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2014 wird alles besser

Wie 2014 das Leben von Lesben, Schwulen und Transgender verbessern kann

Wir suchen immer noch den Topf voller Gold am Ende des Regenbogens.

Foto von Jamie Taete (Grafik von Sam Taylor)

Damals, als es Anfang der 90er noch ordentliche Pillen gab und bevor er Doctor Who wurde, hatte Peter Capaldi die Rolle eines Transsexuellen in dem Film Prime Suspect 3 (der Film heißt auf Deutsch Heißer Verdacht - aktion Soko und vielleicht habt ihr irgendwann das Glück, den Film um 2 Uhr früh auf ATV 2 zu sehen). Er hat ziemlich furchtbar ausgesehen, richtig jämmerlich. Seine Figur hatte beschissenes Haar, beschissenes Make Up und wirkte mehr wie ein abartiges Schaf. Sie war eigentlich nur eine Bettnässerin mit mieser Perücke—ein Transgender-Stereotyp, der damals sogar der Realität entsprach. Auch wenn die 90er mit ihren Raves eine Menge Krach machten, hatten Transgender im allgemeinen nicht viel Grund zum Feiern. Zum Glück hat sich seitdem eine Menge verändert und vieles davon in 2013. Ich nenne das letzte Jahr jetzt sogar einen Wendepunkt für Transgender- und Homo-Awareness.

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Es gibt immer alteingesessene Frömmler, die sich über Schwulenrechte mokieren und letztlich als Wichser dastehen. Aber auf Partys tanzen wir alle mit Transgender und Schwulen, sie machen schließlich auch die geilsten Partys, verdammt nochmal. In Österreich wurde am 1. Juli 2013 ein Gesetz durchgeboxt, das gleichgeschlechtlichen Paaren zumindest die Adoption von Stiefkindern erlaubt. Wien bemüht sich um mehr Sicherheit und Beratung von Transsexuellen. Und sogar im tiefsten Hinterland der Alpenrepublik hört man öfter wie stolz manche darauf sind, dass sie eh nichts gegen die Homosexualität der Nichte oder vom Bruder haben. Aber bevor wir aber anfangen euphorisch Regenbögen zu bumsen, erinnern wir uns lieber daran, dass es noch einiges zu tun gibt. Queer-Bashing gibt es immer noch. Missbrauch. Mord. Leider sollte man eventuell auch gewisse ländliche Regionen meiden, wenn man in voller Drag-Montur unterwegs ist. Auch in Wien ist man nicht „sicher“ vor irgendwelchen Arschlöchern, die einen zusammengeschlagen und man danach nicht einmal einen Krankenhaustransport bekommt, so wie Anfang 2013.

Tagtägliche und ziemlich wahnsinnige Lesbophobie im United Kingdom (Foto von Jamie Taete).

Es deprimiert leider ebenfalls, dass zwar unermüdliche Menschenrechtsvertreter, wie Peter Tatchell, 2013 in manchen europäischen Ländern positive Veränderungen lostreten konnten, aber auch eine starke Gegenbewegung zu spüren ist. Peter meint: „Es gab in Kroatien, Uganda, Indien, Russland und Nigeria starke Niederlagen der LGBT-Bewegung.  Auch in vielen anderen Ländern gab es homophobe Verfolgung und Gewaltakte von Mobs.“ Es ist echt nicht schwierig Online Video-Clips zu finden, in denen Schwule gefoltert, geschlagen oder gezwungen werden Pisse zu trinken. Nichtdestotrotz, sagt Peter, gibt es einen Funken Hoffnung, wenn man bedenkt, dass Taiwan, Nepal und Kuba die gleichgeschlechtliche Ehe einführen wollen. „Wenn man die historische Entwicklung im Ganzen betrachtet, schreitet der homosexuelle Freiheitskampf definitiv voran.“ Rückentwicklungen, so meint er, seien ein trauriger aber normaler Teil des täglichen Ringens um soziale Gerechtigkeit: „Je mehr wir erreichen, desto mehr hassen uns unsere Gegner, desto aufgebrachter werden sie und versuchen uns aufzuhalten. Die erhöhten Levels an Homophobie in manchen Ländern sind so gesehen eine Art Kompliment.“

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So, und wie genau wird jetzt alles besser im Jahre 2014? Naja, wenn du komplett scheinheilig sein willst, so wie die zweite Welle an Feministen, die vorgibt sich mit Gender-Bigotterie auseinander zu setzen, dann könntest du Transgender Leute einfach verarschen. Du könntest so etwas schreiben wie „Lass den Hass einfach laufen“, dich über Transen-Mädels lustig machen, und dann beleidigt deinen Twitter-Tab schließen sobald Leute sauer werden und dir sagen, dass deine Sprüche scheiße und nicht lustig sind. I’m looking at you, Suzanne Moore.

