrovia, mussten dann drei Tage lang den Umgang mit der PSA erlernen—der persönlichen Schutzausrüstung, diesen großen Schutzanzügen mit denen man dort alle rumlaufen sieht—bevor wir dann weiter zum Krankenhaus in Ganta reisen konnten", berichtet Hiltner.

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Erst, als sie in Ganta ankamen, einer Stadt, die in einem besonders stark von Ebola betroffenem Gebiet liegt, begannen für die vermeintliche Hilfsexpedition die Probleme.

Das Team streifte sich die Schutzanzüge über, holte ihr Arsenal an homöopathischen Behandlungsmitteln raus und wollte schon anfangen, die ersten Patienten zu behandeln, als den Angestellten und der Führung des Ganta Hospitals dämmerte, was die ausländischen Helfer dort eigentlich vorhatten. Dem Team wurde umgehend der Zugang zur ETU (Ebola Treatment Unit) untersagt.

Anscheinend hatte niemand in dem Krankenhaus—und der liberianischen Gesundheitsbehörde—gewusst, dass dieses Ärzteteam homöopathische Mittel einsetzen würde. Die Regierung Liberias hatte in der Annahme, dass es sich bei der Delegation um medizinisch geschulte Ärzte handeln würde, die gekommen waren, um lokale Helfer vor Ort zu unterstützen, die Reise bewilligt und Visa ausgestellt.

Hiltner und seine Kollegen stiegen nach ihrer Verbannung aus dem Krankenhaus wieder in ihre Jeeps und machten sich auf den Weg zurück nach Monrovia, um die nötigen Papiere zu bekommen. „Für 100 Meilen [160 Kilometer] brauchten wir über fünf Stunden— es war wahrscheinlich der furchteinflößendste Teil unseres Trips", berichtet er. „Diese Reise mussten wir insgesamt fünfmal antreten."

Die liberianischen Behörden waren sich ihrer Sache aber sicher: Auf gar keinen Fall würden Ebola-Patienten mit Zuckerkügelchen behandelt werden, die man in Wasser aufgelöst hatte.

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Für diejenigen unter euch, die noch nicht mit Globuli, Dilutionen, Salben und anderem Schnickschnack in Berührung gekommen sind: Die Homöopathie wurde 1796 von dem deutschen Wissenschaftler Samuel Hahnemann entwickelt und basiert auf dem Simileprinzip—d.h. Ähnliches wird durch Ähnliches geheilt. Das funktioniert in etwa so: Heuschnupfen lässt deine Augen tränen, oder? Rate mal, was deine Augen noch tränen lässt. Zwiebeln! Du legst dann einfach ein winziges Zwiebelstück in destilliertem Wasser ein, verdünnst dieses Wasser dann einige hunderte Male, noch einmal gut durchschütteln und fertig—Heuschnupfen wird dir von nun an keine Probleme mehr bereiten.

Das Ebolavirus gehört zu den hämorrhagischen Fiebererkrankungen und bringt dich um, indem es die Wände deiner Adern buchstäblich auflöst. Das führt dann dazu, dass du innerlich verblutest. Die Krankheit ist tatsächlich so grausam, wie sie sich anhört. Dr. Hiltner sagt, dass sein Team mit 110 homöopathischen Heilmitteln nach Liberia gereist ist, die Ebola potenziell hätten heilen können. Nach dem Simileprinzip brauchten sie natürlich andere Substanzen, die einen durch innere Blutungen umbringen. Arsen und Klapperschlangengift waren die beiden Mittel, auf die sie die meiste Hoffnung setzten. Wenn man schon in der ETU liegt, wird man sich wahrscheinlich nichts Besseres vorstellen können, als seinem Körper auch noch diese Substanzen zu verabreichen.

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Selbst wenn man den ganzen Nervengift-für-Todkranke-Aspekt mal außen vor lässt, gibt es noch die eigentlich Kontroverse um homöopathische Arzneimittel, die darin besteht, dass die vermeintlichen Medikamente derartig verdünnt sind, dass sich nicht mal mehr die Spur eines Moleküls des angeblichen Wirkstoffes—sei es jetzt Zwiebel, Arsen oder irgendetwas anderes—nachzuweisen ist. Chemisch gesehen ist es einfach nur Wasser, das auf Zuckerkügelchen geträufelt wird. In der Theorie soll der homöopathische Wirkstoff die „Energie" des Wassers „umprogrammieren"—ähnlich wie man Daten auf einer Festplatte speichert—und es ist dann dieses „Wassergedächtnis", das einen angeblich heilt.

