Dressed to Fuck: Zu Besuch auf einer Fetischparty für Anzugträger

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Dressed to Fuck: Zu Besuch auf einer Fetischparty für Anzugträger

Ich wollte herausfinden, was genau manche Männer dazu antreibt, in maßgeschneiderten Anzügen Sex zu haben.

Illustration: Jackie Sheridan

„Der ist neu. Trägt so ein Polyester-Teil von Burton. Sieht billig aus. Nicht wie der da vorne. Den hat er garantiert von der Savile Row.

Es ist 23:00 Uhr und wir befinden uns in einem Keller mitten in King's Cross—also an der noch leicht schäbigen Ecke hinter dem Bahnhof, um genau zu sein. Doug*—mein behaarter, rotgesichtiger Guide im edlen, brauen Dreiteiler und einer hellvioletten Krawatte—hält kurz inne, um nach Luft zu schnappen. Mit einem seidenen Taschentuch tupft er sich den Schweiß von der Stirn. Er ist sichtlich aufgeregt und das nicht ohne Grund: Doug ist ein Anzugfetischist und wir sind auf der City Boys—Londons erster (und wohl auch einziger) Party für Männer, die gerne in maßgeschneiderten Hosen, einem schicken Hemd und einem Blazer oder Smoking cruisen gehen.

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Der Club, in dem wir uns befinden, beherbergt einige der spezielleren Partys der britischen Hauptstadt. Er ist so etwas wie die letzte Bastion des verkommenen Londons in einem Stadtteil, der in den letzten Jahren fast vollständig gentrifiziert worden ist. Heute Nacht allerdings lässt der Anblick von Männern größtenteils mittleren Alters, die in Anzügen herumstehen und Bier trinken, den Laden mehr so aussehen, als wäre er an eine Wirtschaftskonferenz und nicht für eine Fetischparty vermietet worden.

Die Bildschirme, die überall im Club verteilt sind, sprechen jedoch eine andere Sprache. Darauf zu sehen sind Filme des Suit-Porn-Studios Men At Play. Während ein Remix von Marc Almonds „Worship Me Now" im Hintergrund läuft, sieht man, wie ein Typ in Strumpfhaltern Sex mit einem anderen Typen in einem Nadelstreifenanzug hat.

Im Zwielicht der Kellerbar, die von schwarzen Tücher durchtrennt wird, die von der Decke hängend abgetrennte Spielbereiche kreieren, rangiert die Eleganz der unterschiedlichen Outfits von schlecht sitzenden Bundfaltenhosen mit abgewetzten Knien bis hin zu perfekt gebügelten Zweiteilern von Kilgour mit Haifischkragen-Hemden und teuren Krawatten mit doppeltem Windsor-Knoten. Die Farbtöne der Krawatten und Einstecktücher reichen von herkömmlich (Blau und Gelb) bis hin zu verschachtelten Paisley-Mustern. Aber was genau hat es mit den Anzügen eigentlich auf sich, dass manche Menschen sie so anturnend finden? Und ist dieser Fetisch vergleichbar mit beispielsweise einer Vorliebe für Gummi oder Latex?

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Jamie McDonald, der sich heute um die Garderobe kümmert und seit fünf Jahren in dem Club arbeitet, ist der Meinung, dass der Anzugfetisch subtiler ist.

„Man stellt sich unter einem Fetisch oft etwas vor, das abwegig und ‚versaut' anmutet. Dabei können so gewöhnliche Dinge wie ein Anzug oder Füße—selbst Finger—für manche Menschen einen Fetisch darstellen. Ich würde es jetzt nicht unbedingt subversiv nennen, wenn jemand gut aussehen und natürliche Freuden genießen möchte."

Und trotzdem steckt wahrscheinlich mehr dahinter. Jeder, der der amerikanischen Website suitandtiefetish.com beitreten möchte, muss erst mal fast 40 Fragen zu seinen Anzugvorlieben beantworten. Diese reichen von relativ Unverfänglichem wie „Magst du seidene Mantelfutter, Westen und Westenrücken?" über Vielsagenderes wie „Ist das Angucken von Anzugträgern in Katalogen und im Internet für dich wie Porno-Konsum?" bis hin zu Explizitem wie „Spritzt du auf Anzüge ab?" oder „Stehst du auf Anzug-Bondage?".

Bei City Boys sind viele der Männer, mit denen ich mich unterhalte, in Bezug auf den Schnitt und das Tragegefühl ihrer Anzüge doch sehr spezifisch—genauso wie in Bezug auf die Typen, mit denen sie in den dunkleren Ecken des Clubs interagieren. Ich frage Jamie, wie wie viele der Stammgäste tatsächliche Anzugfetischisten sind und wie viele der Anwesenden nur ein bisschen Spaß haben wollen.