Also, falls dir Gender-Themen wirklich am Herzen liegen, dann nimm deinen Kopf aus dem Arsch und nutze deine Stimme um diesen Leuten zu helfen.

Foto von Chloe Orefice

Russell Brand ist auch ein Arschloch. Alle Freiheiten, die das LGBT-Movement genießt, hat es sich hart erarbeitet. Wir sind nicht hilflos. Du bist nicht hilflos! Du musst dir nur Gehör verschaffen, leg Snap! auf, wenn dir das hilft (und ja, es hilft). Wir haben uns einige Freiheiten hart erkämpft und jetzt müssen wir auch für unsere schwulen Brüder und Schwestern weiter Druck machen. Es gibt viele homosexuelle Flüchtlinge, die aus homo- und transphoben Ländern abhauen wollen. „Diese Leute sollten nicht hinter Gitter gesperrt oder im Schnellverfahren abgefertigt werden, dabei nur zwei Wochen Zeit bekommen um einen Asyl-Antrag einzubringen. Der Staat muss sicher gehen, dass Asylanwälte und Immigrationsbeamte Training hinsichtlich sexueller Orientierungen und Gender-Identitäten bekommen. Dieses Misstrauen gegenüber LGBT-Flüchtlinge muss aufhören.“ Ein Asylanwalt hat mir gesagt, dass viele homosexuelle Flüchtlinge dermaßen verzweifelt sind, dass sie Bilder herzeigen, in denen sie schwulen Sex haben, um die Sachlage ihrer sexuellen Verfolgung zu fundieren und zu beweisen. Wissenschaftlerin und Akademikerin Natacha Kennedy meint zwar, dass 2013 zwar OK war, aber dass es bessere Jahre gegeben hat.

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Als ich Schüler in Brighton war und meine obligatorische Transgender-Oh-Gott-bin-ich-so-deprimiert-ich-bring-mich-um-Phase hatte, war es definitiv ein großer Trost, dass ich vom rechtlichen Schutz für Leute wie mich wusste. Mein Arsch von einem Vater nennt mich immer noch „Sohn“, obwohl ich einen Pass habe, in dem ich als Frau vermerkt bin. Wirklich krass war es auf der Straße angepöbelt zu werden nur um heimzukommen zu einem Fernsehprogramm, das sich ständig über Transgender lustig macht. Little Britain, Shameless, Family Guy. In eigentlich fast jeder Sitcom und Komödie, die mir einfällt, sind Transgender Leute ein Witz und werden auch nie als die „In“-Figur dargestellt.

Foto von Jamie Taete

Deshalb ist für mich der wahre Kampf, der um die Herzen und Köpfe der Leute. Es ist nicht illegal schwul zu sein, nationale Traditionen und das homophobe Erbe hängen aber über unseren Köpfen bei allem was wir tun. Es ist eine reine Frage der Wahrnehmung. Es muss ein ethischer Verhaltenskodex implementiert werden, der Homophobie und Transphobie in den Zeitungen und Magazinen eliminiert. Also auch wenn wir glücklicherweise unsere Eier nicht am Roten Platz annageln müssen, könnten wir das Maul aufmachen, wenn wir Fortschritt wollen.

Diese Diskussion könnte man beim Sport beginnen. Autor, Psychologe und ehemaliger Basketball-Badass John Amaechi argumentiert, dass es keinen anerkannten Massensport gibt, der sich wirklich um Diversität bemüht: „Im Jahr 2014 müssen die großen Sportarten—gerade Fußball—etwas reflektieren und sich definieren sowie eingestehen, dass das Klima, dass sie generieren keine Frauen, Asiaten oder Homosexuelle anzieht. Bis eine Entwicklung in diese Richtung passiert, kann sich auch nichts verändern—aber sobald sie passiert, kann man ziemlich schnell positive Veränderungen erkennen, wie zum Beispiel in Indien und Amerika.“

