Young & hustlin – Wie das Leben als junger Filmemacher ohne Kohle wirklich aussieht

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Young & hustlin – Wie das Leben als junger Filmemacher ohne Kohle wirklich aussieht

Die Kunst ist eine Hure, eine Hure, erst recht in Berlin.

Die Kunst ist eine Hure. Wer sie liebt, den liebt sie nur selten zurück. Gerade zu Anfang macht sie es ihren Liebhabern schwer. Wer sich ihr hingibt—fast oder ganz bis zur Selbstaufgabe—, sieht in den seltensten Fällen einen Ertrag und mit ‚Ertrag' ist dieses Zeug in den Brieftaschen gemeint, womit Essen oder eine Hose für den dünn gewordenen Arsch gekauft werden kann. Aber wer in Kosten-Nutzenkalkülen denkt, hat eh schon verloren. Für Kolja zumindest: „Kunst ist sinnlos. Sie ist Selbstzweck."

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Mantel aus dem Schrank, noch ein schneller Schluck Whisky, dann ging es raus auf die Straße und rein in Koljas Stammpinte: Wesereck, Hobrechtstraße, Neukölln

Als er seine ersten Filme zu drehen begann, war er zehn oder elf. Geld war da kein Thema. Mit 17 hatte er seinen ersten Filmpreis gewonnen. Ein Dreiminüter, aufgenommen auf einem einfachen Handy. Mit 21 drehte er den ersten Langfilm: Und am Ende sind alle allein. Er läuft kommt denächst in ausgewählte Kinos. Ein wirkliches Budget hatte Kolja dafür nicht, aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. „Da prostituierst du dich auch schon mal. … emotional." Wenn Geld als Zahlungs- und Druckmittel fehlt, muss man die Schauspieler und den Rest der Crew bespaßen und ihre Launen aushalten. „Ich hatte keine 30 Drehtage wie bei Budget-Produktionen, in denen der ganze Film im Kasten war. Allein der Dreh zog sich bei mir über ein Jahr hin. Am Anfang sind noch alle motiviert, aber dann, nach einem halben Jahr, nach einem Jahr, ebbt das ab und keiner hat mehr Bock drauf." Wenn einer der Schauspieler hingeschmissen hätte, wäre Kolja damals am Arsch gewesen.

Angefangen hatte alles mit einer kleinen Kamera und der Trierer Tristesse. Dort ist er aufgewachsen: „Da gibt es halt nichts. Wenn man in so einer lahmen Gegend aufwächst, muss man sich selber die Geschichten bauen. Wir hatten auch keinen Fernseher; dafür eine Kamera. Meine Eltern haben sich das Teil angeschafft, nur hat es niemand benutzt. Dann begann ich, damit Filme zu drehen." Mit dem Schreiben fing er noch früher an.

Heute tritt Kolja nie ohne Notizblock vor die Haustür. Den schwarzen Füller hat er immer am Kragen dabei

Aber selbst beim Lesen und Schreiben dachte Kolja immer schon szenisch: „Mit zehn oder elf habe ich mich wahnsinnig in Storys verliebt. Viel gelesen. Was man in dem Alter halt so liest. All die Felix-Dahn-Scheiße: Kampf um Rom. Hab' dann versucht, ein Jahr lang das Buch zu einem Drehbuch umzuschreiben. Blanker Irrsinn, völlig gescheitert." Aller Anfang war schwer, Kolja ist Autodidakt: „Wie gesagt, in Trier gab's einfach nichts. Im Grunde musste man alles selber machen. Kein Netzwerk, null. Auch die filmischen Sachen musste man mehr oder weniger alleine hochziehen."

