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Reisen

Diese halluzinogene, wirklich potente Droge wächst in Rumänien an jeder Straßenecke

Scopolamin wird auch aus Stechapfel gewonnen—einer Pflanze, die in Bukarest wie Unkraut wächst.

Stechapfel an einer beliebigen Straßenecke in Bukarest. Alle Fotos vom Autor

Meine Beziehung zu Drogen war nie besonders gut. Selbst Kiffen vertrage ich nicht. Nach einem Joint konnte ich einmal nicht anders, als mich in einem dunklen Raum einzusperren, mich dort zusammenzukauern und einfach nur für Stunden auf einen Kupferkessel zu starren.

Es ist also schon etwas komisch, dass gerade ich damit anfing, Nachforschungen über Stechapfel zu betreiben. Vielleicht hast du ja schon mal von Scopolamin gehört, das auch als Zombie-Droge bezeichnet wird. Tja, das Zeug kannst du unter Anderem aus den Samen des Stechapfels extrahieren. Diese Samen sind extrem potent und mit einer kurze Suche in den zahlreichen Drogenforen des Internets stößt man schnell auf eine Vielzahl von Erfahrungsberichten erschreckender Horrortrips. Da draußen kursieren Tausende Geschichten von Leuten, die wegen nur ein paar Stechapfel-Samen total durchgedreht sind. Viele haben gleich Erinnerungslücken, die mehrere Tage umfassen, und das Zeug ist so giftig, dass es dich umbringen kann. Es wurde auch schon für Selbstmorde verwendet.

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In Rumänien allerdings wächst Stechapfel wie Unkraut. Du findest ihn überall: von verlassenen Parkplätzen bis hin zu privaten Gärten. Selbst mitten in Bukarests Innenstadt, direkt neben dem frisch renovierten Kulturinstitut sprießen ein paar dieser Gewächse aus dem Boden. Der für das Gebäude zuständige Wachmann sagte mir, dass er genau wüsste, was das für eine Pflanze sei und was man damit anstellen könne.

„Ich habe es schon abgeschnitten, aber das verdammte Teil ist so widerspenstig. Es wächst einfach aus dem Kies."

Laut Iosif Gaboş-Grecu, einem Psychiater an der psychiatrischen Klinik Târgu Mureş, kann der Verzehr von Samen des Gemeinen Stechapfels extreme Halluzinationen hervorrufen, die mehrere Tage andauern. Er erinnert sich noch an einen Fall, in dem ein „eindeutig psychotischer" Jugendlicher ins Krankenhaus gebracht wurde, nachdem er ein paar Samen gegessen hatte. Iosif sagt, dass es das erste Mal gewesen war, dass er mit etwas derartig Drastischem konfrontiert wurde.

„Es ist ein recht bekannter Fall", erzählte mir der Psychiater, während er ein paar Unterlagen auf seinem Schreibtisch überfliegt. „Der Junge war mit einem Freund im Park unterwegs und hatte eine Handvoll Samen gegessen. Wenig später brach er auf der Straße zusammen. Als er ins Krankenhaus gebracht wurde, war sein Zustand kritisch. Das Gift in der Pflanze kann psychische Erkrankungen auslösen, Halluzinationen und Wahrnehmungsstörungen.

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Die visuellen Halluzinationen sind dabei besonders intensiv. Sie sind regelrecht erschreckend. Dieser Junge verstand nicht, was mit ihm geschah—er sah Monster, atmete schwer und war sichtlich panisch. Die Menschen können sich nicht mehr kontrollieren, wenn sie in so einem Zustand sind. Ohne dass sie es selber merken, können sie schnell gefährlich werden. Es würde mich nicht wundern, wenn so einer schon mal jemanden umgebracht hat. Dieser Junge wäre fast gestorben", sagte er.

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Trotzdem konsumieren manche Menschen das Zeug absichtlich, um bewusstseinserweiternde Zustände zu erreichen. Ein junger Mann, Alexander, erzählte mir von seiner Erfahrung mit Stechapfel: „Nachdem du das Zeug genommen hast, fällst du in einen tiefen Schlaf. Wenn du dann aber wieder aufwachst, träumst du weiter. Es kann ein schöner Traum oder ein Albtraum werden, schätze ich. Du weißt nicht wirklich, ob du jetzt wach bist oder noch schläfst, und könntest schnell auf die Idee kommen, vor einen Lastwagen zu springen."