„So 95 Prozent meinen es schon ernst", antwortet er mir. „Sie stehen nicht nur auf das Tragen der Anzüge, sondern auch auch qualitativ hochwertige Materialien—und zwar auch von den Hemden, den Krawatten, den Manschettenknöpfen, den Taschentüchern und den Socken."

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Finden sie edle Designer-Kleidung dann auch erotischer als irgendwelchen Billigkram aus Allerweltsklamottenläden?

„Definitiv. Einige der Männer hier haben sich auch schon abfällig über die minderwertigen Anzüge einiger ‚Neulinge' geäußert."

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Eine Eigenschaft der Veranstaltung, die mir sofort auffällt, ist die formale, ja fast schon „heterosexuelle" Atmosphäre—vor allem im Vergleich zu den anderen Fetischpartys, bei denen ich schon war. Das gilt jedoch nicht für die besagten dunkleren Ecken, wo das Motto „Alles kann, nichts muss" zu lauten scheint. Trägt diese Atmosphäre zur begeisterten Stimmung bei?

„Dieses Element war von Anfang an da und gefällt den Typen, die so cruisen, flirten und auch noch weiter gehen, wenn es das Gegenüber denn will."

Tom, der Promoter des Clubs, kennt noch weitere Gründe dafür, warum Anzüge so attraktiv sind.

„Ein zusätzlicher Turn-on ist wohl die Tatsache, dass es sich nicht um einen typischen Schwulenfetisch wie etwa Leder handelt. Das Ganze ist dem echten Alltag entnommen. Genauso wie Sportklamotten kann man einen Anzug auch im täglichen Leben anziehen und niemand würde vermuten, dass es sich dabei um einen Fetisch oder einen Turn-on handelt. Außerdem spielt die Männlichkeit eine gewisse Rolle. Für mich sind Männer in Anzügen sehr maskulin. Beim Anzugfetisch kommen dazu auch noch Macht und Dominanz ins Spiel. Hier scheint es immer einen Boss und einen Bürohengst zu geben, der sich ständig ein bisschen mehr anstrengen muss, um seinen Boss zu befriedigen."

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Ich will von Tom außerdem wissen, was über die Jahre hinweg seine außergewöhnlichste Begegnung im Club gewesen ist.

„Eines Abends war hier mal ein richtig hübscher Kerl. Wir kamen ins Gespräch und er erzählte mir von seinem Job bei einer Investment-Bank im Finanzviertel. Er agierte sehr direkt und keine fünf Minuten später gingen wir in einer der dunklen Ecken zu Werke. Als wir fertig waren, meinte er, dass er nach Hause müsste, weil dort seine Freundin auf ihn wartet. Ich habe den Typen nie wieder gesehen, aber unsere Begegnung werde ich wohl nie vergessen. Ich frage mich bloß, wie er seiner Freundin die verdächtigen Flecken auf seinem Anzug erklärt hat."

Inzwischen ist es nach Mitternacht und die Männer, die sich nicht in den beiden hinteren Bereichen des Clubs besser kennenlernen, beäugen sich gegenseitig mit einem Bier in der Hand und hoffen, dass doch noch etwas passiert. Ich nutze die Gelegenheit und frage Doug, wo er sein Outfit gekauft hat.

„Das hier? Ach, nur bei Primark."

„Aber du machst auf mich eher den Eindruck eines Mannes, der viel mehr Geld für seine Kleidung ausgibt."

„Normalerweise ist das ja auch so. Ich stehe jedoch total darauf, im Anzug angepisst zu werden. Deshalb wäre es sinnlos, da Unmengen an Kohle auszugeben."

„Wohl wahr."

„Einmal habe ich hier diesen wunderschönen bärtigen Schweden kennengelernt. Ich wettete mit ihm, dass er es nicht schaffen würde, die ganze Nacht kein einziges Mal aufs Klo zu gehen. Schließlich pisste er mich an, als ich noch meinen Anzug trug. Das war für mich der Himmel auf Erden. Ich bin pitschnass nach Hause gelaufen, aber glaub mir, das Lächeln war mir wie ins Gesicht geklebt."

Während Doug gedankenverloren in sein Glas Cider starrt, entschuldige ich mich und verlasse den Club und seine außergewöhnlich gut gekleideten Gäste wieder. In einer Stadt wie London, wo die Leute unglaublich vielfältige Vorlieben haben und wo so viele Clubs zum Ausleben dieser Vorlieben dicht gemacht werden, ist es schön zu sehen, dass selbst ein solches Nischen-Event wie City Boys immer noch erfolgreich läuft.

*Alle Namen geändert