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Nach diesen Kriterien castest du deine neuen WG-Mitbewohner richtig

Vermietest du in Zürich ein WG-Zimmer, bekommst du hunderte Anfragen. So kämpfst du dich durch den Casting-Dschungel.

Foto von sonium | Flickr | CC BY-SA 2.0

Viele Menschen verstehen nicht, wie ich behaupten kann, dass der Zürcher WG-Markt etwas sehr Schönes ist. Natürlich hat er seine hässlichen Seiten, etwa wenn du 100 WG-Zimmer-Bewerbungen schreibst, 100 Mal auf das erlösende „Du bist der Eine!" hoffst, stattdessen aber 100 Absagen kassierst. Aber die Welt ist schliesslich selten so simpel und so hat auch der WG-Markt eine goldene Seite: Stehst du nämlich einmal auf der starken Seite der Macht—jener die die ganzen Bewerbungs-Mails bekommt und sie nicht schreibt—, machst du eine seltsame Verwandlung durch.

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Aus einem random Typen, der wegen zu wenig Plus auf dem Konto oder zu viel Angst davor, allein zu sein, beschlossen hat, seine Kloschüssel mit anderen Menschen zu teilen, wird der Imperator. Sobald du die frohe Botschaft „WG-Zimmer frei" in die Untiefen des Internets entlässt, trudeln beinahe sekündlich Bewerbungs-Mails in dein Postfach—und mit jedem davon durchströmt dich das Gefühl der Macht mehr und mehr, bis du dich fühlst wie Putin und Obama in Personalunion.

Ich weiss das, weil ich in meiner achtjährigen WG-Zeit schon tausende Bewerbungsmails durchgescrollt habe. Anfangs rackerte ich jeweils übervorsichtig Mail für Mail ab, um ja keinem der „Ich bin irgendwie gesellig aber irgendwie auch ruhig"-Typen Unrecht zu tun. Wer weiss schon, ob sich hinter dem nichtssagenden Mail nicht doch ein superlieber Typ versteckt. Doch nach dem gefühlt tausendsten freien Zimmer und dem tausendsten Casting hast du schlicht keinen Bock mehr darauf, aus falschem Mitgefühl deine Zeit zu verschwenden. Also bleibt dir nur eines übrig: Du lässt das vorurteilsbehaftete Arschloch aus dem Zwinger der gesellschaftlich akzeptierten Höflichkeitsfassade und siebst die Kandidaten grosszügig aus—am besten nach diesen Kriterien:

DIE COPY-PASTER

Wer seine E-Mail an die potentiellen Mitbewohner mit einem standardisierten „Guten Tag Herr XY" beginnt, hat das Konzept WG-Casting nicht verstanden. Die Menschen auf der anderen Seite des Internets bekommen dutzende „Bitte, bitte, bitte nehmt mich!"-Mails. Wieso sollten sie also ausgerechnet denjenigen auswählen, der genau einmal zehn Minuten ins Zusammenschreiben eines möglichst allgemeingültigen Irgendwas investiert hat und das an jedes WG-Inserat der ganzen Welt verschickt? Nicht jeder ist der nächste Shakespeare—fair enough. Aber jeder kann sich zumindest etwas Mühe geben.

Eine besondere Unterkategorie der Copy-Paster sind jene, die im ersten Satz des Mails ganz nett „Hallo" sagen—aber nur, um im zweiten Satz gleich mal auf den angehängten Lebenslauf zu verweisen. Dort stehen jeweils alle für eine WG wissenswerten Infos wie das Netto-Einkommen, der Name des vor 20 Jahren besuchten Kindergartens oder die ursprüngliche Haarfarbe der mittlerweile grauhaarigen Mutter.

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Foto von Tim | Flickr | CC BY-SA 2.0

Die ETH-Studenten

Werde dir bewusst, in welcher Art von WG du leben willst. Denk daran, dass du dabei nicht über Kleinigkeiten wie die globale Politik entscheidest, sondern darüber, wessen Haare deine Dusche verstopfen und wem du nachts beim Sex zuhörst.

Wichtig ist dabei die richtige Durchmischung der Mitbewohner. Glaub mir: Du möchtest nicht mit drei Zahnmedizinerinnen zusammenwohnen. Egal, wie nett sie sind, sie werden viel zu oft über irgendwelche ekligen Krankheiten sprechen (ja, es gibt golfballgrosse Eiterbeulen im Mund und ja, es gibt auch YouTube-Videos davon) und darüber, welcher Assistenzarzt gerade welche Studentin etwas zu offensichtlich angemacht hat—sprich: Dinge, die dich nicht interessieren.

Mein wichtigstes Kriterium besteht darin, dass ich den Posteingang nach dem Schlagwort „ETH" durchsuche, alle Treffer markiere und auf die Delete-Taste drücke. Im Grunde ist an ETH-Studenten ja nichts Falsches. Ich kenne Menschen dieser Gattung, die ich sehr schätze und die auch als Mitbewohner was taugen. Aber irgendwie muss die Bewerberflut ja ausgesiebt werden. Da erscheint es mir nur sinnvoll, alle Architekten und ihre Uni-Kollegen zu verbannen.