„Nachdem ich das Zeug genommen hatte, war ich zwei Tage lang auf einem Trip. Ich versuchte, meine Freundin in Büschen zu finden, die ich für Züge hielt. Die nächsten 48 Stunden aß ich alles Glänzende, was ich in die Finger bekam—selbst Sonnencreme. Ich saß zum Beispiel mit meinen Freunden an einem Tisch und machte mir ganz nebenbei ein bisschen in Creme in meine Hand und aß sie. Am Ende stellte sich heraus, dass die Typen, die mir die Samen gegeben hatten, das nur gemacht haben, um mich zu beklauen. Sie haben alles mitgenommen—meinen Rucksack, meine Sandalen, einfach alles", erzählte er weiter.

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Einer von Alexanders Freunden, Andrew, verschwand für ein paar Tage, nachdem er Stechapfel probiert hatte. Seine Eltern fanden ihn vollständig dehydriert und felsenfest davon überzeugt, auf einer einsamen Insel gestrandet zu sein.

„Er sah wie ein Zombie aus. Sie mussten ihn in die Notaufnahme bringen", erzählte mir Alexander. Trotz allem lächelte und nickte er nur, als ich ihn fragte, ob er ein weiteres Mal Stechapfel nehmen würde. Zum Glück sind die meisten Menschen, die so extreme Erfahrungen gemacht haben, davon derartig verängstigt, dass sie es kein zweites Mal probieren wollen.

Stechapfel vor Bürogebäuden

Es wird gemutmaßt, dass die Pflanze durch die Entdecker der „neuen Welt" von Südamerika nach Europa gebracht wurde—zusammen mit Pflanzen wie Mais, Tomaten und Kartoffeln (übrigens genau wie der Stechapfel ein Nachtschattengewächs). Im Laufe der Geschichte fand die Pflanze vielfältige Anwendung. Die Azteken verwendeten den Großblütigen Stechapfel in ihren Initiationsriten. Diejenigen, die die Halluzinationen überlebten, kehrten entweder „als Männer" zurück oder gar nicht. Alexandru Şuţu, ein bekannter rumänischer Psychiater aus dem 19. Jahrhundert, verwendete es, um seine Patienten ruhig zu stellen. Rumänische Schriftsteller verwendeten es sogar als Schlafmittel.

„In einer Gegend von Rumänien wird Stechapfel ‚bolundariţă' genannt—‚das, was dich in den Wahnsinn treibt'", erklärte mir Professor Vasile Cirstea, Leiter des botanischen Gartens in Cluj-Napoca. Heutzutage wir daraus das Muskelrelaxans Atropin gewonnen.

„Atropin wird in der Augenmedizin verwendet, weil es die Pupillen vergrößert. Es enthält aber auch Alkaloide, die zu einem ziemlich bedauernswerten Zustand führen können, wenn es falsch angewandt wird. Es erhöht den Herzschlag, schwächt die Muskeln, verursacht Zustände der Verwirrung und Inkohärenz, ruft Halluzinationen und Anämie hervor. In seiner zugelassenen Dosis ist es aber ein sehr effektives Sedativum und wirkt krampflösend", erklärte der Professor weiter.

Der rumänische Psychiater Gabriel Cicu ist allerdings nicht der Meinung, dass wir das Scopolamin des Stechapfels, „die gefährlichste Droge der Welt" nennen sollten.

„Das ist nur amerikanisches Marketing", sagte er, bevor er darauf hinwies, dass die Fans von dieser Art von Trip in der Drogenszene die Ausnahme darstellen. „Es gibt bestimmte Menschen, die außerkörperliche Erfahrungen und bewusstseinserweiternde Zustände anstreben. Diese Art von Trip ist eher so ein Hobby von Menschen, die sich besonders naturverbunden fühlen—es geht dabei darum, eins mit der Umwelt zu sein. Es sind größtenteils auch nur solche Leute, die am Stechapfel interessiert sind—moderne Hippies. Es kommt wirklich nicht besonders häufig vor."

Er wies außerdem daraufhin, dass sich der Stechapfel, was seine unsachgemäße Anwendung angeht, nicht groß von anderen Drogen unterscheidet: „Niemand will einen schlechten Trip erleben. Klar, Stechapfel kann so etwas auslösen, aber die Leute sind jetzt nicht wirklich darauf aus. Vielleicht ist das ein eher unglücklicher Vergleich, aber die falsche Anwendung von Stechapfel ist in etwa so wie eine Überdosis Heroin: eine Ausnahmefall, bei dem alles durch verantwortungsloses Handeln außer Kontrolle gerät. Also, das ist jetzt ein sehr überspitztes Beispiel, aber du könntest Stechapfel auch als eine Art rumänisches Ayahuasca bezeichnen. Für manche sieht der Konsum vielleicht exzessiv aus, aber eben nicht für die, die es selber nehmen. Manchmal läuft halt etwas schief."