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Liebes Internet, Lumbersexuals gibt es nicht erst seit gestern.

Nur, weil man etwas spät bemerkt, ist es nicht neu—so verhält es sich auch mit den Lumbersexuals. Die sexy Holzfäller sind längst Teil unserer Hipster-Welt.
Screenshot via YouTube

Seit ein paar Tagen gehen Artikel durchs Netz, in denen von der neuen Spezies der Hipsterwelt gesprochen wird—den Lumbersexuals. Die Lumbersexuals sind diejenigen Typen, die mit Vollbart, volltätowierten Armen und perfekt gestyltem Undercut, für den sie natürlich nur die eine, ganz bestimmte Pomade verwenden, im Karohemd durch die Stadt laufen und die Höschen aller Mädchen zum Überlaufen bringen. Das Ding ist nur, dass die sexy Holzfäller ganz und gar nichts Neues sind. Sie sind seit Ewigkeiten beliebte Werbetestimonials, die gefragtesten Männermodels und jeder hat mindestens einen Vollbartträger im engeren Freundeskreis—sogar mein bester Freund, der auf Trends scheißt und seit Ewigkeiten die selbe Art von Kleidung trägt, hatte schon vor Jahren seine Vollbart-Phase und war damit zufällig einige Zeit lang total auf der Höhe der Mode (vielleicht wollte er auch einfach nur zelebrieren, dass er endlich Bartwuchs hatte).

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Nun will man uns offenbar erzählen, was diese neue Gattung der Männer ausmacht, und dass sie zwar statt einer Axt höchstens ihr Mac Book Air schwingen, während sie ihre Gesichtsbehaarung mit Bart-Öl einreiben, aber trotzdem die maximale Männlichkeit verkörpern. Ich bin zwar höchstwahrscheinlich durch meine Eierstöcke ein wenig befangen, aber dem Punkt mit der Männlichkeit muss ich jedenfalls zustimmen. Das ändert jedoch nichts daran, dass man uns mit den Lumbersexuals etwas als neue Abspaltung der Hipster verkaufen will, das längst Teil unserer Alltagskultur und unserer jugendlichen, westlichen Welt ist. Wer auch immer mit dem Wirbel um die Lumbersexuals angefangen hat, ist entweder ziemlich alt oder hat weniger Ahnung von der Hipster-Welt, als er denkt.

Denkt man an den Typ Mann, der vor einigen Jahren noch als der typische Brooklyn-Hipster gehandelt wurde, ist das genau dieser Kerl, der extrem gepflegt ist und immer erschreckend gut riecht, aber trotzdem aussieht, als käme er gerade von einem mehrwöchigen Survival-Trip im Wald. Nur wurde dieser ursprüngliche Look des Hipsters hierzulande von denjenigen Burschen verdrängt, die sich in Jeggings zwängen, um ihre abgemergelten Beinchen schön zur Geltung bringen und den ganzen Tag eine Playlist mit den traurigsten Radiohead-Songs gemischt mit The XX hören. Jetzt sind plötzlich die Typen cool, die vor Testosteron nur so strotzen und von denen man sich als Frau sicher sein kann, dass sie einen auch in der Steinzeit bestens versorgt und befriedigt hätten. Aber nur, weil man etwas spät bemerkt oder als Trend identifiziert, ist es nicht neu. Und nein, auch, wenn man einen neuen Namen für etwas Altes erfindet, macht das nicht automatisch die Sache selbst zu etwas Neuem.

Das Wort Lumbersexuals setzt sich aus Lumberjack und metrosexuell zusammen. Das, was das metrosexuelle Aushängeschild David Beckham Anfang der Nullerjahre war, ist Ricki Hall heute. Ich weiß nicht, was es heißen soll, wenn gesagt wird, Lumbersexuals seien die neuen metrosexuellen Männer. Sind Homosexuelle, wenn sie endgültig (und endlich) mit heterosexuellen Menschen gleichgestellt sind, dann die neuen Heteros? Oder sind Frauen seit der Gleichberechtigung die neuen Männer? Männer, die jeden Tag 20 Minuten für ihre perfekte Bartpflege „opfern", wie es hier so schön heißt, weil sie sich nun mal gerne mit einem bestimmten Style zeigen, sind genau so wenig metrosexuell, wie sie etwas Neues sind—immerhin haben selbst die ach so männlichen alten Wikinger historisch korrekt betrachtet pro Tag mehrere Stunden auf Bart- und Körperpflege verwendet, und sehr viel männlicher wird es einfach nicht.

Vielleicht kommt die nachfolgende Aussage daher, dass ich von mir selbst denke, ich würde die Trends und die Kultur des Hipstertums annähernd verstehen, weil ich selbst Teil davon bin und als VICE-Redakteurin in einer überteuerten Bomberjacke an der Quelle des New Yorker Hipstertums aus bedeutungslosen Tattoos sitze—zumindest ist das ein beliebter Vorwurf, mit dem ich zugegeben gerne lebe. Insofern könnt ihr mich also sehr gerne korrigieren, wenn ich mich irre, aber: Das Einzige, was die Diskussion um die Lumbersexuals wirklich zeigt, ist, dass wir wie so oft wieder einmal spät dran sind.

Schickt Verena Fotos von euren Bärten auf Twitter: @verenabgnr