Trotz der Behauptungen des Ärzteteams—und Prominentenunterstützung durch Prince Charles, Prof. Götz Werner, dem Gründer der Drogeriemarktkette dm, und anderen Menschen, die eigentlich zu reich sind, um jemals richtig krank zu werden—liegt keine einzige unabhängig begutachtete wissenschaftliche Studie vor, bei der homöopathische Mittel besser abschnitten als Placebos.

Angesichts dieser Faktenlage ist es vielleicht nicht ganz so verwunderlich, dass die Behörden Liberias nicht gewillt waren, dieses Zeug auch nur in die Nähe ihrer Ebola-Patienten zu lassen—zumal gerade die Augen der ganzen Welt auf Westafrika gerichtet sind.

Es kommt einem schon ein bisschen die Kotze hoch, wenn man bedenkt, dass vier erfahrene Ärzte die Ressourcen eines von bitterer Armut geplagten Landes strapazieren, während dieses gerade gegen eine gefährliche Epidemie kämpft. Die Ärzte hätten schließlich genau so gut richtige Hilfe leisten können. So geht es auf jeden Fall auch Mike Noyes, dem Kopf von ActionAid, der in der Daily Mail folgendermaßen zitiert wird: „In so einer Krise darf man keine falsche Hoffnung schüren. Es gibt keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass Homöopathie irgendeine Auswirkung auf eine Viruskrankheit wie Ebola hat. Es ist überaus gefährlich, mit derartig unbewiesenen Behandlungsmethoden anzukommen. Das behindert die lokalen Eindämmungsbemühungen und den Versuch, die Krankheit unter Kontrolle zu bringen."

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Das Team durfte am Ende dann Patienten mit homöopathischen Mitteln behandeln, die nicht an Ebola erkrankt waren. Über die Ergebnisse schien man durchaus zufrieden, allerdings bekamen die Patienten nebenbei auch noch die konventionellen Medikamente. Aus jedweder wissenschaftlichen oder therapeutischen Perspektive sind die Resultate also unbedeutend.

Im Großen und Ganzen klingt die Unternehmung also wie ein absoluter Reinfall—vier Ärzte, die durch Liberia irren und von überrumpelten einheimischen Medizinern davon abgehalten werden, ihre Quacksalberei zu praktizieren. Selbst die eigentlich auf der Hand liegende Frage, ob sie sich bei ihrer Rückkehr einer Quarantäne unterzogen haben—oder einfach planten, sich selber mit Schlangengift zu behandeln—erübrigt sich, da sie ja nie wirklich in Kontakt mit Ebola-Patienten gekommen waren.

Wenn die vermeintliche Hilfsmission selber vielleicht einfach nur unglaublich chaotisch und fehlgeleitet rüberkommt, so hat die ganze Geschichte auch noch eine leicht zwielichtige Seite.

Die Mission wurde von zwei Organisationen organisiert: der Liga Medicorum Homoeopathica Internationalis, eine der wichtigsten Fürsprecher-Organisation für Homöopathie, und dem deutschen Verein Freunde Liberias, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Liberia zu verbessern.

Mit dieser Kampagne sammelte der in Leipzig ansässige Verein Spenden. Dort ist die Rede von einem „Team von etwa 20 internationalen Ärzten", kein Wort allerdings davon, dass diese ausschließlich als Homöopathen praktizieren werden. Das erklärt auch, warum die liberianischen Behörden die ganze Unternehmung unterstützten. Dort ging man ebenfalls von einem „Team von Ärzten" aus und als sich herausstellte, dass es sich um Homöopathen handelte, zeigte man sich äußerst bestürzt.

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Ein echter Doktor zieht seinen PSA wieder aus, als er die ETU verlässt (Foto: CDC Global/Athalia Christie | Flickr | CC BY 2.0)

Wurde also von den Organisatoren der Hilfsmission vorsätzlich unter der falschen Angabe, echte Ärzte rüberzuschicken, Geld gesammelt, Visa beantragt und Unterstützung aus der liberianischen Regierung gewonnen, um dann eine Gruppe Homöopathen in das Krisengebiet zu schicken? Sollte das der Wahrheit entsprechen, wäre diese Aktion mit schäbig noch sehr wohlwollend umschrieben.

