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​Tschechien lockert Adoptionsverbot für Homosexuelle

Gleichgeschlechtliche Paare dürfen keine "Menschen zweiter Klasse" sein, so ein tschechischer Verfassungsrichter. De facto sind sie es aber doch—genau wie in Deutschland.

Foto: imago | ZUMA Press

Große Worte machen sich gut als Schlagzeilen: "Homosexuelle sind keine Menschen zweiter Klasse." Und welch' ein Gewicht erhalten solche oder ähnliche Formulierungen, wenn sie oberste Verfassungsrichter sprechen?! Fanfaren bitte, Applaus! Am Dienstagnachmittag war es in Tschechien soweit: Der Verfassungsgerichtshof erklärte das Adoptionsverbot für Männer und Frauen, die in einer eingetragenen Partnerschaft leben, als verfassungswidrig. Ein schwuler Mann aus Prag hatte geklagt, weil die Behörden ihn von einer Warteliste für ein Adoptivkind gestrichen hatten, nachdem er sich verpartnert hatte. Das sei unzulässig, sagten die Verfassungsrichter, weil das bisherige Gesetz Homosexuelle zu "Menschen zweiter Klasse" mache.

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Klingt gut. Man könnte meinen, alles ist wieder im Lot, alle können nach Hause gehen. Aber so einfach ist das nicht. Einzelpersonen in eingetragenen Lebenspartnerschaften werden jetzt zwar in Tschechien Kinder adoptieren dürfen. Gemeinsam ein Kind adoptieren dürfen homosexuelle Paare aber weiterhin nicht. Das ist in Deutschland übrigens nicht anders.

Die Lockerung scheint vor diesem Hintergrund höchstens wie ein Eingeständnis. Das Adoptionsverbot wurde nicht aufgehoben, die tschechischen Verfassungsrichter rückten es nur zurecht, weil es dem Gleichheitsgrundsatz widersprach. Und das Schwadronieren mit geflügelten Symbolbildern von der Aufhebung einer Zweiklassen-Gesellschaft täuscht über den andauernden Zustand nicht hinweg.

Länder wie Andorra, Südafrika, Israel, Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Irland, Island, Neuseeland, Kroatien, Luxemburg, Argentinien, Malta, Niederlande, Norwegen, Brasilien, Schweden, Spanien, Portugal, Kanada, Uruguay und Kolumbien sind da Tschechien und Deutschland um einiges voraus: Dort ist die gemeinsame Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare inzwischen erlaubt. Auch in den USA ist sie mit Ausnahme vom Bundesstaat Mississippi möglich.

In Österreich dürfen seit diesem Jahr homosexuelle Paare eine Familie gründen und Kinder adoptieren. Der Verfassungsgerichtshof hatte mit Beginn 2016 das Adoptionsverbot für gleichgeschlechtliche Paare aufgehoben. Einziger Kritikpunkt: Österreich ist nun das einzige Land in Europa, das Adoption für homosexuelle Paare erlaubt, Heirat aber weiterhin untersagt.

Aber ja, man sollte nicht rumsudern, nicht immer nur mimimi—die Lockerung des Adoptionsverbotes ist ein guter, ein bedeutender Schritt in Richtung mehr Humanität. Die Tschechen könnten erneut vielen osteuropäischen Staaten als Vorbild fungieren. Schon 2006 hatten sie als erstes osteuropäisches Land die eingetragene Partnerschaften für gleichgeschlechtliche Paare eingeführt. Und vielleicht sind genau dies die kleinen Schritte, die in ihrer Summe zum Wunder führen, auf dass irgendwann auch in Ländern wie Polen, Russland oder Ungarn Homosexuelle keine Menschen dritter, sondern wie in Tschechien wenigsten Menschen zweiter Klasse werden.