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Ich arbeite mit All About Trans, eine britische Organisation, die junge Transsexuelle direkt mit Profis aus den Medien zusammensetzt um zu quatschen. Letztes Jahr haben wir uns bemüht in ausgewählten Schulen festgefahrene Meinungen zu ändern und landesweite Förderungen für 2014 zu erarbeiten. Diversity Role Models ist eine ähnliche Institution, die in Schulen Foren für Schwule, Lesben und Transsexuelle bietet. Sie beantworten auch blöde Fragen und hängen generell mit den Kids ab. Sie sind fast so etwas wie Schwulen-Vertreter, nur dass sie nicht rekrutieren sondern informieren. Stonewall leistet auch einiges im Bereich Homophobie in der Schule, nur machen die nichts für Trans-Kids. Das wäre nicht so schlimm, wenn es haufenweise geförderte Trans-Organisationen gäbe, die in die Schulen eingeladen werden—die gibt es aber NICHT. In Wirklichkeit muss die Regierung Schulen verpflichten alle Formen von Vorurteile zu bekämpfen—nicht nur Homophobie und Transphobie, sondern auch Misogynie, Rassismus und religiöse Intoleranz. Ganz schön radikal, oder—Schulen zu zwingen die Kinder zu schützen.

Die Authorin Paris Lees (Foto von Rachel Saunders)

Und was ist mit den intersexuellen Kids? Die, deren Anatomie und Geschlechtsmerkmale nicht den typischen Definitionen von männlich und weiblich entsprechen. Vielleicht habt ihr die Benennung „Hermaphrodit“ schon gehört. Nicht OK! Ich habe mit Sarah Graham von IntersexUK gesprochen und sie meint, dass immer noch ziemlich dunkle Zeiten herrschen für intersexuelle Menschen. Sie sagt: „Wir müssen die ständigen Operationen und Behandlungen stoppen, die ohne Einverständnis passieren und nicht rückgängig gemacht werden können. Alles nur um gesunde Körper zu „normalisieren“ und letztlich können dabei lebenslange Schäden entstehen.“

Ja, Chirurgen schnippeln an Säuglingen herum um sie schön ordentlich in die Kategorien „männlich“ und „weiblich“ zu stopfen. Das passiert noch heute. Hier und Jetzt. Vielleicht sogar im Krankenhaus bei dir um die Ecke. Babys bekommen keine Entscheidungsfreiheit (duh) und Ärzte meinen oft es besser zu wissen, trotz unzähligen Fällen, in denen sich erwachsene, intersexuelle Leute dann medizinisch missbraucht und betrogen fühlen. Auch Familien müssen mehr unterstützt werden. Und mehr Aufrichtigkeit! Sarah Graham wurde, als sie mit acht operiert wurde, von den Ärzten belogen. Sie dachte ihre Eierstöcke würden entfernt werden um das Krebsrisiko zu senken. Was die Chirurgen aber in Wirklichkeit entfernten war ein Paar Hoden. Die Wahrheit erfuhr sie erst Mitte 20, was eine unglaublich traumatische Erfahrung für sie war: „Als ich meine Diagnose sah, habe ich mich wie der ärgste Freak gefühlt, als ob ich nirgends dazugehöre und nirgends Unterstützung finden könnte … dann begann eine lange Phase voller Selbsthass und Selbstzerstörung. Kinder müssen auch in der Lage sein dürfen intersexuell aufzuwachsen und Eltern sollten nicht gezwungen werden eine Entscheidung zu treffen.“

Da habt ihr es. Wie immer geht es um Macht. Und darum wessen Stimmen hörbar gemacht werden. Wir brauchen Journalisten, die sich mit den Leuten treffen, über die sie schreiben und dafür auch bezahlt werden. Wir brauchen Regierungen, die Schulen sicherer machen für Schwule und Transsexuelle. Wir brauchen Ärzte und Politiker, die den intersexuellen Menschen auch zuhören. Wir brauchen Einwanderungs-Exekutive, die homosexuelle und transsexuelle Asylanträge ernst nehmen. Der professionelle Sport soll zugeben, das da alle noch im dunkelsten Mittelalter leben.  Nichts von dem ich hier spreche ist extrem. Oder unmöglich. ODER kostenaufwändig. Es geht um super-erleuchtete Leute wie uns, die es mit der Magie des Bildungswesens soweit bringen müssen, dass die Menschen nicht mehr alle so beschissen zu einander sind. Worauf warten wir noch?

Paris Lees ist eine professionelle Transgender-Person. Wie kann es sein, dass ihr sie noch nicht kennt? Sie hat geile Haare und so ziemlich alles Gute, das in 2013 passiert ist, hat sie bewirkt. Sie ist auch bisexuell und liebt Die Schwulen—und sie ist hier um über Schwulenrechte zu sprechen. Heil der transsexuellen Königin.

Folgt ihr auf Twitter: @ParisLees