Wen du nämlich auf keinen Fall als Mitbewohner willst, sind Architektur-Studenten. Beziehungsweise wirst du sie sowieso nie als Mitbewohner ansehen, selbst wenn ihr Name auf dem gleichen Klingelschild wie deiner steht. Architektur-Studenten sind die, die ihre Tage und Nächte am Hönggerberg auf der Suche nach dem perfekten Modell um die Ohren schlagen. Selbst wenn sie im Grunde super Menschen wären—du siehst sie höchstens Mal kurz vor Weihnachten in der WG, wenn sie gerade ihre sieben Sachen für den jährlichen Pflicht-Familienbesuch packen.

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Foto von Tim | Flickr | CC BY-SA 2.0

Die Feinde der Comfort Zone

Das wichtigste an deiner eigenen Wohnung ist, dass du dich wohl fühlst. Sie ist dein Safe Haven und deine Comfort Zone. Dort musst du dich vor niemandem für irgendwas rechtfertigen. Wenn du nackt rumrennen willst, rennst du eben nackt herum. In einer WG wird diese Freiheit natürlich eingeschränkt. Du musst dich deinen Mitbewohnern etwas anpassen und mit ihnen Kompromisse eingehen—was bedeuten kann, dass du allerhöchstens in Unterwäsche rumrennen darfst.

Es ist also einfacher, mit Leuten die WG zu teilen, die eine ähnliche Vorstellung über die Grenzen dieser Comfort Zone haben. Menschen, die gerade erst von Mami und Papi in die grosse Stadt ziehen, sind das nicht. Am besten löschst du sie schnellstmöglich aus dem Postfach—ausser du willst die nächsten Jahre damit verbringen, Menschen zu lehren, wie man putzt, wie man Wäsche macht und dass Teller irgendwann auch wieder sauber werden wollen.

Dasselbe gilt für Menschen, die ihre WG-Bewerbung mit den Worten: „Ich bin so arm, mein Freund hat mich verlassen, ich muss aus der gemeinsamen Wohnung raus mimimi … " beginnen. Eine WG ist eine WG und keine Psychotherapie-Praxis für bislang wildfremde Menschen.

Für mich gehört zu dieser Comfort Zone auch, dass ich keine Fremdsprache sprechen muss. Nicht weil ich etwas gegen Englisch- oder Französischsprachige habe. Ich habe ja auch schon mit solchen zusammengewohnt—nur leider hat das nie wirklich gut geklappt. Am Schluss endete es immer so, dass der Erasmus-Student alias Deutsch-Lerner sich irgendwann ausgeschlossen gefühlt hat, weil die anderen in der WG—unbewusst oder aus Bequemlichkeit—immer wieder in diesen komischen Schweizer Dialekt abgerutscht sind. Zu einer Comfort Zone gehört für mich aber auch, dass die WG als Kollektiv funktioniert und nicht drei Monate später schon wieder das nächste WG-Inserat raus muss.

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Die Braven

Foto von Andrés Vilas | Flickr | CC BY-ND 2.0

Manche Menschen denken anscheinend, sie bewerben sich für ein Leben im Beamtenstatus anstatt auf ein WG-Zimmer. Sie versuchen möglichst nicht anzuecken. Beschreiben sich nur als sauber, aber nicht pingelig, als unkompliziert oder als easy going. Wie vorhin schon gesagt sind Kompromisse für das WG-Leben wichtig. Trotzdem will keiner einen charakterlosen Niemand als Mitbewohner.

Wer dazu noch ein Foto anhängt, das ausschaut als sei es vom Fotografen im Kaff deiner Eltern, der mit dem Schild „Neu: Farbfotos!" neue Kunden gewinnen will, geschossen worden, der fliegt eh gleich aus dem Posteingang.

Wenn du die Mails nach diesen Kriterien ausgesiebt hast, werden noch zirka zehn Kandidaten übrig bleiben (ansonsten hast du wohl falsch gesiebt oder die Facebook-Profile der Aspiranten zu wenig sorgfältig gecheckt). Du bist also nicht mal dazu gezwungen, bei einem Massen-Casting alle von Erstsemester-Max bis Midlife Crisis-Franz gleichzeitig um deine Gunst kämpfen zu lassen. Du kannst stattdessen mit jedem der Auserwählten gemütlich ein, zwei, drei oder hundert Bier trinken, kiffen und feiern gehen. Dabei gilt immer: Wer die Nacht mit dir durchmacht, ist ein guter Mitbewohner.

Deine WG-Bewerbung nimmt Sebastian auf Twitter entgegen: @nitesabes

VICE Schweiz hat zwar keine Zimmer—aber Inhalte: @ViceSwitzerland