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Das tat Kolja dann auch. Filme entstanden, die Jahre vergingen, Schule zu Ende; Studieren und BAföG kamen nicht wirklich in Frage, Geld musste trotzdem irgendwie her. Über eine Freundin seiner Schwester landete er in Aachen als Regieassistent am Theater. „Das ist auch eine nervige Angelegenheit, wenn man den ganzen Tag für die Idee von jemand anderem herhalten muss. Und dann sind das zum Teil auch wirklich Scheißideen." Ansonsten war Bühneputzen angesagt, Wäsche für die Schauspieler waschen, Kaffeekochen, Soufflieren. Das ging knappe zwei Jahr so, mit ein paar Unterbrechungen. Die meiste Zeit davon wohnte Kolja bei seiner Freundin. Zusammen teilten sie sich ein 12-Quadratmeter-Zimmer. „Daran ist das Ganze letztlich auch kaputtgegangen. Wir haben zu lange auf einem Fleck geklebt und konnten uns nicht aus dem Wege gehen." Einen Tag später packte Kolja seine Sachen und zog nach Berlin—den ersten Kinofilm mit im Gepäck. Gedreht hatte er ihn während der Zeit in Aachen. In jeder freien Minute und an Wochenenden. „Teilweise war das richtig die Hölle, weil mein Baby zu Hause lag, ich hätte den Film schneiden müssen und wurde den ganzen Tag dort am Theater mit so einem Scheiß aufgehalten."

Als Kolja nach Berlin kam, legte er seine Prioritäten anders. „Das Theater zehrte an den Kräften, aber so ist das bei allen Jobs, die einen zu sehr fordern, und die nichts mit dem zu tun haben, was man eigentlich machen will. Deswegen habe ich mir seitdem immer nur Jobs gesucht, bei denen ich auch wirklich machen konnte, was ich wollte. Wie das Pornokino zum Beispiel."

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Zurück am Eingang der alten Wirkungsstätte, dem DarkZone in Kreuzberg

Über einen Freund bekam er die Stelle. Dort hat Kolja an der Kasse geschichtet, den Laden nach den Vorstellungen sauber gehalten, wenn wenig Betrieb war, besaß er genug Zeit, um an seinen Geschichten zu feilen.

Seine Charaktere trägt Kolja eh die ganze Zeit mit sich umher. Es geht so weit, dass emotionale Bindungen entstehen: „Bei dem nächsten Film, LasVegas, kannte ich schon während des Schreibens am Drehbuch das Ende und habe die ganze Zeit dagegen angekämpft. Ich war dann mehrere Tage lang abgefuckt und traurig und wusste nicht warum, bis ich merkte, dass es nicht wegen mir war, sondern wegen der einen Figur, weil ich nicht wusste, wie ich sie retten soll, weil ich nicht will, dass sie stirbt." Was aus ihr geworden ist, verrät Kolja nicht, aber diese Form der Empathie ist für ihn der Schlüssel zur Authentizität: „Man muss Figuren verstehen, die Sachen machen, die man schreibt. Da gibt es auch unangenehme Momente, wenn Figuren eine Wandlung vollziehen, die eigentlich wahnsinnig fies ist, man sie aber mitmachen muss, auch wenn man keinen Bock drauf hat. Man muss da nochmal rein, in diese abgefuckten Charaktere, wenn nicht, merkt das der Zuschauer. Letztens war das ein 16-jähriges Mädchen, das zum IS geht. Also allein auf 16-jährige Mädchenwelten hat man auf Anhieb keinen Bock." Auch den Preis muss man zu zahlen bereit sein.

Dafür nehmen die Dinge heute etwas mehr Fahrt auf. Und am Ende sind alle allein feiert in wenigen Tagen sein kleines Kino-Release, für LasVegas, die Geschichte über eine selbstzerstörerische Liebe, sieht es mit Fördergeldern nicht schlecht aus. „Der Film wird wie Bonnie & Clyde nur mit Clyde & Clyde." Das Drehbuch steht auch schon. Die ersten Schritten auf die Hure zu ist Kolja gegangen, vielleicht entwickelt sie ja für ihn ein Herz aus Gold.

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