Als ich Thomas Köppig, dem Vereinsvorsitzenden der Freunde Liberias um eine Stellungnahme bat, äußerte sich dieser recht deutlich:

„Als LMHI bei Freunde Liberias anfragte, ob wir diese Reise unterstützen möchten […] erhielt ich auch die vier Lebensläufe […], die bestätigten, dass alle Gruppenmitglieder behandelnde Ärzte und offensichtlich auch erprobt im Einsatz in Katastrophengebieten sind. […] Des Weiteren bestätigte LMHI, dass diese Doktoren in erster Linie als reguläre Ärzte arbeiten würden und nur nebenbei als Homöopathen."

Weniger deutlich äußerte sich hingegen LMHI zu dem Vorfall. Die Organisation behauptete, dass die Ärzte „aufgrund einiger diplomatischer Probleme keine Ebola-Patienten behandeln konnten. […] Da sich die allgemeine Lage geändert hat, sammeln wir keine Spenden mehr für irgendwelche Ebola-Hilfsaktionen."

Unter den teilnehmenden Ärzten herrschte hingegen keine Unklarheit darüber, dass sie in Liberia Homöopathie und keine Schulmedizin praktizieren würden. Darüber hinaus sollte die Unternehmung auch dazu dienen, für die Homöopathie zu werben.

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Als die Geschichte ans Licht kam, löschte Karen Allen von Homeopaths Without Borders diese Nachricht von Dr. Ortrud Lindemann, dem deutschen Team-Mitglied der Liberiamission, von ihrer Facebook-Seite. Dr. Edouard Broussalian, ein weiterer Arzt der Gruppe, löschte ebenfalls einen Post von seiner eigenen Seite, in dem er behauptet hatte, die Mission würde dafür sorgen, dass die „Schöpfer experimenteller Impfungen von nun an das Feld räumen müssen". Es gab tatsächlich eine ganze Reihe gelöschter Seiten, auf denen sich Menschen mit Verbindungen zum LMHI zu der Mission äußerten—so etwas ist selten ein gutes Zeichen.

Dr. Hiltner selber gibt sich offen: „Das war eine großartige Gelegenheit, eine Krankheit zu behandeln, die die Schulmedizin noch nicht in den Griff bekommt. Nicht nur um Menschen zu helfen, sondern auch um zu zeigen, dass Homöopathie funktioniert … Irgendwann wird der Tag kommen, an dem die Schulmedizin der Homöopathie mit Respekt begegnet—beide haben ihre Stärken und beide haben ihre Schwächen. Man muss aufhören, sich gegenseitig schlecht zu machen."

Wenn man sich so mit Dr. Hiltner unterhält, fällt es einem schwer, ihn für das ganze Desaster verantwortlich zu machen. Er nahm sich die Zeit, um als Freiwilliger in Liberia zu helfen, und zahlte den Flug von Kalifornien nach Brüssel, wo sich das Homöopathen-Team traf und weiter nach Monrovia flog, aus eigener Tasche (er sagt, dass er die Reisekosten vielleicht noch zurückerstattet bekommt).

Für jemanden, der schon seit 44 Jahren als praktizierender Schulmediziner arbeitet, befasst sich Dr. Hiltner allerdings mit einigen wirklich hirnrissigen Behandlungsmethoden—darunter auch Iridologie und Iatroastrologie—in deren Gegenwart Homöopathie noch geradezu wissenschaftlich erscheint. Er ist sich dabei aber durchaus darüber bewusst, dass es sich um umstrittene Behandlungsmethoden handelt, und würde diese niemals verwenden, um der Schulmedizin in die Quere zu kommen—das galt auch für seinen Ausflug nach Liberia. Es lässt sich wohl sagen, dass er das Herz am rechten Fleck hat, auch wenn es ihn zu bescheuerten Sachen verleitet.

Umso mehr ist es eine Schande, dass er in dieses Fiasko mit hineingezogen wurde. Die Vorstellung von einer Gruppe Ärzte, die mit Koffern voll verdünntem Schlangengift durch Westafrika tingelt, hat schon gewisse humoristische Qualitäten; eine Epidemie heimlich als Homöopathie-Werbeaktion zu missbrauchen, indem man vorgaukelt medizinische Hilfe zu schicken, ist hingegen einfach nur daneben.

Foto oben: Wikidudeman | Wikimedia