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Arm und obdachlos: Warum es beschissen ist, 2015 Student zu sein

Was die Studentenflut auf deutsche Hochschulen anrichtet und was getan werden muss, um dem entgegenzuwirken.

Als Student in Deutschland hat man es nicht leicht. Ist der Studienplatz erst einmal gesichert, muss man eine bezahlbare Bleibe finden. Das ist fast unmöglich, vor allem in westdeutschen Groß- und Universitätsstädten. Derzeit gibt es 2,8 Millionen Studenten in Deutschland, so viel wie nie zuvor. 2008 waren es noch 2 Millionen. Die Wohnungsnachfrage steigt, das Angebot nicht. Nach Schätzungen des Deutschen Studentenwerks (DSW) fehlen etwa 25.000 Wohnheimplätze zum Semesterstart. Was bleibt? Man schlägt ein Zelt auf oder zieht in eine Studenten-Notunterkunft im Fitnessstudio. Man trägt seinen Namen ein in eine Warteliste, auf der schon 2.000 Namen stehen. Und wartet.

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Wenn's ums Geld geht, das bei Studenten immer knapp ist, beantragt man BAföG. Doch während die Lebenshaltungskosten steigen, steigt das BAföG nicht: Die Sätze sind seit der Reform von 2010 praktisch eingefroren. Auch die Bemessungsgrundlagen wurden nicht an die steigenden Einkommen angepasst. Immer mehr Studenten fallen also aus der Förderung raus, denn auf dem Papier sind sie „zu reich" für BAföG, in Wirklichkeit aber zu arm zum Studieren. Und wenn man die Finanzlücke mit Nebenjobs als Prostituierte, Dealer oder Zirkusartist schließen muss, ist es mit dem süßen Studentenleben endgültig vorbei.

Als internationaler Student in Deutschland hat man es noch schwerer. Laut dem DSW finden ausländische Studenten schwerer eine Wohnung und verfügen grundsätzlich über weniger Geld als ihre deutschen Kommilitonen. Auch für die Flüchtlnge mit Hochschulzugangsberechtigung, die nun als Gasthörer an deutschen Hochschulen anfangen, wird es angesichts der momentanen Stimmung nicht leicht. Gerade in der Pegida-Hochburg Dresden sind besonders viele Flüchtlinge als Gasthörer eingeschrieben.

Foto: Jirka Matousek|Flickr|CC BY 2.0

Doch es gibt Lösungsansatze von der Politik. Diese wurden unter anderem bei der Jahres-Pressekonferenz des Deutschen Studentenwerks am Mittwoch vorgestellt. Das DSW ist der freiwillige Zusammenschluss der 58 Studentenwerke in Deutschland. Es berät die Studentenwerke und fördert deren Interessen auf Bundes- und regionaler Ebene.

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Erster Lösungsansatz: 2016 wird die neue BAföG-Reform wirksam. Zum ersten Mal seit sechs Jahren wird der Bedarfssatz erhöht, und zwar um sieben Prozent zum Wintersemester 2016/17. Der Wohngeldzuschlag wird von jetzt 224 Euro auf 250 Euro erhöht. Die Einkommensfreibeträge der Eltern steigen um sieben Prozent. Ausländische Studierende werden künftig nach 15 Monaten Aufenthalt in Deutschland BAföG bekommen. Bisher konnten sie erst nach vier Jahren einen Antrag stellen.

Außerdem gibt es das neue „Modellvorhaben zum nachhaltigen und bezahlbaren Bau von Variowohnungen" des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB). Mit 120 Millionen Euro wird seit November der Bau bezahlbarer Wohnungen für Studierende und Auszubildende gefördert. Die innovativen und nachhaltigen Wohnprojekte können später dank der Vario-Bauweise etwa zu altersgerechten Wohnungen umgebaut werden. Die Warmmiete dieser Kleinstwohnungen wird auf 260 Euro gedeckelt, in Städten mit besonders angespannter Wohnsituation, etwa Berlin, München, Stuttgart und Köln, auf 280 Euro.

Für das DSW sind diese Schritte aber längst nicht genug. Das wurde in der Jahres-Pressekonferenz sehr deutlich. Präsident Dieter Timmermann bemängelte, dass die BAföG-Erhöhung schon viel früher hätte kommen müssen. Das DSW fordere seit Langem eine an die Preisentwicklung gekoppelte, regelmäßige Erhöhung des BAföG und eine automatische Anpassung der Bedarfssätze, sagte er. Darüber hinaus solle BAföG auch noch bekommen, wer zwei Semester länger braucht als von der Regelstudienzeit vorgesehen.

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Foto: karaian | Flickr | CC BY 2.0

Auch das BMUB-Förderprogramm sei bei Weitem nicht genug. Weil die gesamte soziale Infrastruktur durch die vielen Studierenden überlastet sei, brauche man ein von Bund und Ländern gemeinsam gestemmtes „Hochschulsozialprojekt" in Höhe von 2,25 Milliarden Euro, sagte Timmermann: „Wir brauchen mehr Wohnheimplätze, mehr Essensangebote, mehr Mensatische, mehr Betreuung für die Kinder von Studierenden und mehr Beratungsmöglichkeiten."

Außerdem fordert das DSW zusätzliche Länder-Investitionen, damit die Studentenwerke in Mensen und Wohnheimen flächendeckend WLAN-Internetzugänge bereitstellen können und Studierende künftig in ganz Deutschland in allen DSW-Mensen zum gleichen ermäßigten Preis essen dürfen.

Bis diese Forderungen alle durchgesetzt sind, werden noch so manche Studenten ihre Nächte in Zeltlagern verbringen oder als Koks-Dealer scheitern.


Titelbild: Pixabay